Die harten und weniger harten Voraussetzungen zum Zusammenbruch des östlichen Lagers sind allgemein bekannt und vielfach diskutiert. Davon soll jetzt keine Rede sein. Die Sogwirkung der dekadenten Westmusik ist es, der ich hier meine Zeilen widme.
Gut zupass kommt mir dabei Peter Hammers Website „OldiesTopTen“. Dieser grandiose Überblick über die Geschichte der Rockmusik ist ein Hammer für sich!
Die Kommunisten als Antipoden zu Freiheit und Demokratie hatten nicht nur ihre systembedingten Webfehler gebastelt, mit denen sie sich Millionen an Gegnern und Opfern schufen. Nöh, die waren sogar so blöde und knallten der Jugend das Verbot der dekadenten Jugendmusik des Westens unmissverständlich auf die Köpfe.
Nur, es funktionierte nicht wirklich. Die Westsender konnten noch so sehr gestört werden, mit irgendeiner selbstgebastelten Antenne zog sich die Jugend doch die Feindsender rein. Vielleicht sogar intensiver, weil verbotene immer auch besondere Früchte sind.
Die Friedliche Revolution 1989/90 war vor allem auch eine Jugendrevolte. Viele der Demonstranten durften ihre Street Fighting Männer niemals livehaftig erleben und das bis zum Rentenalter. Die Wut darüber war ebenso groß wie die allgemeine Wut über die Diktatur. Ich jedenfalls wollte mit der Freiheit auch die Rockmusiker meiner Kindheit und Jugend sehen. Vielen meiner Freunde ging es ebenso.
Meine eigene Beat-Erweckung kann ich ganz genau festmachen.
Die Fußball-WM 1966 in England brachte nicht nur guten Fußball in verrauschten Bildern des Westfernsehens (Ost-Sender liefen bei uns zu Hause ganz niemals nie), sondern auch einen Gassenhauer mit in die elterliche gute Stube. Zum krachenden stampfenden Beat von „Hold tight“ – „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mich and Tich“ sangen und stampften die britischen Fußballfans eindrucksvoll mit. Für mich als 11jährigem waren zu dem Zeitpunkt WM-Fußball und „Hold tight“ ein zusammenhängendes und prägendes Erlebnis.
Selbstverständlich blieb es nicht bei der Band mit dem komplizierten Namen.
Hingebungsvoll am Dampfradio
„Yes“, Rory Gallagher, Rick Wakeman und viele andere folgten. Ohne „The Beatles“ war das alles auch nicht zu denken.
Peter Hammer hat sich mit seiner Website an die ungeheure Fleißarbeit gemacht, diesen Kosmos mit großem Wissen und noch mehr Liebe zur Rockmusik ins Internet zu setzen.
Ich kann hier nur jedem versprechen, der sich auch nur ein kleines Stück reinklickt in die Jahres-Charts und in die Sender der Jugend, der/die kommt so schnell davon nicht wieder los.
Dies gilt keineswegs nur für die ehemals ostdeutschen Freaks.
Viele ehemals westdeutsche Freaks werden die Tabelle der Piratensender genau so durchwühlen wie alles andere auch.
In der Rockmusik hatten wir die Einheit Jahrzehnte vor der Einheit. Die einen direkt, die anderen hingebungsvoll am Dampfradio. Und wer im Osten Glück hatte, der/die konnte sogar in der ARD den Beat-Club sehen – da liefen die Herzen über und die Wut über die Kommis wuchs bis in die Stratosphäre.
1995 konnte ich sogar den „Rolling Stones“ ein klein wenig behilflich sein. Auf Grund verworrener Eigentums- und Mietrechte war das erste Stones-Konzert in Leipzig gefährdet. Ziemlich aufgeregt machte mir der Agenturchef zu Hause die Aufwartung und bat mich dringend um behördliche Hilfe. Selbstverständlich und mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl machte ich mich für Helden meiner Jugend in die Spur. Mit Erfolg. Hinrich Lehmann-Grube, der Leipziger Oberbürgermeister, liess den Supergau „inkompetent ausgefallenes Stones-Konzert“ nicht zu. Die Stadtverwaltung konnte die Problematik für dieses Konzert auflösen. Der Beat-Aufstand von 1965 würde keine Widerholung erfahren müssen.