Thilo Schneider / 11.02.2019 / 15:00 / Foto: Timo Raab / 43 / Seite ausdrucken

Wie heile ich den Ökowahn meiner Kinder in nur 10 Minuten?

Ich habe es heute als „alter weißer Mann“ mit zwei Teenie-(Stief)-Töchtern nicht einfach. Andererseits – und das ist angenehm – habe ich keinen Erziehungsauftrag. Das lässt mich doch in vielen Situationen deutlich entspannter reagieren, weil ich jederzeit fliehen kann, ohne Unterhalt bezahlen zu müssen. Und vielleicht überlege ich mir das ja noch.

Da sitzen wir also am nett gedeckten Frühstückstisch, als die Älteste verkündet: „Am Freitag gehe ich übrigens zur Umweltdemo und nicht zur Schule, nur, damit Ihr Bescheid wisst.“ So. Jetzt wissen wir Bescheid. „Du willst also den Planeten retten?“, frage ich. „Ja klar. Ich bin hier ja noch länger als Du, alter Mann“, neckt sie mich. „Hmm“, stimme ich zu, „dann schau Dich hier mal auf dem Tisch um. Siehst Du, wie viel Plastik hier liegt? Vier Joghurtbecher, zwei Frischkäsepackungen, dann hier der Honig und dann haben wir die Plastikdeckel der diversen Marmeladen und Brotaufstriche noch gar nicht mitgezählt.“

„Wir könnten ja auf Plastik verzichten“, schlägt sie vor und ich bin begeistert. „Ja, da bin ich vollkommen bei Dir! Das probieren wir aus!“, und ehe sie es sich versieht, verschwinden das Nutella-Glas, der Honig, die Joghurts und der Frischkäse. „He, aber doch nicht gleich“, ruft sie mir hinterher, während ich die leckeren Sachen in die Küche bringe. „Aber ja doch, wie lange willst Du mit der Planetenrettung denn warten?“, entgegne ich, jetzt aus dem Badezimmer, in dem soeben ihre Zahnbürste, ihr Lockenstab, ihr Duschgel, ihre Zahnpasta, ihre Haargummis, ihr Shampoo und ihre Spülung in einer umweltfreundlichen Papiertüte verschwinden. Sie saust hinter mir her: „Was zur Hölle machst Du da?“, will sie wissen. „Ich helfe Dir, den Planeten zu retten“, erkläre ich augenzwinkernd und hänge ein „in Damenhygieneartikeln ist übrigens auch Plastik“ hintendran. 

„Bist Du irre? Nein, ich denke nur mit!“ 

Sie sieht mich an, als würde ich ihr mein Gehirn auf einem Silbertablett servieren. „Bist Du irre?“, fragt sie sicherheitshalber nach. „Nein, ich denke nur mit!“, entgegne ich sachlich richtig. „Und womit soll ich mich duschen? Oder mir die Zähne putzen?“ „Das ist doch ganz einfach. Überlege selbst: Wie haben Frauen vor 150 Jahren überlebt? Zahnbürsten aus Holz mit Tierhaarborsten, Kämme aus Knochen oder HolzBinden aus Torf oder Mull und gewaschen wurde sich mit Kernseife. „Iiiih …“, kommt von der Jüngeren aus dem Hintergrund, „an Seife hängen immer irgendwelche Haare, das ist eklig!“ „Für den Planeten müssen Opfer gebracht werden“, rufe ich zurück.

„Du spinnst tatsächlich“, stellt die Ältere nüchtern fest, „ich beame mich doch nicht 150 Jahre zurück!“ „Nun, genau das müsstest Du aber tun, wenn Du auf Plastik verzichten willst. Es geht um den Planeten. Wir haben nur den einen. Es gibt keinen Planeten B und keinen Alternativplan!“, erkläre ich brav und, ja, auch ein wenig stolz ob meiner Umweltbewegungsphrase.

„Man kann aber den Plastikgebrauch auch nur einschränken, das hilft auch schon“, erklärt sie listig, „wenn alle nur noch die Hälfte an Plastik verbrauchen, ist ja auch schon geholfen!“ „Mag sein, aber das rettet dann eben auch nur den halben Planeten. Was meinst Du: wer sollte in der plastikvermüllten Hälfte leben?“, gebe ich zurück. „Das ist Bullshit! Es geht darum, die Umweltbelastung zu senken…“ „Nicht darum, den Planeten zu retten?“, will ich wissen. Sie ist deutlich gereizt.

