Es gibt Texte im Leben, die einen nie wieder loslassen. Bei mir gehören einige der Aphorismen Friedrich Nietzsches dazu, einige der Begrifflichkeiten von Hegel und ein kleiner Text von Walter Benjamin, der in seinem kurz vor der Selbsttötung 1940 fertiggestellten Thesenbändchen "Über den Begriff der Geschichte" erschien. Der kleine Text geht so:
Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.
Der Text hat mich nicht deswegen nicht losgelassen, weil er so richtig und wahr wäre – ganz im Gegenteil, ich halte die Beschreibung des Bildes von Klee für objektiv falsch und stimme auch der Grundaussage, dass aus der Engelsperspektive Geschichte als eine einzige Katastrophe erscheint, nicht zu. Aber was weiß ich schon von der Engelsperspektive.
Ganz unabhängig davon haben mich jedoch schon immer die poetische Kraft, die geistige Vision und die in den Worten liegende tiefe Traurigkeit ganz eigentümlich berührt. Dass sich Walter Benjamin seit 1933 auf der Flucht vor dem deutschen Faschismus befand, er mit Schrecken die Auswirkungen des Hitler-Stalin-Paktes vorhersah und er als Philosoph mit jüdischen Wurzeln die eigene Vernichtung ahnte – das alles trägt zu diesem traurig-tragischen Grundrauschen in diesem Text bei.
Es lag ja in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei den geistigen Eliten Europas eine messianische Hoffnung in der Luft, dessen Desillusionierung Walter Benjamin hier mit Wucht beschreibt: Das Ankommen in der Moderne und der Fortschritt, wie ihn die sowjetischen Kommunisten und auch die Nationalsozialisten zuerst feierten, wurde für Benjamin zu einem Sturm, der einen Weltenbrand anfachte und Trümmer auf Trümmer häufte. Von diesem Trauma, dass Fortschritt keine Höherentwicklung bedeutet – sondern im Gegenteil: dass der Irrsinn der Menschen in der Massenkultur zur Monstrosität anwächst –, von diesem Trauma hat sich das Geistesleben Europas nie wieder erholt. Auch wenn die Bevölkerungen Westeuropas nach 1945 mithilfe der USA für einige Jahrzehnte eine andere Richtung einschlugen, die geistigen Eliten Europas durchzieht seitdem eine Müdigkeit und eine Lust an der Selbstdemontage, die von dem britischen Soziologen Douglas Murray als "The Strange Death of Europe" umschrieben wurde.
Der zerknirschende, selbst- und fremdanklagende Duktus
Nun könnte man meinen, dass nach dem großen Krieg und dem Holocaust die in Deutschland erfolgte Verkollektivierung der individuellen Schuld, die zuvörderst im allergrößten Interesse der individuell Schuldigen lag, etwas Einmaliges geblieben wäre. Dem ist aber nicht so. Die Ausrottung der indigenen Bevölkerungen, die Sklaverei, die brutalen Eroberungskriege, der Kolonialismus, der Imperialismus – die intellektuellen Eliten aller westlichen Länder haben ihre Geschichte mit mindestens einem "Holocaust" aufgeladen, so dass der kollektive Zerknirschungsvorsprung, den die Deutschen einst hatten, wie Schnee in der Sonne schmolz. Inzwischen hat sich in den geisteswissenschaftlichen Kreisen aller Länder des Westens eine Scham auf das Vergangene breitgemacht, die zu der Überzeugung geführt hat, die Heutigen müssten für die Taten der Vorväter und -mütter Buße tun.
Unter dem Begriff der Reziprozitätspflicht stellte der als Soziologieprofessor an der FU-Berlin lehrende Prof. Dr. Sérgio Costa 2015 im Zuge der Völkerwanderungsdramatik die Forderung auf, dass alle europäischen Länder ein Äquivalent an Schädigung auf sich zu nehmen hätten, um die Untaten, die Generationen vor ihnen verübt hatten, auszugleichen. Und so schlussfolgerte er: "Individuen oder ganze Gesellschaften, die in ihrer Existenz bedrohten Menschen Hilfe verweigern, sind moralisch abscheulich. Nehmen Individuen und Gesellschaften ihre Verpflichtung zur Hilfeleistung jedoch wahr, werden sie moralisch vollkommen." Die Schrecklichkeiten der Geschichte ragen derart ständig als Handlungsanweisungen in die Gegenwart hinein, um endlich eine "moralische Vervollkommnung" zu erreichen. Schuld und Sühne sollen also zu den Handlungsmaximen der Gegenwartspolitik werden. Wer jedoch Geschichte nicht als eine Besserungsanstalt zur "moralischen Vervollkommnung" anerkennen will und andere Schlüsse aus ihr zieht als die der Sühne und Wiedergutmachung, findet sich sehr schnell weit abseits und rechts des Meinungskorridors wieder.
