Achgut.com / 07.01.2020 / 06:06 / 39 / Seite ausdrucken

“Wie ein Leben an der Seite von Heinrich Bedford-Strohm”

Am kommenden Dienstag, den 14. Januar, hat die Tragikomödie „Kill me today, Tomorrow I'm sick" im Berliner Babylon Deutschland-Premiere. Ort des Geschehens ist der Kosovo-Konflikt. "Kill me today, tomorrow I'm sick“ thematisiert die Rolle Internationaler Organisationen in den Krisenregionen der Welt. Produzent Joe Schröder und sein Team gewannen auf dem Festival von Montreal bereits den angesehenen "Silver Zenith".

Die Besetzung des Streifens ist erstklassig, der bekannte Film-Regisseur Dominik Graf bezeichnet Hauptdarsteller Carlo Ljubek als „Weltniveau“. Auch darunter gibt es einige Überraschungen, denn zwei Achse-Autoren geben ein Gastspiel: Henryk M.Broder als versoffener und zynischer Journalist, Joachim Steinhöfel als eiskalte OSZE-Führungsfigur. Hamed Abdel-Samad, der mit Broder gemeinsam in der ebenfalls von Joe Schröder und seinem Team produzierten „Deutschland-Safari“ auftrat, freut sich über Kill me today. Tomorrow I’m sick: „Eine schockierende schwarze Komödie über ein verlorenes Land mitten in Europa und einen total überforderten Westen.“

Hier einige Ausschnitte aus einem Gespräch mit Henryk M. Broder über den Film und die Frage, ob der Mensch gut sein kann – und ob er es überhaupt sein sollte:

„Es geht um das Innenleben von Apparaten, die so was von verkorkst sind, aber doch mit einem unglaublichen Heiligenschein auftreten und sich selber – die Leute die da arbeiten – sich selber permanent auf die Brust beziehungsweise auf die Schulter klopfen und mit einer unsichtbaren dritten Hand sich immerzu einen selbst runterholen, wie toll sie sind.“

„Es ist ein Film über Korruption, über guten und bösen Willen, über Naivität und vor allem ein Film über die Macht der Bürokratie und über diese unglaublichen Charaktere, die sich in einer Bürokratie breit machen – natürlich nur zum Wohle der Öffentlichkeit und zum Segen der Allgemeinheit, die an sich selbst bis zuletzt denken und das auch sehr konsequent, und in dieser Klarheit habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich glaube ich habe das auch nie in dieser Klarheit gesehen..".

"...Die Lüge liegt ja schon im Begriff: NGO – Non-Governmental Organizations. Wovon leben die eigentlich? Meine Mutter hat immer gefragt: „Und davon lebt der?“, wenn sie von irgendjemandem hörte, der mit Luft machen sein Geld verdiente. „Und davon lebt der?“ Ja, davon lebt er, davon lebt man gut, Millionen Menschen leben davon. Das sind in Wirklichkeit keine Non-Governmental Organisations, die haben keine demokratische Legitimationen, und sie werden doch von den Regierungen unterstützt. Und das tolle ist, die großen NGOs finanzieren die kleinen, und die kleinen wiederum gründen neue oder Nebengesellschaften. Alleine in der Westbank – und das wäre das Thema vielleicht im nächsten Film den wir machen sollen – in der Westbank gibt es über eintausend NGOs, die sich da gegenseitig auf die Füße treten und nicht wissen, wem sie helfen sollen – über eintausend NGOs!"

„Jenseits einer bestimmten Schwelle an Zeit, Geld, Aufwand, Personal und Kosten kannst du damit gar nicht aufhören, weil, dann würdest du zugeben, dass alles, was bis jetzt geleistet wurde, für die Katz und vollkommen sinnlos war – und das ist völlig unmöglich zuzugeben. Ich glaube, dass da ’ne gigantische Vermögensumverteilung stattgefunden hat, was vielleicht gar nicht schlecht ist. Tausende von Politwissenschaftlern, Soziologen, Presseleuten, Organisationsmenschen, Verwaltungsleuten sind eine Weile beschäftigt gewesen oder sind noch beschäftigt – die würden andernfalls irgendwelchen Arbeitsämtern oder Sozialhilfeorganisationen zur Last fallen. Nicht alle Politologen und Sozialwissenschaftler können auf einmal in Berlin Taxi fahren, der Markt ist ja begrenzt. Und so sind die Leute eine Weile unterhalten worden – und dagegen spricht nichts, völlig im Ernst, dagegen spricht nichts. Das sind eine Art von Fürsorgeeinrichtungen, die nicht den eigentlichen Objekten zugute kommen, sondern den Betreibern, also den Subjekten dieser Einrichtung. Muss man nicht gut finden, aber ich finde, das nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist dieser Illusionszirkus, der da aufgebaut wird. Das ist, als wenn man sagen würde: Der Vatikan ist die Quelle, das Zentrum und der Motor der Aufklärung.“

„Ich habe vor ein paar Tage eine Scheidungsanwältin getroffen, die eine große Anhängerin der Institution Ehe ist, weil sie ganz klar sagt: „Nur wer eine Ehe geschlossen hat, kann sich scheiden lassen, und dann kommen die Leute zu mir.“ Und diese sehr nette Rechtsanwältin besucht sehr gerne Hochzeitspartys, also die übliche Feier nach einer Eheschließung, und verteilt da schon mal ihre Geschäftskarten – find ich großartig."

