Thomas Rietzschel / 18.07.2014 / 17:57 / 2 / Seite ausdrucken

Wie der gute Hirte von Karstadt Kasse macht

Seit ein paar Tagen bricht es nun knüppeldick über den Helden von gestern herein.  In der Politik, bei den Gewerkschaften, in den Medien, überall regt sich die Empörung. Von arglistiger Täuschung und Gewissenlosigkeit ist die Rede. Kein Hund will noch einen Knochen nehmen von diesem Investor, dieser „Heuschrecke“, diesem „Blender“, diesem Herrn Berggruen. Die Karstadt-Gläubiger, heißt es, habe er ebenso hereingelegt wie das Personal der Kaufhäuser, samt der treusorgenden Gewerkschaftsfunktionäre und der Politiker nicht zuletzt. So weit so falsch – so scheinheilig.

Sicher, der deutsch-amerikanische Investor Nicolas Berggruen, eine Nachkomme des Kunstsammlers Heinz Berggruen, hat das Blaue vom Himmel herunter versprochen, als er 2010 den insolventen Karstadt-Konzern für einen müden Euro erwarb. Er hat Garantien abgegeben, finanzielle und personelle, die er weder halten konnte noch wollte. Er hat gleich nach dem Erwerb runde 70 Millionen Euro auf die Konten der maroden Firma überwiesen, um sie sich wenige Tage darauf mit erklecklicher Verzinsung zurückzahlen zu lassen. Er hat so die Rechte am Markennamen „Karstadt“ an sich gebracht. Dafür lässt er sich nun Jahr für Jahr um die zehn Millionen Euro überweisen, während die Kaufhauskette tiefer und tiefer im Schuldensumpf zu versinken droht. Entgegen seiner vollmundigen Versprechen hat er tausende von Mitarbeitern entlassen und verscherbelt, was sich nur irgendwie an den Mann bringen ließ, das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg, Oberpollinger in München und manches andere mehr. Wie er mit dem unrentablen Rest umgehen wird, kann man sich an fünf Fingern abzählen.

Das alles verrät nicht eben die feine englische Art, wohl wahr. Es entspricht nicht dem, was wir uns von einem ehrbaren Kaufmann erwarten. Nur hat er nicht gerade deshalb den Zuschlag im Bieterverfahren bekommen, wurde er nicht ausgewählt, weil er anders zu sein schien, anders als die übrigen Interessenten, diese ewigen Pfennigfuchser, die schon seinerzeit sagten, dass sie im Fall der Übernahme Personal entlassen und etliche Häuser schließen würden, um das Ganze zu retten? Was machte der smarte Berggruen dagegen für eine Figur, wenn er blumig erklärte: „Ich sehe mich heute als Arbeiter für Karstadt. Ich arbeite für Euch.“

Gerade weil er kein großes Aufhebens von den Zahlen machte, sich nicht im Klein-Klein der Bilanzen verlor, schlug der Phrasendrescher die Konkurrenten aus dem Feld. Überhaupt dieser coole Typ ohne festen Wohnsitz, ständig im Privatjet unterwegs, rund um die Welt von einem Luxushotel zum nächsten. Und dazu noch das jugendliche Aussehen, der dunkelblonde Strubbelkopf. Das war wie im Märchen, großes Kino, ganz nach dem Geschmack der Spaßgesellschaft.

Wer wollte da noch widerstehen, gar betriebswirtschaftliche Bedenken anmelden, um sich dann als Miesepeter vom Platz schicken zu lassen. Der Glaube an das Wunder brachte alle um den Verstand. Niemand mochte sich noch fragen, wie denn der Mann zu seinen Reichtum (laut Forbes beläuft sich sein Vermögen auf 1,9 Milliarden Dollar)  kommen konnte, wenn es ihm ein Herzensanliegen sein sollte, Millionen zu verschenken.

Wer immer konnte, drängte sich speichelleckend in die Nähe des Märchenprinzen, um ein bisschen vom Glanz des Heilsbringers abzubekommen, der Rechenkünstler Wolfgang Schäuble nicht anders als der schwatzhafte Altkanzler Helmut Schmidt. Hosianna-Rufe erschallten aus den Gewerkschaftszentralen wie aus den Ministerien, ganz zu schweigen von den Redaktionen. Alle wollten sie den „guten Hirten von Karstadt“ feiern. Für die ausgereifte Blondine Ursula von der Leyen, damals noch in der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Bundesministerin für Arbeit und Soziales, war der hübsche Nicolas gar „das Licht“, das ihr „den Weg gewiesen“ hat.

Wohin dieser Weg führte, wissen wir unterdessen. Der Investor ist um ein paar Millionen vermögender geworden und Karstadt der Pleite näher denn je gerückt. Wie es gekommen wäre, hätten sich wenigstens die Politiker aus dem Geschäft herausgehalten, statt sich als Steigbügelhalter eines Investors aufzuspielen, dem sie nicht gewachsen waren, wissen wir nicht. Ärger aber wäre es wohl kaum gekommen. Schließlich ist auch der Baukonzern Holzmann vor Jahren mit gesteigerten Verlusten vor die Hunde gegangen, nachdem sich Gerhard Schröder eingemischt hatte; auch Nokia musste 2008 in Bochum dichtmachen, nachdem sich Jürgen Rüttgers, der CDU-Mann im Amt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, als Retter aufgespielt hatte, um den politischen Rahm abzuschöpfen.

