Die deutsche Politik baut vor dem Bürger gerade eine Eiger-Nordwand an Vorschriften und Verboten auf, die sich mit den bereits vorhandenen Problemen auch noch potenzieren. Erst wenn der letzte Verbrenner stillgelegt, die letzte Gasheizung demontiert und der letzte Heizöltank leer ist, werdet ihr merken, wie blank das Land ist.
In seiner fürsorglichen Strenge hat das EU-Parlament (es lebe hoch, hoch, hoch!) beschlossen, dass wir alle zu viel Geld, Energie und CO2 für das Heizen und Kühlen unserer Häuser ausgeben und stattdessen noch viel mehr Geld und Energie für die energetische Sanierung dieser Häuser ausgeben müssen. Gestaffelt nach Bestandskohorten, so dass man rechnen kann, wie und so oft man will: Sanierungsbedarf ist immer, weil es immer einen Prozentsatz an Häusern gibt, die schlechter saniert sind als andere. Und weil viele Hausbesitzer gar nicht über die Mittel verfügen, dies zu tun, muss es quasi sofort geschehen. So will es die allgütige EU-Politik.
Die Sache muss noch durch Kommission und die nationale Exekutive, aber ich rechne da in Deutschland nicht mit Widerstand. Nicht vom Märchenonkel aus Kiel und auch nicht von der SPD, die mühelos den Übergang vom Kevin Kühnert’schen Postulat „die Häuser denen, die drin wohnen“ zu „die Häuser denen, die sich jede staatlich angeordnete Verstiegenheit leisten können“ geschafft hat. Nach dem beschlossenen Verbrennerverbot für Autos ist dies binnen kurzer Zeit schon der zweite Versuch des EU-Parlaments, Ökonomie und Physik für ungültig zu erklären. Nun kann das Parlament zwar beschließen, dass die Donau in die Nordsee fließen muss, das wird die Donau nicht bekümmern. Doch der Lehm, den die Politik hier knetet, besteht aus Menschen, und die reagieren meist ganz anders als gedacht, wenn man sie zu sehr und noch dazu an vielen Stellen gleichzeitig presst.
Zeitdruck und Druck durch politische Erpressung
Addiert man die Kräfte, denen sich die Deutschen in der nächsten Dekade ausgesetzt sehen, erhält man etwa folgendes (unvollständige) Bild: Druck auf die Industrie, von der ganze Teile wegen Verboten wegfallen oder wegen Energiemangels auswandern, dadurch Druck auf gut bezahlte Jobs, was wiederum Druck auf Wohlstand und die Sozialsysteme ausübt, auf denen durch Massenmigration ohnehin schon Druck lastet. Dann Druck auf die Mobilität, besonders die arbeitsbedingte. Einerseits durch erwähnte Verbote, andererseits durch schlichten Energiemangel. Druck durch einen Sanierungsstau biblischen Ausmaßes in der öffentlichen Infrastruktur (Straßen, Brücken, Bahn, Netzausbau für Strom und Glasfaser) bei gleichzeitig schwindender Basis gut ausgebildeter Fachkräfte. Druck durch steigende Energiekosten bei den Verbrauchern bei gleichzeitigem Druck auf die Angebotsseite durch Abschaltungen und diverse politisch motivierte Technologieausstiege. Und weil zwanzig Jahre politischer Druck auf die Stromversorgung im Namen der Energiewende zu nichts geführt haben (außer zu höheren Kosten), geht die EU nun das ungleich größere Segment der energetischen Gebäudesanierung an. Und zwar mit Nachdruck, Zeitdruck und Druck durch politische Erpressung. Das Ganze wird garniert mit Gendergaga, Equity und einer ganzen Buchstabensuppe aus selbstdefinierten Opferpartikularen. Blicken Sie noch durch? Nein? Das soll wohl auch so sein. Merken müssen Sie sich nur, dass es eng wird. Dafür ja der Druck.
Ich will hier jedoch nicht Physik oder ökonomischen Minimalverstand als Zeugen anrufen. Die Frage etwa, wer das alles bezahlen soll, wo die Materialien herkommen und wo vor allem all die Handwerker und Firmen sind, die solche aufeinandergetürmten pyramidalen Projekte binnen weniger Jahre umsetzen, stellt man sich in Brüssel oder Berlin nicht. Das Handwerk, welches gleichzeitig die Hochspannungsnetze ausbauen, Windräder im Stundentakt errichten, Ladenetze in den Städten verlöten, Wärmepumpen installieren, Häuser dämmen, Dächer elektrifizieren und den ÖPNV ausbauen soll, lacht gerade so hart, dass man kaum den Satz „Wir-haben-keine-Leute“ verstehen kann. Doch die Politik tut so, als sei das nur ein subalternes Problem der Donau, die ihre Fluten packen und sich wie befohlen zur Nordsee aufzumachen hat. Or else!
Was die Donau tut, wissen wir. Die fließt unabhängig und unbeeindruckt von Politikergeschwätz in Berlin und Brüssel. Doch was machen die Menschen, wenn man sie zu sehr zwackt? Exemplarisch kann man das auf einem weiteren, kleinen Schlachtfeld der Bürgererziehung betrachten, wo wir schon seit Jahren hören und lesen, dass „Politiker fordern“, „Wissenschaftler fordern“, oder, als ultimative Steigerung, „die Wissenschaft“ fordert. So oder so ähnlich beginnen Belehrstücke, die von den sinistren Gefahren der Holzverbrennung sprechen.