Was sind die unbewussten Prägungen eines solchen Denkens, was ist das "Mindset", das derartigen Aussagen zugrunde liegt? Denn die Frage, ob Geschichte wirklich dem hegelianisch-marxistischen Diktum der paradiesischen Vollendung und moralischen Vervollkommnung folgt, oder ob sie nicht vielmehr die ewige Wiederkehr des Gleichen in unterschiedlicher Maskerade darstellt, ist ja noch gar nicht beantwortet. Der zerknirschende, selbst- und fremdanklagende Duktus, wie er heute in den Geisteswissenschaften herrscht und als Ausweis einer aufgeklärten Haltung gilt, macht Geisteswissenschaft, wie sie noch Friedrich Nietzsche vorschwebte und die er sich als eine fröhliche Wissenschaft vorstellte, unmöglich. Und so begab sich der Fortschritt des Geistes, der bis dahin immer ein zukunftsorientierter war, in die Falle einer moralischen Vervollkommnung, die mit überwunden geglaubten religiösen Riten operieren muss.
Fortschritt ist die Geschichte von der Überwindung des Paradieses
Der Sturm, der aus dem Paradiese herweht, ist eben nicht der Fortschritt, wie Walter Benjamin meinte, sondern das Festhalten an dem Konzept eines verlustig gegangenen Paradieses, das es – vielleicht – im Vorgeburtlichen oder Nachtodlichen gibt, aber ganz sicher nicht auf dieser Welt und in diesem Leben. Nach dem wirkmächtigen Mythos von der Vertreibung aus dem Paradies soll es ja die Frucht vom Baum der Erkenntnis gewesen sein, die erst die Vertreibung zur Folge hatte. Dieser erkenntnisfeindliche und rückwartsgewandte Zug im Paradieskonzept ist das Mindset, das momentan über den Westen hinwegfegt. Während noch in der griechischen Mythologie sich Prometheus gegen Zeus auflehnt, um den Menschen das Licht der Erkenntnis zu schenken (und deswegen als Strafe an den Fels des Kaukasus geschmiedet wird), ist in der christlichen Mythologie der Lichtbringer Luzifer bereits zum Teufel mutiert. Und während Prometheus die Menschen noch tragisch liebte, will Luzifer sie nur böse verführen.
Die Geschichte des menschlichen Fortschritts ist die Geschichte von der Überwindung des Paradieses und der natürlichen Begeben- und Begrenztheiten. Ob es das Rad war, das die Arbeits- und Mobilitätsanstrengungen des Menschen unermesslich erleichterte, ob es die Elektrizität war, die die Dunkelheit der Natur vertrieb oder ob es die Spaltung des Atoms war, die das Versprechen auf eine schier unendlich verfügbare Energiemenge einlöste: An keinem Punkt der Geschichte wurde der Mensch je besser oder vollkommener. Er wurde nur unabhängiger von den Göttern und der Natur. Diese Unabhängigkeit nennen wir Freiheit. Sie scheint den Menschen des Westens inzwischen den größten Schrecken einzujagen.
Im Gegensatz zu Walter Benjamin behaupte ich: Es weht kein Sturm vom Paradiese her, es weht vielmehr ein Sturm zum Paradiese hin. Der Fortschritt lief immer Gefahr, von einer archaischen Erlösungssehnsucht gekapert zu werden. Inzwischen hat er die Richtung geändert und stürmt mithilfe des alten religiösen Dreischritts – Sündhaftigkeit, Schuld und Erlösung durch Unterwerfung – auf eine Selbstdemontage hin, die zwar für den Betrachter faszinierend ist, den Beteiligten aber erschreckt.
Da habe ich die Hoffnung fahren gelassen
So habe ich 2011 nicht verstanden, warum eine der führenden Industrienationen der Erde nach einem schweren Seebeben vor der japanischen Küste (mit knapp 20.000 Toten) und einem havarierten Kernkraftwerk (mit genau 0 Toten) von einem Tag auf den anderen aus einer sicheren Energiegewinnung aussteigen und partout auf Windmühle und Sonnenuhr zurückgehen muss. Ich habe es damals unter einer besonderen und sehr deutschen Atomangst verbucht und darauf gehofft, dass die anderen Nationen dieses Land in der Mitte Europas schon schützen und halten würden.
