Erik Lommatzsch, Gastautor / 09.10.2022 / 11:00 / Foto: Pixabay / 22 / Seite ausdrucken

Wie die „Zentrale für politische Bildung“ verlorene Schäfchen zurückholt

Rechte Esoterik, Fake News, Verschwörungstheorien – überall droht Gefahr für die Demokratie. Da ist es gut, dass es die Zentralen für politische Bildung gibt. Reichlich Broschüren leisten Aufklärung für verwirrte Bürger und Hilfestellung bei verirrten Familienmitgliedern und Freunden.  

Da ist man doch tatsächlich einmal unbedarft bei einer dieser Corona-Demos dabeigewesen, also gegen die verhängten Maßnahmen, die einem so wenig einleuchten wollten wie der Gedanke, dass zur Freiheit unbedingt ein kleiner Piks gehören solle. Oder man fand, rein zufällig, im großen, weiten Internet die eine oder andere Verlautbarung, die irgendwie im Gegensatz zur „Tagesschau“ stand. Aber auch irgendwie mit der eigenen Wahrnehmung und dem abzuleitenden Handlungsbedarf deutlich besser in Einklang zu bringen war. Oder es befielen einen manchmal sogar schon vor dem Zeitalter der Maske plötzlich Zweifel, ob möglicherweise doch nicht die ganze Regierung immer und ausschließlich zum Segen des Landes arbeitet.

In welche Fallen ist man da gelaufen, auf welche Abwege ist man da gekommen? Man hatte ja die Zusammenhänge überhaupt nicht verstanden. In Grund und Boden sollte man sich schämen. Ein Lichtblick ist die großartige Einrichtung der Zentralen für politische Bildung, im Bund und in den Ländern. Und die haben – wie viele andere Institutionen und Organisationen auch – allerhand zu tun, um die verlorenen Schäfchen zurückzulotsen. 

Für wie relevant die Thematik gehalten wird, ist mühelos daran zu erkennen, dass etwa die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung von ihren 24 im Sommer neu in das Programm aufgenommenen Publikationen allein acht, also gleich ein Drittel, diesen Angelegenheiten widmet. An Landeskinder werden die Publikationen kostenfrei bzw. ab einer größeren Bestellmenge zu einem symbolischen Preis abgegeben. Dem Vernehmen nach gestatten die Verlage, in denen die Werke zunächst regulär erschienen sind, die entsprechenden Übernahmen nicht ganz zum symbolischen Preis, immerhin geht ihnen ja auch ein wenig Kundschaft verloren. Und ein paar Cent kostet der Druck der Sonderauflagen dann auch noch. Aber das bisschen Steuergeld sollte es wert sein, schließlich geht es um unser aller Zukunft in der schönen neuen Welt. Nicht nur Aufklärung, sondern auch praktische Hinweise gibt es – wie diejenigen, die sich nicht in den verhängnisvollen Strudel des Falschen und Bösen haben reißen lassen, an der Schafsrückgewinnung mitwirken können. 

Den rechten Kräuterhexen ist nicht zu trauen

Und Schafe müssen es wirklich sein, wenn sie nicht gesehen haben, mit wem sie sich da aus purer Blödheit gemein machen. Gut, dass das jetzt in die richtigen Dimensionen gerückt und fachkundig erklärt wird. Mit wem ist man da bloß mitmarschiert! Mit solchen will man ja nun wirklich  g-a-r  n-i-c-h-t-s  zu tun haben. So manche Verbindung wird nur nahegelegt und nicht explizit ausformuliert, aber umso wirkungsvoller der Läuterungseffekt – suchen muss man die Pointen jedenfalls nicht lange. Man weiß gar nicht, wo man mit dem Lesen anfangen soll, um so schnell als möglich (wieder) den Weg zum Licht zu finden. Allein der Blick auf die Ankündigungen macht die Entscheidung schwer. 

Sollte man vielleicht mit dem Titel Rechte Esoterik. Wenn sich alternatives Denken und Extremismus gefährlich vermischen von Matthias Pöhlmann beginnen? Hier kann man viel über besagte rechte Esoteriker lernen: Sie sind auf den „Querdenken“-Demonstrationen zu finden und überfluten mit ihren Botschaften die sozialen Netzwerke. Sie haben ihre eigenen Kirchen, ihre eigenen Bauernhöfe und ihre eigene „Germanische Neue Medizin“. Von der Anastasia-Bewegung bis zu QAnon gewinnen sie beständig Zulauf. Keine harmlose Spinnerei, das Ganze birgt immensen gesellschaftlichen Sprengstoff. Schon verwirrend, dass Öko und Gaga nun auch rechts angekommen sind, aber Kräuterhexen war ja eigentlich nie so recht zu trauen.