Der Kamin in Ihrem Jagdschloss
An was denken Sie bei „Holzverbrennung“ zuerst, liebe Leser? Der Kamin in Ihrem Jagdschloss, über das Sie doch sicher verfügen und den Sie für kaum zehn Gelegenheiten im Jahr anzünden, ist sicher nicht betroffen. Aber schon bei Pellets hört der Spaß auf, obwohl die uns vor gar nicht allzu langer Zeit noch als der ganz heiße Scheiß verkauft wurden. Doch nun: Feinstaub droht! Und hier kommt die fordernde Wissenschaft ins Spiel. Die fordert nämlich strengere Feinstaub-Grenzwerte, wenn man die Öfen schon nicht so schnell verboten bekommt. Hunderttausende vorzeitige Todesfälle gäbe es allein in Europa, und das nur wegen dieser Holzöfen! Wir wissen natürlich nicht, ob diese Legionen an oder nur mit Feinstaub starben, aber die Alarmglocke schrillt und fordert Beachtung. Blöderweise geben die Messwerte den Alarmismus nicht her, weshalb die Wissenschaft fordert (was denn auch sonst), die Messnetze enger zu knüpfen.
Und lassen Sie sich nicht verwirren, weil doch schon überall im Land nach dem bösen Dieselfeinstaub gefahndet wird: Für die Feinstaubmessungen aus Holzbrand hält man sich nicht an der Bordsteinkante auf. Da muss man schon in die „Reinluftgebiete“ gehen, am besten an einem kalten Winterabend. Rauchschwaden ziehen übers ländliche Deutschland, und zwar immer mehr. Grenzwerte und die Messreihen, die es braucht, solche zu definieren, bekäme man letztlich gern wie bei Corona: durch testen, testen, testen! Das hielte auch die Angst frisch. Die Zunahme der Rauchschwaden ist jedoch interessant, weil sie eben gerade nicht von hochmodernen Heizanlagen, etwa von Blockheizkraftwerken auf Hackschnitzelbasis, kommt. Moderne Technik und Filteranlagen sorgen hier für so saubere Luft, als käme sie aprilfrisch aus dem Auspuff eines Euro-6-Diesels. Nein, es sind tatsächlich Kamine und Öfen, die verstärkt genutzt werden, und zwar trotz aller Rauchschwaden und medial geschürter Angst vor dem Feinstaubtod.
Was macht die Familie mit niedrigem Einkommen?
Die Menschheit hat einige bemerkenswerte technologische Sprünge hingelegt, und die hingen immer mit Energie, Energiedichte und Erntefaktor zusammen. Holz und Hafermotor waren bis zur Ablösung durch die Kohle alternativlos. Der Umstieg von Kohle auf Öl und später Gas befeuerte die Industrielle Revolution erst richtig. Sonne und Wind passen leider wegen ihrer Volatilität nicht in diese Herleitung, und der logische nächste Schritt Kernenergie wurde in Deutschland gerade ideologisch abgewickelt. Die Frage ist, was macht der Mensch, wenn er es nicht über eine Schwelle schafft oder ein Wächter ihm den Schritt darüber verwehrt? Im Notfall einen Schritt zurück.
Womit wir wieder beim aktuellen Kampf der grünen Ideologen gegen die Realität wären. Öl-aus, Kohle-aus, Gas-aus, Atom-aus – die Liste der nicht von Investitionsverlust und Verbot bedrohten Energieformen ist kurz, besonders beim Heizen. Nun weiß Minister Habeck, dass, wer eine Villa für zehn Millionen renoviert, sich auch noch eine Wärmepumpe leisten kann, aber was ist mit der Handvoll ärmerer Menschen im Land, die nicht von Diäten leben und denen leider 9,999 Millionen Euro zu Villa und Wärmepumpe fehlen?
Was macht die Familie mit niedrigem Einkommen, die noch 20 Jahre ihre kleine Hütte mit Garten abstottern muss, für eine neue Heizung spart und nun das Haus auch noch mit dem Aufwand des halben Verkehrswertes energetisch an die Spitze dämmen soll? Was macht das ältere Ehepaar, das mit 70 im abbezahlten Eigenheim aus dem Jahr 1970 sitzt und dies als wesentlichen Bestandteil seiner Altersversorgung betrachtet hat? Einen Kredit aufnehmen? In dem Lebensalter und mit der Vorlage des heute üblichen Rentenbescheids? Kommt Minister Habeck oder die EU-Kommission persönlich mit einem Lastenfahrrad voll Gold vorbei?
Wer nun glaubt, die Bürger würden den wachsenden Druck einfach immer weiter auf ihre Schultern nehmen und notfalls hungernd und frierend, aber fest an den „Green Deal“ und Grenzwerte glaubend, in ihren unbeleuchteten Häusern sitzen, der sollte sich besser an den Geruch verbrannten Kaminholzes gewöhnen, denn der nächste Schritt könnte sein, dass das Feuer zur Entzündung von Fackeln verwendet wird.
Erst wenn der letzte Verbrenner stillgelegt, die letzte Gasheizung demontiert und der letzte Heizöltank leer ist, werden ihr merken, dass Feinstaub aus Holz- und Kohleöfen euer kleinstes Problem ist. Die sind nämlich nicht das Problem, sondern ein Symptom. Das Symptom der energetischen und ökonomischen Verarmung eines Landes. Und Umweltbewusstsein, Umweltschutz und der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen ist ein Geisteszustand, der sich erst einstellt, wenn der Mensch seine Nase aus der Furche des täglichen Existenzkampfes erheben kann. Den Druck so weit zu erhöhen, dass der Mensch wieder zurück in diese Furche gezwungen wird, führt nicht nur direkt in die ökonomische Katastrophe, sondern auch in die ökologische.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.