Ich habe 2015 die Lust an der Abschaffung des Nationalstaats und die mehrmals geäußerte Absage an Territorialschutz und Obergrenze nicht verstanden, ahnend dass die Dynamik einer Wirtschaftsmacht und die Voraussetzungen für einen sozialen Rechtsstaat schweren Schaden nehmen würden. Vor allem aber leuchtete mir nicht ein, wieso wir Deutschen etwas schleifen wollten, womit wir die letzten 70 Jahre nicht die schlechtesten Erfahrungen gemacht hatten. Und ich habe darauf gehofft, dass die anderen Nationen dieses Land in der Mitte Europas schon schützen und halten würden.
Ich habe 2018 die Einführung von Dieselfahrverboten nicht verstanden, die von einer "Deutschen Umwelthilfe" durchgesetzt wurden, die nicht nur von der Bundesregierung mit Millionenbeträgen gefördert wird, sondern die damit einer deutschen Schlüsselindustrie schwersten Schaden zufügt. Und das vor dem Hintergrund, dass die Lebenserwartung der Menschen über die letzten Jahrzehnte fast ins Problematische gestiegen ist und die Verschmutzung der Umwelt nachweislich eklatant abgenommen hat. Da hoffte ich schon nicht mehr darauf, dass die anderen Nationen dieses Land in der Mitte Europas schon schützen und halten würden.
Der Himmel ist uns immer noch nicht auf den Kopf gefallen
Und ich habe auch nicht verstanden, warum in einem Land, in dem die Regierung Minuszinsen einführt und damit Unsummen von Geld in rentablere Immobilieninvestitionen umleitet, Bauvorschriften erlässt, die Zeiträume und Kosten für Neubauten in ungeahnte Höhen treibt, selbst viel zu wenig in sozialen Wohnungsbau investiert, und dann irgendwas zwischen zweieinhalb und drei Millionen Neubürger ins Land lässt, die vornehmlich in die Großstädte strömen – ich habe nicht verstanden, warum in einem solchen Land 2019 ernsthaft Enteignungen von Wohnungseigentümern ein Argument sein soll, den Missstand von fehlendem Wohnraum zu beheben. Ich verstehe es immer noch nicht.
Ich habe 2019 die von allen Medien gepushte Panik einer Klimaaktivistin nicht verstanden, die durch die Lande tourt und "Kehret um! Das Ende ist nah!" ruft, obwohl entgegen aller Vorhersagen der Klimapäpste auch 2019 weiterhin Schnee fällt und nicht eine einzige Insel vom Meeresspiegel verschluckt wurde. Ist es im April dann mal zwei Wochen warm, wird von Wetterdiensten und Umweltverbänden eine schwere Dürre vorhergesagt, während dieselben Kräfte keinen Mucks von sich geben, wenn einige Tage später die Temperaturen des Nachts unter den Gefrierpunkt rauschen und es am Tag Bindfäden regnet. Hieß es zu Zeiten des Simplicissimus in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts noch: "Alle reden vom Wetter, aber keiner macht was dagegen!", haben sich die interessierten Kreise der Gesellschaft heute darauf verständigt, nur vom Wetter zu reden, wenn es mal warm ist, und dann auch etwas dagegen zu machen.
Die Angst, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt, kennen wir als Schrulle aus den Asterix-Heften unserer Kindheit. In den archaischen Weltanschauungen der Vorzivilisationen wurden Blutopfer dargebracht, um die Wettergötter milde zu stimmen, und Regentänze aufgeführt, damit die Ernte nicht vertrocknete. Die Hauptaufgabe der Auguren war es, das Wetter vorherzusagen und die der Regenmänner, für Niederschlag zu sorgen. Und so ging es schon immer um die Deutungsmacht des mächtigsten aller archaischen Symbole: des Wetters. "Wer DIESE Angst beherrscht und funktionalisieren kann, verfügt über den zentralen Code der Menschheitsängste", schrieb der Zukunftsforscher Matthias Horx bereits im Jahre des Herrn 2007. Der Himmel ist uns immer noch nicht auf den Kopf gefallen, die Angst davor ist aber inzwischen zu einem ohrenbetäubenden Kampagnenlärm geworden.