„Es ist halt eine der größten Illusionen, dass der Mensch von Hause aus gut ist. Ich glaube, der Mensch ist erst mal ein paar Wochen gut, vielleicht auch ein paar Monate gut, so bis er laufen kann und dann einem anderen Menschen im selben Alter sein Spielzeug wegnimmt – da fangen Menschen an, böse zu sein, und so machen sie weiter. Und wenn sie erfolgreich sind, kommen sie damit durch, und wenn sie nicht erfolgreich sind, dann landen sie als Abgeordnete im Europaparlament oder sowas ähnliches. Aber der Mensch ist eben nicht von Natur aus gut."

„Dass der Mensch das Problem ist, ist vollkommen klar, darüber kann man sich auch gar nicht streiten, sonst gäbe es keine Literatur, keine Psychologie, keine Psychoanalyse, keine Kirchen, keine Glaubensgemeinschaften, keine Fahrgemeinschaften – ja, der Mensch ist nicht von Natur aus gut, das kann er gar nicht sein. Ich glaube sogar, es wäre noch schlimmer, wenn der Mensch von Natur aus gut wäre als der jetzige Zustand, das wäre schlimmer, das wäre vollkommen unerträglich. Das hier ist nur schwierig und mühsam und kompliziert. Aber gute Menschen um mich herum, das ist wie ein Leben an der Seite von Heinrich Bedford-Strohm, das kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Das ist ein Albtraum. Ich will das jetzt gar nicht ausführen, sonst kann ich nachher wieder nicht schlafen."

„Mir hat das Ganze einen großen Spaß gemacht, vor allem, weil ich so was noch nie gemacht habe. Das war wie ’ne Jungfernfahrt, bei der Titanic ist es schrecklich geendet, hier ist es gut ausgegangen. Das einzige, was mich ein bisschen betroffen gemacht hat, war, dass ich an keiner Sexszene teilnehmen durfte – also das finde ich ’ne absolute Diskriminierung, wirklich, das ist wieder mal eins dieser gängigen Vorurteile über die Alten, dass die an so etwas nicht interessiert wären. Nein, das hat wirklich Spaß gemacht, und ich stehe jederzeit für ähnliche Projekte zur Verfügung."

Hier geht’s zur Website von "Kill me Today, Tomorrow I'm sick"

Foto: Preview

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Leserpost

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Chris Groll / 07.01.2020

Freue mich schon auf den Film und hoffe, daß er auch bald in anderen Kinos gezeigt wird.

Heiko Engel / 07.01.2020

Sehe ich mir das Durchschnittspersonal dieser staatlichen, halbstaatlichen und überstaatlichen Institutionen an gehe ich doch sehr stark davon aus, dass der Film hier gewaltig untertreibt und verharmlost. Das wird alles noch weitaus dramatischer sein; hinter dem Vorhang. Wichtig war für mich, dass viele dieser Versager beim Wiener Neujahrskonzert wieder ihre Schnuller erhalten haben. Eine aufregende Schau der kapriziösen Inkompetenz. Die wir selbstverständlich zahlen. Trotzdem eine hervorragende Filmproduktion mit vielen bemerkenswerten Begabungen. Broder und Steinhöfel for GRAMMY !

Wolfgang Nirada / 07.01.2020

Seit einigen Jahren mache ich ja einen möglichst großen Bogen um deutsche Innenstädte, Bahnhöfe, Weihnachtsmärkte, Veranstaltungen allgemein und natürlich auch um Kinos. Für einen Film in dem der hochverehrte Herr Broder mitspielt mache ich aber gerne eine Ausnahme. Also rein in die Stichschutzweste und Helm ab zum Gebet…

Ilona Grimm / 07.01.2020

Korrektur und Ergänzung: Statt »Christen wissen es« muss es heißen: »Bekennende Christen wissen es.« -//- Anders als bestimmte Kirchenfürsten, ist die erwähnte Scheidungsanwältin immerhin keine Scheinheilige. In meinem Leben habe ich viele wirklich gute Menschen (ungleich Gutmenschen) kennengelernt, und alle waren gut verträglich bis wohltuend; keiner ein Heuchler. Es sind die Heuchler, die am schwersten erträglich sind, meine ich.

Bettina Landmesser / 07.01.2020

“die unglaublichen Charaktere, die sich in einer Bürokratie breitmachen”... warum denke ich da nur an die internen Vorgänge, die sich in vielen AfD-Landesverbänden breit machen.

Ilona Grimm / 07.01.2020

Was Herr Broder feststellt, hat schon die Bibel gewusst: 1. Mose 8, 21: „[...] denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Was hilft dagegen? Christen wissen es. -//- Auf Henryk M. Broder als Filmstar bin ich sehr gespannt.

Dr. Axel Robert Göhring / 07.01.2020

Der Film ist -wie fast immer in Buntland - von GEZ-Sendern mitfinanziert. Wie hat es denn Joachim Steinhöfel geschafft, da als Schauspieler engagiert zu werden? Oder war das Absicht, um des Teufels Anwalt zu demaskieren? Hat nicht geklappt - ich amüsier mich bestens, höhö.

Matthias Braun / 07.01.2020

” Das Leben selbst ist weder gut noch böse, nur ein Platz für Gut und Böse.” ( Unbekannt )

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