„Doch, schon, aber das bedeutet doch nicht, dass wir wie Höhlenmenschen leben müssen! Wir haben nun einmal den Fortschritt. Marmeladengläser gibt es auch ohne Plastikdeckel, Wurst kann man auch beim Metzger kaufen…“, hebt sie an, „…mit Wachspapier oder Plastikbeschichtung…“, unterbreche ich sie, aber sie fährt fort: „Menno, ja, aber das ist nur ein bisschen Plastik. Es geht darum, dass wir uns umweltbewusster verhalten.“

„Du bist manchmal so ein Arsch! Ja, ein alter weißer Arsch.“

„Das habe ich schon verstanden. Also, wo willst Du die Grenze ziehen?“, frage ich nach. „Bei allem, bei dem Plastik sinnlos und überflüssig ist!“, erklärt sie mir langsam wie einem schwachsinnigen Kind „Beispielsweise bei Plastikstrohhalmen. Oder eben Wurst in Plastikverpackungen.“ „Okay. Das habe ich verstanden. Also eben auch beispielsweise bei Duschgel, das wir durch Seife ersetzen können“, nicke ich eifrig. Sie verdreht die Augen zum Himmel. „Du willst es nicht begreifen, kann das sein?“, resümiert sie zornig. 

„Doch. Ich nehme Dich ernst. Deswegen mache ich das ja. Es sei denn, es geht Dir darum, andere zum Verzicht zu bewegen, ohne selbst die Komfortzone verlassen zu müssen“, entgegne ich. Ihre Augen werden zu Schlitzen. „Du bist manchmal so ein Arsch!“, stellt sie vollkommen korrekt fest. „Ja, ein alter weißer Arsch“, kontere ich, „aber eben einer, der versucht, mitzudenken.

Kennst Du die Komponenten Deines Smartphones?“ „Ach, bitte … kommt jetzt die Nummer mit den umweltschädlichen Stoffen, der Kinderarbeit und dem Silizium?“ Sie merkt, wohin die Rettet-die-eine-Welt-Reise geht. „Jawohl, die kommt jetzt“, bestätige ich, „in Deiner tragbaren Gehirnprothese befinden sich Blei, Quecksilber und noch ein paar andere witzige Stoffe, die man normalerweise nur in Isolationsanzügen in Hochsicherheitstrakten benutzen kann. Nachhaltigkeit geht anders!“ „Ich habe es aber nun einmal schon“, entgegnet sie patzig, „soll ich es wegwerfen?“ „Nein. Du kriegst nur kein neues Smartphone. Pass also lieber darauf auf und mache eine Panzerfolie aufs Display. Guck aber, dass kein Plastik dabei verarbeitet wurde.“ 

Sie ist schlau. „Okay, einverstanden“, sagt sie, „zur Demo am Freitag gehe ich trotzdem!“ „Mach das. Du bist alt genug und wir sind sowieso nicht da“, gebe ich zurück. Sie zieht die Augenbrauen fragend nach oben: „Wo seid Ihr?“ „Wir fliegen übers Wochenende nach London. Wir sehen uns also erst wieder am Sonntagabend“, erkläre ich, „vor dem Brexit wollen Deine Mutter und ich uns noch einmal die Stadt ansehen, bevor sie in Krieg, Not und Elend versinkt.“

Die junge Dame zieht die Luft ein. „Kann ich mit?“, will sie wissen. „Nein, Du hast Demo für die Planetenrettung. Schon vergessen?“ „Danach, meine ich. Die dauert ja nicht ewig!“, fleht sie. „Okay, klar, wenn es Dir nichts ausmacht, dadurch Deinen ökologischen Fußabdruck zu vergrößern…“, gebe ich zu bedenken.

Sie grinst: „Ich will sowieso keine Kinder haben. Da gleicht sich das aus.“ „Dann solltest Du auf keinen Fall Kondome aus Naturdarm verwenden“, empfehle ich. Sie rollt genervt die Augen: „Oh, bitte … Kann ich jetzt mit oder nicht?“ Ja, klar kann sie, wenn das SO ist.

Foto: Timo Raab

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Alex Meier / 11.02.2019

Großartig! Sie haben Talent für Theaterdialoge! Davon ab… Ihre Töchter gehen bestimmt in eine staatliche Schule. Beteiligt sich auch z.B. die Walldorf Schule am Freitags-Schwänzen für die Rettung der Welt? Würde mich wundern, wenn ein Fünftel des Schulgeldes dafür geopfert würde. Vielleicht eine Anregung zur Recherche über die Solidarität der privat (also von weißen Eltern) finanzierten Bildungseinrichtungen…

Lars Schweitzer / 11.02.2019

Ja, das ist das einzige was hilft - die Greta-Nummer laut zuende denken und - wenn nötig - die Konsequenzen vorführen. Gerade bei Mädchen funktioniert das wunderbar. Es gibt ja noch so viele schöne weitere Themen, Klamotten, Streaming, gefahren werden, nicht frieren… Bei meiner musste ich das nicht tun, die meinte gleich, dass die alle nur die Schule schwänzen wollen. Bei uns gab es aber auch keine solche Demo. Ich denke, mehr als die Hälfte derer, die da mitlaufen, lachen sich nachher darüber kaputt.

