Murat Altuglu, Gastautor / 22.12.2012 / 22:40 / 0 / Seite ausdrucken

Wie man Amokläufe verhindert

Murat Altuglu

Nun gab es wieder einmal einen Amoklauf in den USA, bei dem über zwei Dutzend Menschen, die meisten Kinder, starben. Wieder einmal, denn solche Amokläufe passieren oft. Die meistverbreitete Narrativ ist, dass zu laxe Waffengesetze für solche Taten verantwortlich sind. Dieses Narrativ wird durch jede dieser Taten verstärkt, nämlich dass die Amis (sic.), Waffennarren sind, die gern um sich ballern. Dies mag infantil klingen, aber man lese nur die deutschen Zeitungen und man sieht wie sich dort solche Syllogismen manifestieren. Ohne jetzt alle Fehlschlüsse auf einmal abzuarbeiten, soll hier zuerst einmal der Punkt zu den Waffengesetzen erörtert werden.

Ein allzu frivoler Umgang mit Waffen, mit Schnellfeuergewehren und anderem großkalibrigen Gerät an sich ist nicht verantwortlich für solche Massaker. Verantwortlich ist immer der Täter. Dies mag für einige simpel, oder für andere erstaunlich klingen, ist aber schlicht Tatbestand. Natürlich macht es einen Unterschied, wie schnell und einfach jemand töten kann. Dies ist aber nur entscheidend über das Ausmaß des Aktes. Wenn in der Grundschule in Connecticut oder im Kino in Colorado der Täter eine Pistole mit einem zehn Schuss Magazin gehabt hätte und einen begrenzten Vorrat an Munition, wäre nur das Ausmaß des Amoklaufs vielleicht kleiner gewesen.

Nur, ist es Sinn der Debatte dafür zu sorgen, dass weniger Menschen sterben? Bei über einem Dutzend sind alle aus dem Häuschen, wenn es aber allenthalben nur eine Handvoll von Leuten betrifft, dann ist es erträglich? Denn worauf alle debattierten Optionen hinauslaufen, ist die Anzahl der Toten zu begrenzen und eben nicht, solche Taten zu verhindern. Ziel sollte es sein, Amokläufe zu verhindern. Wenn dies nicht möglich ist, dann doch die Folgen zu minimieren.

Um solche Taten zu verhindern, ist es aber nicht entscheidend, ob ein junger Mann (denn solche sind es, die diese Taten fast immer begehen) eine Pistole mit zehn Schuss oder ein Arsenal von vielen Waffen hat. Es ist wichtig, dass junge Männer auf solche Ideen überhaupt erst nicht kommen. Dies wird von (vor allem) linken Politikern und Journalisten elegant übersehen, denn es ist leichter Waffenverbote auszusprechen, als sich verwirrter Geister anzunehmen. Bevor dieser Gegensatz näher behandelt wird, soll aber noch der Punkt zu den Waffengesetzen und den allzeit bewaffneten Amerikanern erläutert werden.

Ob die amerikanische Gesellschaft gewalttätiger als z. B. die Deutsche ist, sei einmal dahin gestellt. Das Aggregat der Kriminalität hat geringe Aussagekraft. Denn die amerikanische Gesellschaft ist zu heterogen, als das hier Verallgemeinerungen einfach ausgesprochen werden könnten. So haben die USA im Vergleich zu europäischen Staaten eine höhere Rate an Gewaltverbrechen (Morde z. B.). Allerdings gehen diese zu großen Teilen auf das Konto bestimmter Bevölkerungsgruppen, die außerhalb der Leitkultur stehen. Die FBI–Statistiken sind hierzu äußerst aufschlussreich. Aufgrund der geografischen Größe existieren daher mehrere Amerikas. So sind weite Teile der USA ein Refugium des Friedens, während andere Bereiche der USA unter einer für Europäer nur schwer nachvollziehbaren Gewalt(-kultur?) leben. Dies mag das Paradox USA bei vielen Europäern erklären. Im dicht gedrängten Mitteleuropa hingegen können sich Bevölkerungsgruppen weniger gut abschotten als in den USA. (Dies ist auch – noch – kein Problem, denn die europäischen Nationen sind nach wie vor ziemlich homogen.)

So ist festzuhalten, dass Gewalt in den USA unterschiedlich verteilt ist. Und die Art der Gewalt unterscheidet sich von Region zu Region, wobei Region äquivalent zu kulturellem Umfeld stehen mag. Die hier besprochenen Amokläufe finden in bestimmten Gegenden statt. In den Suburbs, wo der Mittelstand lebt. Und die Täter sind junge weiße Männer. Wenn doch alle 330 Millionen Amerikaner unter den gleichen laschen Waffengesetzen leben, warum sind es vor allem junge weiße Männer, die diese Verbrechen begehen? Die logische Deduktion lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Nicht die Waffengesetze sind schuld, sondern das erzieherische und kulturelle Umfeld dieser jungen Männer ist die Ursache.

