Thilo Schneider / 17.05.2019 / 12:00 / Foto: Timo Raab / 17 / Seite ausdrucken

Wie illegal sind eigentlich Straftaten?

Die Union meint es ernst und will jetzt, glaubt man der WELT, „illegale Migration begrenzen“. Der stellvertretende Unionfraktionschef Thorsten Frei lehnt sich sogar ganz weit aus dem Reichstagsfenster: „Eine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme wird es mit CDU und CSU nicht geben“. Aha. Ich fände das nur irgendwie noch eine Spur glaubwürdiger, säße die Union nicht seit vierzehn Jahren mit der gleichen Chancelorette an der Macht und würde auch seitdem bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit geradezu ironischer Schalkhaftigkeit das Gegenteil von dem machen, was sie öffentlich und speziell vor Wahlen herausblökt. 

Jetzt also – also JETZT, vor der Europawahl, der „Schicksalswahl eines Kontinents“, wie die zukünftig fremdalimentierten Europaabgeordneten ihren desinteressierten Bürgern einhämmern wollen – soll „illegale Migration begrenzt werden“. Fällt nur mir der Widerspruch auf? Oder gibt es da gar keinen Widerspruch? 

Aber selbst offensichtlicher Schwachsinn ist ja heute salonfähig: „Illegaler Drogenhandel“ wird jetzt nicht mehr bekämpft, sondern „begrenzt“, wie das liebevolle Beispiel der Drogenvertickerzonen im Görlitzer Park in Berlin zeigt. Dort hat die Parkverwaltung mit Spraydosen (aus 100 Prozent abbaubarer Farbe) rosa „Zonen“ eingerichtet, in denen „halt so Drogen und so“ „verkauft“ werden sollen/dürfen/können/müssen. Das spart Polizei und gibt der kriminellen Szene in Berlin so etwas wie einen Kaufhauscharakter. „If you can’t beat ’em, join ’em“, wie der Lateiner sagt, „mit den Realitäten umgehen“ nennt das Florian Schmidt, natürlich von den immer realitätsumgänglichen Grünen.  

Ist es Zeit für legale Morde?

Umgehen wir also mal die Realitäten. Wenn die Union schon „illegale Migration“ „begrenzen“ will – warum dann nicht der ganz große Wurf? Wie wäre es, „illegalen Diebstahl“ zu begrenzen, und der Diebstahl von bestimmten Gegenständen wie Handy oder Beträgen bis 50 Euro (inklusive Zechprellen und Mehrwertsteuer) blieben künftig straffrei? Das würde zum einen die Statistik nach unten drücken und außerdem die Gerichte entlasten. Finden Sie das absurd? Ist aber so schon diskutiert worden – zumindest in Kiel und wenn der Täter intelligent genug ist, keine Ausweispapiere zu haben. Dann hat er eben Pech gehabt, der Täter, und wird nicht bestraft. Und wie sieht es mit „illegaler sexueller Belästigung“ aus? Wäre es nicht sinnvoll, hier auch entsprechende Belästigungszonen auf Bahnhöfen und Partymeilen einzurichten? Einzige Bedingung sollte hier aber sein: Der Belästiger MUSS dann auch sexuell belästigen. Egal, wer die Belästigungszone betritt. Für so manchen Ausflug eines Kegelclubs wäre das mal eine willkommene Abwechslung vom touristischen Einerlei. Und, nur falls jemand fragt: „Legale sexuelle Belästigung“ gibt es natürlich ebenso, wie es „legalen Diebstahl“ gibt. Das eine bekommen Sie beim Arzt, das andere beim Finanzamt.