In der Falle einer kollektiven Sündhaftigkeit
Ging man früher zum Beichten seiner Sünden in die Kirche, so setzt man sich heute vor den Computer und rechnet sich seinen sündhaften CO2-Fußabdruck zusammen. Der Begriff „Klimasünder“ hat sich ja inzwischen flächendeckend bei den Progressiven (!) durchgesetzt. Aber während früher die Sünden auf mysteriöse Weise vergeben wurden, sitzt man heute in der Falle einer kollektiven Sündhaftigkeit, aus der es – solange Bevölkerungszahl und Wohlstand auf der Erde wachsen – kein Entrinnen gibt. Den Menschen als Störfaktor des Universums zu betrachten und sein Leben in Tonnen CO2 aufzurechnen, ist an misanthropischer Lebensfeindlichkeit nicht zu überbieten. Der CO2-Fußabdruck kommt so wissenschaftlich-interessiert daher, er wirkt so mathematisch sauber und statistisch unschuldig – dabei ist er so falsch, dass noch nicht einmal sein Gegenteil richtig wäre. Er ist die allgemeine wissenschaftliche Formel für das Ressentiment, das nach Nietzsche die Selbstvergiftung durch nicht-ausgelebte Rachegelüste darstellt.
Der heißeste Shice im intellektuellen Diskurs momentan ist eine Bewegung, die sich "Antinatalismus" nennt, die Leben für schlicht lebensunwert erklärt und fordert, aus Gründen des Klimaschutzes auf Kinder zu verzichten. Eine Buchautorin fordert gar, dass kinderlose Erwachsene mit ihrem 50. Geburtstag eine Prämie von EUR 50.000 erhalten sollten, dafür, dass sie sich so klimagefällig verhalten hätten. Dreimal darf man raten, wer für die Durchführung und Überwachung der Auszahlung verantwortlich sein soll: natürlich der wunderbare Staat, der über die Gnade der nicht-erfolgten Geburt zu wachen hat.
Wir werden den Tag noch erleben, an dem die Bewegung der Antinatalisten an den Universitäten und Instituten, in den Behörden und Verbänden einen ähnlichen Einfluss entfaltet haben wird wie heute die Genderbewegung. Natürlich alles nur, um das Klima zu retten. Dann wird es Beauftragte geben, die für korrekte und gleichberechtigte kinderlose Sprache sorgen, es wird die Forderung aufgestellt, dass Mitarbeitern mit Kindern wegen ihres unverantwortlichen CO2-Fußabdrucks das Gehalt gekürzt wird, dass es eine Kinderlosen-Quote in den Vorständen geben soll, und es wird regelmäßig der Mitarbeiter des Monats mit dem vorbildlichsten CO2-Fußabdruck ausgezeichnet, wobei Nicht-Vegetarier und Mitarbeiter mit Kindern und/oder Haustieren von vornherein ausgeschlossen sind.
Und wir werden den Tag noch erleben, an dem wir nur dann die Annehmlichkeiten staatlicher Fürsorge in Anspruch nehmen dürfen, sofern unser CO2-Fußabdruck auch klimagefällig genug ausfällt. Und dieser Tag wird durchaus demokratisch legitimiert sein, weil die Mehrheit der Medienschaffenden das genau so wünscht. Und die Politiker werden sich hinstellen und ihre Hände in Unschuld waschen, weil sie doch nur ausführen, was die „Deutsche-Kinderfrei-Hife“, die zufällig mit Millionengeldern von diesen Politikern gefördert wird, juristisch durchsetzt.
Sie halten diese Dystopie für übertrieben? Dann beantworten Sie nur die Frage: Hätten Sie sich vor 20 Jahren träumen lassen, dass so etwas wie die Genderbewegung jemals alle gesellschaftlichen Bereiche derart in Geiselhaft nehmen könnte, wie es inzwischen eingetreten ist? Und hätten Sie sich vor 20 Jahren träumen lassen, dass eine Bundesregierung alle emissionsfreien Kernkraftwerke vom Netz nehmen und gleichzeitig alle Bürger mit einer CO2-Abgabe belegen kann, ohne mit Mistgabeln vom Hof gejagt zu werden? „Der Wahnsinn, wenn er epidemisch wird, heißt Vernunft“ (Oskar Panizza). Willkommen im Paradies!