Um diese Aussage beispielhaft zu erläutern, kann der folgende Vergleich gezogen werden. Während in anderen Kulturen es als eines Mannes unwürdig gesehen wird, wahllos um sich zu schießen, gar auf Kinder, ist die gesellschaftliche Ächtung für diese Täter irrelevant. Sie scheren sich nicht darum, was andere über sie denken. Zum Vergleich, türkische jugendliche haben öfters eine sehr niedrige Hemmschwelle für Gewalt. Und Waffen haben sie auch. Weil sie jedoch familiär und gesellschaftlich eng an- und eingebunden sind, an der Kandare des Matriarchats, dem engen sozialen Netzwerk der Machokultur hängen, ist Gewalt an sich akzeptabel, jedoch prädefiniert.

Ein Amoklauf wäre daher nicht möglich, weil Gewalt ein Tabu ist. Die Hemmungen würden darin liegen, dass man seiner Familie einen Gesichtsverlust beibringen („was denkt die Mamma über mich“) und auch selber unmännlich agieren würde („der schießt auf arglose Kinobesucher oder Kinder – was für `ne Lusche“). Nicht umsonst war das erste Opfer des Schulmassakers von vor zwei Wochen die Mutter des Täters.

Man kann weitere Vergleiche anbringen. In den USA wird zurzeit Israel sehr hervorgehoben, als eine Gesellschaft in der Waffen weit verbreitet und wo trotzdem intra-kommunale Massaker nicht üblich sind. In Israels Umgebung sind weitere Gesellschaften vorhanden in denen großkalibrige Waffen in aller Leute Hand sind. Trotzdem werden diese für inter-kommunale Gewalt verwendet, während Menschen aus dem eigenen Mahalla, dem orientalischen Suburb, ziemlich sicher sind vor diesen Kalaschnikows.

Diese Vergleiche mögen diskutabel sein. Im Kern erfassen sie jedoch korrekt die psychische Störung als Ursache für die Massaker, und nicht das Vorhandensein eines Gewehres. Wenn man von den verschieden Amokläufen in den USA extrapolieren tut, dann erkennt man eine systemische Störung. Da ist was im Gange gesellschaftlich, was zu diesen Taten führt. Von konservativen Kreisen, oftmals plump als die Waffenlobby in den deutschen Medien abgetan, wird dies auch zur Sprache gebracht.

Diese Ursachenforschung muss an anderer Stelle dargestellt werden. Die Schlussfolgerung aus vor allem konservativen Kreisen ist aber, dass strengere Waffengesetze nicht viel bringen, denn selbst in Europa finden solche Massaker statt. Ein weiteres beachtenswertes Argument ist, dass das Tragen von Schusswaffen die beste Art ist, sich zu schützen und Massaker zu verhindern. Hierzu wird darauf verwiesen, dass in den vergangenen zwei Wochen in den Medien Tabellen verbreitet wurden, in denen aufgelistet wurde, wann wie viele Menschen Opfer von Amokläufen wurden. Aus konservativen Kreisen (und selbst in dem linken Guardian) wird dem mit noch längeren Listen entgegengehalten, die aufzeigen wie Amokläufe durch bewaffnete Bürger noch im Anfangsstadion unterbunden wurden, indem sie entweder den Amokläufer erschossen oder niederhielten, bis die Polizei eintraf.

Dieses Argument ist schlüssig. Eine Anzahl von Massakern fand statt. Eine größere Anzahl wurde jedoch vorzeitig durch Waffeneinsatz von betroffenen Mitbürgern vor Ort unterbunden. Anstelle von einem Dutzend und mehr Toten gab es nur einige wenige Tote. Im Umkehrschluss, wenn keine Menschen mit Waffen vor Ort gewesen wären, gäbe es mehr Amokläufe mit Dutzenden Toten. Wenn es also darum geht, die Auswirkung von Amokläufen zu minimieren, macht es durchaus Sinn bewaffnete Bürger um sich zu haben. Denn diese können umgehend reagieren. Wenn es darum geht, Amokläufe zu verhindern, dann muss auf gesellschaftliche Probleme schauen, nicht allein auf Waffengesetze. Nur ist das unbequemer, vor allem wenn es die Kulturschaffenden der letzten Jahrzehnte betreffen würde. Dies ist das Problem, dem sich die veröffentlichte Meinung in den USA früher oder später stellen muss.

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