Ich persönlich würde, selbstverständlich im liberalsten Sinne, auch „illegale Morde“ begrenzt sehen wollen: Jeder Bürger sollte das Recht haben, maximal einen Mord straffrei begehen zu dürfen. Man könnte dann endlich seinen Todfeind (oder wenigstens den Nachbarn) niederstrecken und trotzdem am nächsten Tag auf die Arbeit marschieren. Da die meisten Mörder sowieso Erst- und Letzttäter sind, würde das eine enorme Einsparung an Personal, Aufwand und damit letztlich CO2 bedeuten. Außerdem wüsste mein Nachbar nie, ob ich meinen Mord schon begangen habe und er sicher ist, und er wäre dementsprechend freundlich zu mir. Ich zu ihm übrigens auch. Nachdem außerdem auch jeder zweite Mord unentdeckt bleibt, könnten die Behörden tatsächlich erst beim dritten Mord mit den Ermittlungen mal so langsam anfangen. Das würde die Zahl illegaler Morde ad hoc begrenzen – und weniger polizeiliche und juristische Kapazitäten binden, die sich dann mit Wichtigerem beschäftigen könnten. Beispielsweise mit der korrekten Geschlechtsanrede auf Bankformularen für Senioren, die ja auch nichts Besseres zu tun haben. Obwohl die Zeit knapp wird. Den Hinweis auf die angespannte Lage der Rentenkassen spare ich mir an dieser Stelle.

Je mehr und länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass die Einrichtung von Dealerzonen im Görlitzer Park schlicht und ergreifend der Sicherung der Nahversorgung des Bundestages dient. Ohne Drogen kann man einfach nicht auf derart absurde und bizarre Gedanken kommen. Außer, man ist Autor. Und selbst ich brauche dazu Kaffee und Nikotin. 

Deswegen gerne noch einmal langsam und zum Mitschreiben für die Union: „Illegale Migration“ muss nicht „eingedämmt“, sondern verhindert werden. Deswegen nennt es sich ja ILLEGALE Migration, liebe christliche Helden der C(hancelorette)-Parteien. Ihr wollt doch sicher auch „illegale Parteienfinanzierung“ nicht „eindämmen“, sondern verhin… ach, egal. Ich habe den Fehler selbst gefunden. Herbert Grönemeyer ist daran schuld. Er wollte immer „Kinder an die Macht“ bringen. Das haben wir nun davon. Allerdings haben wir da weit weniger zu lachen, als uns Herbert versprochen hat. Vielleicht ist der ja auch im Grunde seines Herzens Politiker. Illegale Musikdownloads begrenzen.

Foto: Timo Raab

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Peter Wachter / 17.05.2019

Im Internet gibt es aktuell Videos, wo kroatische Grenzschützer illegal illegale Migranten*innen/essen nach Bosnien zurück verbringen. Als Techniker seh ich das ganz entspannt, 2x illegal ergibt einmal (scheiß-)legal oder minus mal minus gibt plus und verarschen kann ich mich selber! In diesem Sinne, schönes WE

Michael Lorenz / 17.05.2019

Au ja, da mache ich gleich mit: wie viel mal darf ich denn Grönenzwerg illegal downloaden? Nicht, dass ich mir seien Schmu gerne anhören würde - der Download ist das Ziel… - Ansonsten, lieber Herr Schneider: bitte seien Sie vorsichtig, was sie alles an Satire bringen. Ich habe noch keine satirische Einlage älter als 10 Jahre erlebt, die diese Groko nicht zugelassen oder sogar selber betrieben hat. Selbst der seinerzeit von Brecht ausschließlich satirisch gemeinte Rat, die Regierung möge das Volk auflösen, wir nun ausgesprochen ernsthaft betrieben - quer durch alle Altparteien!

Thomas Taterka / 17.05.2019

Wie immer, kurz vor Wahlen, versucht man ” geschickt “, die besonders schweren Fälle von Demenz oder Amnesie zum altvertrauten Urnengang zu überreden, denn “Wählen ist ja erste Bürgerpflicht”. Deren moralischer Kompass ist aber inzwischen so im Arsch, daß sie die, die ihnen schon hundertmal in denselben getreten haben, einfach nochmal wählen. Die Macht der Gewohnheit ist der Kompromiss mit der eigenen Dummheit.