Das und noch viel mehr behandelt Markus Vahlefeld in seinem neuen Buch: Macht Hoch die Tür – Das System Merkel und die Spaltung Deutschlands, Oktober 2018, erhältlich hier: www.markus-vahlefeld.de
Beitragsbild: Creative Commons CC0 Pixabay

Teil zwei: Inzwischen haben wir die Religionen als vorwissenschaftliche Erklärungsmodelle weitgehend hinter uns gelassen und damit auch die damit verbundenen Strafen, Einschüchterungen und Ängste. Es wird seltsamerweise immer wieder beklagt, dass das eine Leere im Menschen hinterließe, die für viele nicht zu ertragen wäre und die dann mit anderweitigem Unsinn gefüllt werde. Ich empfinde das als zu kurz gedacht, fast schon als eine Unterstellung, die ausblendet, dass es viele fröhliche Atheisten gibt, die sich eher Humanisten nennen und eine mindestens ebenso hohe Ethik haben wie die Religiösen. Nein, wir der naturalistischen Weltsicht verpflichteten Humanisten verhalten uns nicht deshalb menschenfreundlich und fair, weil wir ins Himmelreich kommen wollen (Was für eine Berechnung!), sondern aus dem Gefühl für Anstand, Gerechtigkeit und der Empathie für unsere Mitmenschen. Für ein friedliches, freundliches Miteinander braucht es keine Religion. Und es müssste einem Jeden auffallen, dass die weitgehend säkularen Länder sehr viel freiheitlicher, toleranter und friedlicher sind als die religiös dominierten. Wenn wir uns das heutige Desaster in Deutschland ansehen und am Verstand unserer Mitbürger zweifeln, dann hat das mit dem zu tun, was ich hier so lang und breit beschrieben habe: Der Mensch ist, wie er ist! Und die Dummheit gehört genauso zu ihm wie der Verstand. Vor allem ist der Mensch egoistisch und bei jeder (!) Handlung auf Eigennutz bedacht, und wenn er nur das Gefühl haben will, als guter Mensch zu gelten! Außerdem neigt der Mensch zu Bequemlichkeit. Wenn es nicht unbedingt erforderlich ist, setzt er seinen Verstand nicht ein. Sich außerhalb seiner Gruppe zu stellen, bedeutet Gefahr. Also bleibt er schön konform, lässt sich verdummen und einlullen. So lange die Menschen nicht in ihrem kleinen alltäglichen Überleben übermäßig beeinträchtigt werden, ist den meisten von ihnen die Politik egal. Und vielen fehlt auch schlicht ein entsprechendes Denkvermögen!
@ HaJo Wolf: Exakt so sieht es aus. Auf der Achse oder bei TE sich untereinander für die gleiche Meinung zu beweihräuchern, reicht bei weitem nicht aus. Ich konfrontiere meine Umwelt ohne falsche Rücksichtnahme mit der Realität, auch unter Mißachtung der Gesetze der Höflichkeit. Denn, wie sagt es Herr Vahlefeld so schön, "Da habe ich die Hoffnung fahren gelassen", dass es von ganz allein wieder gut wird. Wer Probleme mit Björn Höcke hat, und dafür lieber Lieschen Müller-Baerbock machen läßt, dem ist ohnehin kaum zu helfen.
So zutreffend Murrays und Vahlefelds Beschreibung der westlichen "Eliten" als müde und lebensüberdrüssig erscheint, so bleibt doch für diese seltsame Gestimmtheit und das zugrundeliegende Geschichtsbild ein wichtiger Faktor ausgeblendet: nämlich das Interesse der tatsächlich leistungsfernen und inkompetenten (Pseudo-)Eliten an diesen Weltbildern und Stimmungen - sie brauchen sie zur Selbstlegitimation, zur Erlangung von Posten und Geldern, kurz: von Macht. Es geht bei diesen scheinbar ungesteuerten, aufgrund allgemeiner Gesellschaftslagen und Geschichtserinnerungen vorgeblich "natürlich" entstandenen Stimmungslagen in Wirklichkeit um bewusst vorangetriebene politische Strategeme, die wesentlich auf die Möglichkeiten der Massensuggestion in der Populärkultur bauen. Tatsächlich hat es zu Anfang der 2000er Jahre auch in Deutschland einen neuen Optimismus gegeben, gerade unter der Jugend. Dieser wurde systematisch von linken, 1989 desavouierten "Influencern" zerstört. Vahlefelds Anspielung auf die "Verkollektivierung" des Schuldkomplexes geht da in die richtige Richtung - man hat den Völkern die Schuld eingeredet, die in Wirklichkeit allein von kleinen Macht- und Elitenzirkel zu verantworten ist. Hier wäre an Gerd Helds Beitrag hier auf der Achse vor ein paar Tagen über das Selbstbild der EU-Eliten zu erinnern - und deren Vorwurf an die Völker, sie seien nicht friedensfhähig und bräuchten daher starke Steuerung "von oben". Jeder der die Geschichte der europäischen Völker in der Zeit der Nationalbewegungen betrachtet erkennt aber schnell, dass nicht die Nationalbewegungen das Problem waren - diese waren zu Ausgleich und Kompromiss mit anderen Nationen bereit - sondern die machtbesessenen Eliten, die ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen, Traditionen, Zugehörigkeiten auf Länderraub und willkürlich gezogene Grenzen setzten. Um das Lügenwort von Ex-Bundespräsident Gauck richtigzustellen: "Die ELITEN SIND das Problem. Und sie waren es immer."