Wer noch mehr wissen mag, der greife zu Basiswissen Verschwörungsmythen. Worum geht es hier? Von Corona-Leugnung über Pizzagate und QAnon (die scheinen in Sachsen wirklich ein Problem zu sein) bis zur jüdischen Weltverschwörung – Verschwörungsmythen haben Hochkonjunktur. Als verführerische Antworten auf komplexe Fragen dringen sie gerade in Krisenzeiten in die Alltagskommunikation ein und vergiften mit ihren Freund-Feind-Bildern das Meinungsklima. Und dagegen kann der geneigte Leser gleich etwas tun, denn bei diesem Buch handelt es sich um einen Leitfaden für Lehrende und Lernende. Freund-Feind-Bild klingt auch irgendwie nach Carl Schmitt. Von dem distanziert man sich sowieso am besten ganz schnell. Schon schlimm, als ob wir mit dem erdatmosphärischen Klima nicht schon genug zu tun hätten, nun müssen wir auch noch das Meinungsklima retten.

Besonders aufschlussreich: Man sollte nie vergessen, was da am Ursprung sämtlicher Corona-Proteste lauert… zumindest, nun ja… auf jeden Fall hängt das eng zusammen. Daher gibt es im Landeszentralenprogramm auch historische Grundlagen, und zwar von Richard J. Evans, der hier mit einem Buch mit einem langen Titel vertreten ist: Das Dritte Reich und seine Verschwörungstheorien. Wer sie in die Welt gesetzt hat und wem sie nutzen. Von den „Protokollen der Weisen von Zion“ bis zu Hitlers Flucht aus dem Bunker. Das Werk sei wichtig, denn in Zeiten von Verunsicherung, Populismus und Fake News greifen Verschwörungstheorien immer mehr um sich. Sie treten auch in revisionistischen Geschichtserzählungen über das Dritte Reich sichtbar zutage. Gut, dass die Verbindung wieder hergestellt ist, das Stichwort Hitler ist viel zu lange vernachlässig worden. Und Bunker klingt ja spätestens seit Walter Moers, ähm, seit dem „Untergang“ auch schon für sich allein schauerlich genug.  

Nicht rechtzeitig ins Schwedische und Italienische übersetzt… 

Dass die Bösen nur Randerscheinungen sein können, ist eigentlich klar. Dennoch ist es gut, das in einem Sammelband noch einmal fundiert nachlesen zu können. Über Aufstand der Außenseiter. Die Herausforderung der europäischen Politik durch den neuen Populismus heißt es: Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und sogar Rechtsterrorismus sind in Europa heute längst wieder politische Realität. Fast überall hat sich die äußere Rechte in unterschiedlichen Formen und unterschiedlicher Stärke institutionalisiert, in einigen Ländern bestimmt sie die Regierungspolitik mit. Was macht die rechten Phänomene aus, und wie lässt sich ihr Bedeutungszuwachs erklären? Und welche Strategien gibt es, den Gefahren von rechtsaußen zu begegnen? Dass es ein großes Versäumnis war, dieses Buch nicht rechtzeitig ins Schwedische und Italienische übersetzen zu lassen, ist inzwischen jedem klar geworden. 

Mit einem praktisch orientierten Ansatz wird auch ein weiterer Sammelband beworben, und zwar: Demokratie braucht Rückgrat. Wie wir unsere offene Gesellschaft verteidigen. Die Autor*innen (Zitat ausnahmsweise aus dem Buch, nicht aus der Landeszentralenankündigung) wie Paul Ziemiak, Lamya Kaddor oder Georg Restle zeigen Haltung. Denn: Weltweit – auch bei uns – gerät die Demokratie unter Druck durch populistische Wahlerfolge, grassierende Hasskriminalität und extremistische Netzwerke. Auf Hetze, Morddrohungen und Feindeslisten folgen Taten, wie die Terroranschläge in Halle, Hanau, am Berliner Breitscheidplatz und der Mord an Walter Lübcke zeigen. Auch in der Mitte der Gesellschaft sind demokratiefeindliches Gedankengut und Verschwörungsideologien weit verbreitet. Der Breitscheidplatz stört ein wenig die Linie der Landeszentrale, aber das sollte nicht irritieren, in der Reihe der kurzgefassten Inhaltsbeschreibungen ist das der einzige Patzer. Immerhin machen Ziemiak, Kaddor, Restle und andere deutlich, warum demokratische Grenzen klar zu benennen und besser als bisher zu verteidigen sind. Sie zeigen auch auf, was sich dafür in Politik, Gesellschaft, Justiz und Medien konkret ändern muss. Darf eigentlich an demokratischen Grenzen geschossen werden? Glücklicherweise gibt es aber zunächst ja noch andere Optionen, etwa Grenzschließungen, die ja, entgegen einem Irrtum einer einst sehr Mächtigen, doch möglich sind, zumindest manchmal irgendwie.