Jörg Themlitz / 17.05.2019

Das haben Sie ja sehr schön herausgearbeitet Herr Schneider. In Berlin gibt es zwei Parallelwelten. (und jede Menge Kopien davon, Wedding, Rote Rathaus etc.) Eine in Nord-Neukölln und eine drei Kilometer weiter sogar mit eigener Bannmeile (für Auswärtige, das Gebäude an dem noch dran steht, DEM DEUTSCHEN VOLKE). Beide mit schönen Autos, jede Menge Personenschützer, also nur für ihre Person, leben in der Mehrheit vom Geld anderer Menschen, legen Gesetze entsprechend ihren Interessen aus und artikulieren sich gern in Medien.

Friedrich Neureich / 17.05.2019

In den brillanten “Scheibenwelt”-Romanen des leider verstorbenen Terry Pratchett wird die Metropole Ankh-Morpork auf genau diese Weise regiert: Die Diebesgilde bekommt eine gewisse Quote an Verbrechen zugestanden… und die Gildenvorsitzenden werden bei jeder Überschreitung ohne weitere Ermittlungen unmittelbar zur Verantwortung gezogen. Das könnte so mit den Clans *vielleicht* funktionieren, allerdings ist zu befürchten, dass Tötungen, Vergewaltigungen usw. von “Kartoffeln” dann einfach nicht gerechnet würden.

Frank Stricker / 17.05.2019

Das mit den rosa Spraylinien als Stopp-Linie fürs Drogen-Verticken , das sollte man mal einem New Yorker Cop vorschlagen .Der würde wahrscheinlich einen wochenlangen Lachkrampf bekommen. Um es mal vorsichtig zu formulieren , in New York wäre sowas wie der Görlitzer Park innerhalb von 5 Minuten Drogenfrei und würde es garantiert auch bleiben.  Habe es selbst als unfreiwilliger Zeuge einige Male am Times Square erlebt , Sensibilität und Einfühlungsvermögen sind nicht gerade die großen Stärken der Cops , dafür setzen die Recht und Gesetz in jeder Situation durch , ohne wenn und aber !

herbert binder / 17.05.2019

Aus Ihrer wieder einmal köstlichen Gedankenwelt habe ich mir eine Vokabel herausgepickt, lieber Herr Schneider, und zwar “umgehen”. Wegen der Fülle an Bedeutungen. Wer möchte, wird auf duden.de bestens bedient. Hier nur einige wenige Beispiele: in Umlauf sein (ein Gerücht geht um und die Angst z.B. vor “Goldstücken”); umherschleichen, spuken (z.B. politische Geister); sich mit etwas beschäftigen (wenn sich diese Geister z.B. Gedanken machen, mit diesen also um- bzw. schwanger gehen); in bestimmter Weise behandeln (z.B.verschwenderisch mit Ressourcen, als da sind: Steuern, umgehen); mit jemandem verkehren, also “Umgang” haben: sage mir, mit wem du [um-]gehst, und isch sage dir…); und zuletzt noch, aber alles andere als gering: einen Umweg machen, etwas umgehen (z.B. am GG vorbei, oder anVolkes Wille). Ach, der Beispiele sind viele. Es ist so unendlich deprimierend.  

Marc Blenk / 17.05.2019

Lieber Herr Schneider, die CDU übt schon mal für die von Herrn Günther ins Gespräch gebrachten Koalitionen in den östlichen Ländern zwischen CDU und der LINKEN. Der Daniel Düsentrieb des Umbaus der CDU zur führenden Partei der Einheitsfront weist in Muttis Auftrag den Weg in die neue Zeit. Und die Konturen dieser neuen Zeit erkennt man am deutlichsten in Berlin, das wieder mal seiner Zeit voraus ist. Da bekommen die afrikanischen Dealer eine Dealing Zone zugewiesen, werden aber nicht mal verurteilt und ausgewiesen, wenn sie sie sie übertreten. Rechtsstaat ist over. Müssten solche offensichtlich das Recht brechende Politiker nicht selbst angeklagt werden? Ich meine ja. Die CDU jedenfalls hat mit Merkel und Leuten wie Günther völlig den Kompass verloren.

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