Gabriele Kremmel / 11.02.2019

Sehr cool. Die Plastikvermeidungsdebatte kann man übrigens noch weit vertiefen. Z.B. nachprüfen, ob die Bambuszahnbürste mit Naturborsten noch Öko ist, wenn sie, seewasserdicht verpackt, von Asien nach Ökodeutschland gekarrt werden muss. Oder beim Metzger mal nachfragen, worin die großen Wurststangen verpackt waren bevor das Plastik abgezogen und die Stangen in die Auslage gelegt wurden. Bei den unterstellt umweltfreundlichen Stofftaschen mal Volumen und Gewicht im Verhältnis zu den sehr viel kleineren und leichteren Plastiktütchen ausrechnen und dann den Mehrverbrauch an Aufwand und Energie, alleine für Herstellung,  Transport und Logistik errechnen. Nicht vergessen: den Pestizideinsatz und landwirtschaftlichen Energieverbrauch für die Baumwollproduktion. Wenn ich genötigt werde, für Spontankäufe ohne mitgebrachte Einkaufstasche eine solche Stofftasche statt einer völlig ausreichenden, kleinen Papier- oder Plastiktüte zu erstehen, dann wird der vorgeschobene Umweltgedanke ad absurdum geführt - speziell wenn mit entsprechender Präsentation im Einkaufszentrum Spontankäufe gezielt angeregt werden.

J. Dimler / 11.02.2019

Punkt. Treffer. Versenkt. Danke Herr Schneider, mein Tag ist jetzt gerettet.

H. Schmidt / 11.02.2019

...und noch einen Satz für das liebe Kind: In dem besagten Süd-Ost-Asiatischen Land bekomme ich Geld dafür wenn ich den Müll trenne. In Deutschland habe ich gelernt den Müll zu trennen und als Belohnung für meine Mühen darf ich jede einzelne Mülltonne teuer bezahlen. Dafür das ich der Müllabfuhr schon viel Arbeit abgenommen habe. Es geht ein Gerücht das mancher getrennter Müll in Deutschland am Ende doch wieder zusammengeführt wird. Also, alle Mühen für den Popo. In meinem Süd-Ost-Asiatischen Land dagegen zahlen ich für die monatliche Müllabfuhr ca. 60 Cent für den gesamten Müll den ich in ca. 3 Behälter werfe. Weil ich aber in Deutschland gelernt habe den Müll zu trennen bekomme ich mehr oder weniger Geld ausbezahlt. Ob das Kisten mit Bierflaschen sind, oder eine Regentonne voll Soda Flaschen, oder eine Tonne voll Altpapier, oder eine Tonne mit Aluminium (Dosen und Shampoo-Plastikflaschen) spiel keine Rolle. Es gibt dafür einen Kilopreis. Also trenne ich in guter Deutscher Manier und verdiene so alle 2 Monate ca. 15.-€ zahle aber monatlich nur ca. 60-ct. für den Restmüll. Wie schaut das Deutsche Pendant dagegen aus? Reden wir lieber nicht mehr darüber…

Eleonore Weider / 11.02.2019

Das sind sehr gute Argumente, erweitern sollte man das noch auf Kleidung und Schuhe, Kosmetika, künstliche Fingernägel, Haarteile ect. Die Liste würde ellenlang. Ab jetzt nur selbstgestricktes. Habe schmunzeln müssen.

M. Haumann / 11.02.2019

Gut gemacht, Herr Schneider. Ein Verwandter hat seine jugendliche Tochter kürzlich dazu verdonnert, vier Wochen lang Burka zu tragen. Er besteht darauf, dass sie selbst Erfahrungen mit Accessoires sammelt, die sie für andere Frauen befürwortet. Wir haben ihr bei Amazon das afghanische Modell rausgesucht und möchten es sogar sponsoren, aber sie weigert sich unverständlicherweise mit Händen und Füssen. Dabei ist es in Einheitsgrösse, passt also garantiert und ist jetzt im Winter vermutlich kuschelig warm. Sicher überlegt sie es sich noch, wenn sie das schicke Teil erst einmal vor Augen hat. Wir freuen uns jedenfalls alle schon auf ihren Erfahrungsbericht.

fritz kolb / 11.02.2019

Gut gemacht, Herr Schneider. Ich hab noch vor Augen, als nach der letzten Kinderdemo in München alle in den Mc Donald stürzten. Um aus bösen Plastikbechern zu trinken. Und danach kam das Mamataxi und holte sie ab, unsere Salon-Heldenkinder. Was hätte wohl die schwedische Autistin Thunfisch dazu gesagt? Obwohl, die jettet ja auch von einer Veranstaltung zur nächsten. Alles an Lächerlichkeit nicht zu überbieten, zumal auch jede Menge alte weisse Frauen da mitmachen.

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