Zugegeben: Dieser Text ist entstanden, weil ich mich mal wieder geärgert habe. Eigentlich halte ich es mit Curt Goetz, der eine seiner Figuren sagen lässt: „Ärgern Sie sich nicht, wundern Sie sich nur.“ Aber das klappt nicht immer. Diesmal habe ich (ein Mittelding zwischen ärgern und wundern) den Kopf geschüttelt, als ich in einem Text von Josef Joffe in der Neuen Zürcher las, wie bei einem offiziellen Anlass in Amerika ein Gebet beendet wurde: „Amen and Awomen“. Ach ja, stimmt ja: Die Sprachverhunzung, die auch bei uns fröhliche Urständ' feiert, ist ein Import aus Amerika.
Aber man muss ja nicht alles importieren. Darum frage ich mich: Was ist bekloppter – dass der norddeutsche Ort Negernbötel umbenannt werden soll oder das amerikanische „Amen and Awoman“? Schwer zu entscheiden. Das Negern in Negernbötel hat mit Afrikanern nichts zu tun und das „men“ in Amen hat nichts mit Männern (men) zu tun. Aber die beiden Beispiele zeigen, dass der Bazillus der menschlichen Dummheit, den Dr. med. Hiob Prätorius laut Curt Goetz finden wollte, virulenter denn je ist. Allerdings: So lächerlich „woke“ sein kann, so ärgerlich und sogar gefährlich sind einige Marotten der Erweckten.
Hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – drei Gründe, warum der Pseudo-Kampf der „Wokies“ gegen Rassismus, für Frauenrechte und allerlei anderes nicht nur lächerlich, sondern auch gefährlich ist.
Erstens: Er ist diktatorisch. Denk- und Sprechverbote sind die Kampfmittel. Wenn man nicht mal mehr die wunderbare Jane Austen lesen soll, weil ihre Familie vor zweihundert Jahren angeblich mit dem Imperialismus zu tun hatte, dann wird es höchste Zeit, den „Wokies“ entschieden den Kampf anzusagen.
Zweitens: Er verhunzt unsere Sprache. Die Erweckten wollen uns zu einem Neusprech zwingen, wie ihn nicht einmal George Orwell in seinem „1984“ eingefallen ist. Die Schluckauf-Pause, die schon im Fernsehen das Wort Bürger-hicks-innen zum Wort-Ungetüm macht, hat mit Deutsch nur noch eine entfernte Verwandtschaft. Selbst der Abschied von „der“ und „die“ steht schon im Forderungskatalog der „erwachten“ Fanatiker. Entschuldigung: Fanatiker-hicks-innen. Wem Sprache etwas bedeutet, der dreht sich, sofern er nicht noch unter den Lebenden weilt, im Grab um.
Drittens, und das ist der eigentliche Grund, warum ich das Thema nochmal anspreche: Die „Wokies“ trivialisieren mit ihren absurden Forderungen ernstzunehmende Probleme.
Der Gender-Stuss lenkt von den echten Problemen ab
Mit dem Gender-Stuss begeben sie sich auf einen belanglosen Nebenschauplatz, während es weltweit und – hier und da auch bei uns – für Frauen tatsächliche und zum Teil entsetzliche Probleme gibt. Wo es Zwangsverschleierungen, Zwangsehen, Auspeitschungen, Vergewaltigungen und ökonomische Diskriminierungen gibt, grenzt es an eine Frechheit, seine Energie auf den Gender-Schluckauf und das „der“ und „die“ zu verschwenden. Wer fordert, dass „Fußgänger“ durch „zu Fuß Gehende“ abgelöst werden sollen, der provoziert zwangsläufig die Dekadenz-Einschätzung: „Die haben halt keine anderen Sorgen.“
Was in gewissem Sinne auch stimmt, wenn man betrachtet, welche gewaltigen Fortschritte die Stellung der Frauen bei uns gemacht hat. Da können hier und da noch ein paar Stellschrauben gedreht werden, um ein Lieblingswort der Grünen-Chefin Annalena Baerbock zu benutzen. Aber der Westen hat ein Luxusproblem im Vergleich mit der Weltsituation. Wer aber über seinen Kiez hinausblickt, kann genügend echte Sorgen finden, die man (ja, ja: frau) sich machen könnte.
Das gleiche gilt für den vermeintlichen Kampf gegen den Rassismus. Was im Namen dieses Kampfes an Unfug verzapft wird, ist eine Beleidigung für alle, die das Problem des Rassismus ernstnehmen. Rassismus ist ein Übel, das in unterschiedlicher Schärfe überall existiert. Von den „schwarz“ übervölkerten Gefängnissen Amerikas zu den Beleidigungen, die dunkelhäutige Menschen auch bei uns einstecken müssen. Es ist noch viel zu tun. Aber es hat – verglichen mit früheren Zeiten – gewaltige Fortschritte gegeben. Das Bewusstsein vieler „Weißer“ ist längst geweckt worden.
Und dann kommen die selbsternannten Erweckten daher, trivialisieren mit ihren Kindereien ein ernst zu nehmendes Problem und leugnen jeden Fortschritt, nur weil ein bescheidener Bach seit 200 Jahren Zigeunerbach heißt und weil sich ein Hotel, noch länger zu Ehren hoher Besucher aus Afrika „Drei Mohren“ nennt. Und peng: Die beiden Augsburger „Rassismen“ wurden bereinigt und heißen jetzt anders. Da freut sich der Schwarze, der keine Wohnung kriegt.