@Wolfgang Wünsch: Das berühmte Mentekel an der Wand war die Versalzung der Böden durch ausgeklügelte Bewässerung - notwendig geworden durch die hohe Bev.-zahl. Ägypten hat das Problem bis heute nicht, weil die Wassermassen des blauen und des weißen Nil alles Salz ins Mittelmeer spülen - mal sehen, wann die auch das noch versauen.
Lieber Herr Vahlefeld, ich teile Ihre verzweifelt-deprimierte Stimmung wie alle hier. Ihr Artikel kann einem das Herz zerreißen. Mir gefallen nur die Ausflüge ins Religiös- Metaphysische nicht. Dass der Mensch diesen Hang nach Irrationalem, nach Erlösung von was auch immer hat und der Ratio so oft nur schwer zugänglich ist, ist meines Erachtens auch Teil des Problems. Die Menschen sind keine Sünder, sondern nichts weiter als das Produkt der Evolution. Und vor allem sind sie nicht das Ebenbild eines Gottes. Oder Opfer von dunklen bösen Mächten (früher Teufel genannt), die sich ihrer bemächtigen und die es abzuwehren gilt. Gut und Böse sind also nichts weiter als metaphysische Kategorien, von Menschen aufgestellt. Diesen moralischen Maßstab "Gut und "Böse" wenden wir ja auch nicht auf Tiere an, weil wir wissen, dass sie ihren Instinkten ausgeliefert sind und mit dem Töten und Fressen ihrer Opfer nur ihr Überleben sichern. Nun dürfen wir nicht vergessen, dass wir genau genommen auch Tiere der Gattung Säugetiere sind, die inzwischen zwar einen hochentwickelten Verstand besitzen, aber durchaus noch den evolutionären Trieben wie Überleben und Fortpflanzung ausgeliefert sind, wobei diese beiden Triebe zusammengehören. Man will sich und seine Art erhalten. Im Laufe seiner Entwicklung hat der Mensch "erkannt", dass soziales Verhalten/Gesetze und Vorschriften das Zusammenleben erst ermöglichen. Deswegen findet man in jedem Winkel der Welt, wo man Menschen antrifft, eine Kultur mit Regeln und Geboten. Sein großer Verstand, der sich über Millionen Jahre immer verbessert und verfeinert hat, brachte den Menschen dazu, sich über seine Umwelt und auch über sich selbst Gedanken zu machen. Eine evolutionär angelegte Neugier trieb und treibt ihn an, der Mensch will verstehen. Er sucht die Ursache von allem. Da die wissenschaftliche Erkenntnis zunachst noch sehr rudimentär war, griff man zu übernatürlichen Erklärungen und die ersten Religionen etablierten sich. Teil zwei folgt!
Dennoch Chapeau den sogn. Klimaexperten und dem IPCC. Haben sie doch genau den richtigen Nerv getroffen. Das Wetterchaos zur selbstverschuldeten Kathastrophe erklären, ich find's genial. Oder musste es einfach früher oder später so kommen? Ich sehe keinen Weg, wie hier wieder Vernunft einkehren könnte. Die Nummer kann nur böse enden. Plastikmüll, Insektensterben etc. kommen mir vor wie Trittbrettfahrer in den Abgrund.
Die Idee der 'Belohnung von Antinatalisten' kann man ja noch weiterspinnen. Wie werden wir zukünftig mit MörderInnen umgehen? Das Rot und das Grün beginnen sich schon kräftg zu mischen.