Auch mit der Sprache als Macht im digitalen Zeitalter ist es vertrackt, Jürgen Nowak geht in seinem gleichnamigen Buch der Frage dieser Macht nach, und zwar in Anbetracht von Fake News, Verschwörungstheorien und Hassnachrichten. Wer Sprache in ihrer mächtigen Funktion umfänglich verstehen möchte, kann sich mit diesem Band auf eine Reise durch die sprachtheoretischen Grundlagen von Aristoteles bis Judith Butler begeben. Es steht zu vermuten, dass der gute, alte Aristoteles das mit dem Geschlechterunbehagen noch nicht so ganz verstanden hatte, aber vielleicht erfährt man dazu etwas in Nowaks Buch, und hier soll nicht spekulativ vorgegriffen werden.

Dem Deppen klarmachen, wo es langgeht: zum einen großen Richtig 

Zwei Ratgeber gibt es noch. Zum einen Warum wir Familie und Freunde an radikale Ideologien verlieren – und wie wir sie zurückholen können, zum anderen Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online. Über den ersten heißt es: Querdenken-Demos, gewaltbereite Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker – immer mehr Menschen driften auf der Suche nach Halt und Orientierung in radikale Ideen- und Vorstellungswelten ab. Immer häufiger wissen Freunde und Angehörige sich im Umgang mit Betroffenen nicht mehr zu helfen, fehlen Strategien, um miteinander im Kontakt und Gespräch zu bleiben. Wie können wir diesen Entwicklungen begegnen? Sollte Opa noch am Tisch sitzen dürfen, wenn er falsch gewählt hat? 

Die Autorin Dana Buchzik erkläre die Psychologie hinter dieser Entfremdung und zeige Strategien auf, wie jeder Einzelne den Kontakt zu Betroffenen aufrechterhalten und konfliktärmer gestalten kann. Der zweite Ratgeber sensibilisiere die Leser für den Umgang mit schwierigen politischen Diskussionspartnern sowohl im digitalen als auch im analogen Lebensumfeld. Vor dem Hintergrund, dass manche Populisten „Fake News“ für die Wahrheit halten, sich aber zugleich für wahre Fakten unempfänglich zeigen, thematisiert das Buch unter anderem psychologische Aspekte, insofern Tipps zum Diskutieren auch mit dem Ziel gegeben werden, beim Gegenüber selektive Wahrnehmungen und argumentative Verhärtungen aufzuweichen. Und dem Depp endlich klarzumachen, wo es langgeht. Die Werke dürften einander gut ergänzen.

Was unglaublich beruhigend bei all dem ist: Es gibt genau ein großes Richtig, zu dem alle Wege führen müssen, notfalls mit etwas Nachdruck, aber letztlich selbstredend zum Glück der Geführten, da ist nichts zu deuteln. Nicht wieder anzufangen, demonstrativ oder gar pöbelnd durch die Gegend zu laufen und falsche Dinge zu wollen oder, sofern bislang unbelehrbar, damit aufzuhören, sollte für schwache, leicht von der falschen Seite beeinflussbare Naturen der erste Schritt sein. Vor allem: Genau hinsehen, wer da mitdemonstriert oder mitdemonstrieren könnte oder wer mitdemonstriert und jemanden kennt, den man nicht kennen möchte. Am besten: Zu Hause bleiben und das Landeszentralen-Info Material lesen. Aber leise!

Foto: Pixabay

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Thomas Szabó / 09.10.2022

Beruhigend, dass sich die Restles & Relotiusse, Kaddors & Khomeinis, Nazis & Faesers, Merkels & Mielkes so rührend um unser Seelenheil sorgen.

Gerhard Schäfer / 09.10.2022

Könnten die Landeskinder die kostenfreien Publikationen auch für den Kachelofen (zur Energiegewinnung im Winter) ordern?

Hjalmar Kreutzer / 09.10.2022

„Man kann doch überall seine Meinung frei äußern, ohne gleich auf eine Demo zu gehen“. (Faser auf „wenn Blcke töten könnten“). „Mäh, Ihr Schafe, mäh Ihr Schafe, bleibet treu Eurer Rasse, Eurem Glauben auch im Schlafe, auch im Schlafe!“ (Schweinchen Babe, wird nicht gegessen.)

Nico Schmidt / 09.10.2022

Sehr geehrter Herr Lommatzsch, von was und von welchen Steuergeldern leben diese ganzen Ritter des Lichts eigentlich? Diese ganzen Gelder soll man gefälligst für Gaseinkäufe nutzen und nicht für diese ganzen verwirrten Gutmenschen. Mfg Nico Schmidt

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