Nein, Nicolas Berggruen trifft nicht die Schuld, die man ihm jetzt in die Schuhe zu schieben versucht, jedenfalls nicht allein. Der Spekulant hat nur seinen Job gemacht, so gerissen und tricksend wie es in dem Gewerbe üblich ist. Dass er mit dem Warenhausgeschäft an sich nichts am Hut hatte, dass er davon nichts versteht, lag von Anfang an auf der Hand. Die, die ihn trotzdem populistisch auf den Schild hoben, indem sie ihn feierten wie eine Hollywood-Größe, müssen sich zumindest den Vorwurf der Hehlerei gefallen lassen. Sie haben mit dem Blender gemeinsame Sache gemacht, worüber kein Wort zu verlieren wäre, würden sie sich jetzt nicht als die arglistig Getäuschten aufspielen.

So aber ist die nächste Pleite schon vorprogrammiert. Weil sie nichts von der Sache verstehen, selbst als Aufschneider aufsteigen wollen, wird den Dilettanten der Spaßgesellschaft auch weiterhin jedes Schlitzohr willkommen sein, solange es ihnen nur das Blaue vom Himmel herunter verspricht. Ein Rest von Anstand verlangte daher, dass sie, Politiker wie Journalisten, jetzt wenigstens die Klappe hielten.

Nicolas Berggruen jedenfalls hat die Häme nicht verdient, mit dem sie ihm die eigene Blamage heimzahlen wollen. 

 

 

 

 

 

 

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Dipl.Kfm. Helge-Rainer Decke / 19.07.2014

Sehr geehrter Herr Rietzschel, lassen Sie sich von der Personalversammlung des Karstadt Konzerns einladen, lesen Sie den Angestellten das vor, was Sie hier dargelegt haben. Verbitterung, Enttäuschung, das alles wird Ihr “Beifall” sein. Die Schuld an dem Desaster den Vertretern der Administration mit anzulasten, ist gefällig und einfallslos. An den Übernahmeverhandlungen des Konzerns durch Berggruen waren Regierungsvertreter gar nicht beteiligt. Wenn jetzt versucht wird, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu helfen, von wem auch immer, dann ist das ein Gebot sozialen marktwirtschaftlichen Verhaltens. Was Sie implizit anbieten, ist nicht mehr als dem kapitalistischen Prinzip seinen Lauf zu lassen, wonach Gewinne kapitalisiert gehören, aber die Verluste zu sozialisieren sind.  Basta. So etwas spottet Ehrhards System von einer sozialen Marktwirtschaft Hohn. Gleichwohl, was stört es Berggruen hin oder eine andere Heuschrecke her. Die Angestellten im Konzern sind einem Menschen aufgesessen, der Böses wollte und Gutes für sich erntete. Insoweit liegen Sie richtig.

Susanne Sondergeld / 19.07.2014

Eigentlich hätten alle halbwegs Interessierten schon sehr frühzeitig wissen können, wie der Hase läuft. Immerhin hat das ZDF in seiner Reihe “ZDF zoom” bereits kurz nach Aufbranden des hysterischen Hosiana-Rufens eine äußerst aufschlußreiche Doku über den vermeintlichen Messias gesendet. Darin wurde recht dezidiert aufgezeigt, wie das System Berggruen, wie alle seiner Art, funktioniert: Der feine Herr “engagiert” sich einmal rund um den Globus in allen möglichen Sozialprojekten. Dabei werden die Anstrengungen gerade so weit betrieben, bis die versprochenen Steuergroschen (na ja, eigentlich sind es ja Millionen ;-) ) sicher bei Herrn Berggruen, genauer in einer seiner unzähligen, verzweigt angelegten Unternehmenskassen gelandet sind. Danach versanden die einstmals so vollmundig angekündigten und mit vermeintlichem Elan angefangenen Projekte auf mysteriöser Weise im Nirwana. Derweil fliegt das ergau…, nein natürlich erwirtschaftete Geld mit Herrn Berggruen auf nimmer Wiedersehen um die Welt. Auf zu neuen (Un-)Taten. Das Nachsehen haben die Steuerzahler vor Ort und natürlich alle diejenigen, die eigentlich in den Genuß dieser Steuergelder hätten kommen sollen: Ein türkisches Bergdorf, das nun doch keine neue Infrastruktur bekommt, eine amerikanische Kleinstadt, die die dringend benötigte Schule nun eben nicht bauen kann. Oder halt die Karstadtmitarbeiter, die dann jetzt, nach bangen Jahren Ungewißheit und Lohnverzicht, doch auf der Straße landen. Aber hey, so ist das Leben, mal schön den Ball flach halten und bitte dem Erlöser nicht so impertinent nachstellen, denn sonst bleibt die selbstlose Hilfsaktion das nächste Mal aus und ihr könnt schauen, wo ihr bleibt, kapiert?! Ja, ja, natürlich lassen wir uns aus Angst, es könnte noch viel schlimmer kommen, von den so selbstlos agierenden Rettern gerne noch ein wenig verhöhnen – ist so schön, wenn der Schmerz nachläßt und außerdem stehen wir ja auch immer völlig schutzlos da, denn unsere Politiker vertreiben sich die Zeit derweil auf Sektempfängen ebendieser Herrschaften … Ich, und sicher viele andere mit mir, frage mich, warum zum Geier ist ein derartig mieses System noch so weit legal, daß es Juristen offenbar kalt läßt und rückgradlose, speichelleckende Bücklinge aus der Politik nicht daran hindert, solche Menschen auch noch schamlos zu hofieren? Warum treibt Derartiges den ganzen Moralaposteln, die uns tagtäglich mit erhobenem Zeigefinger selbstgefällig darüber belehren, was sich gehört, nicht die Zornes- und Schamesröte ins Gesicht? Ist der Politbetrieb wirklich so ganz und gar verdorben, sind da wirklich keine oder kaum noch Ideale? Eine Mahnung an die Ehr- und Schamlosen: Frankreich 1789, sagt Euch das was? Falls dies Euer anvisiertes Ziel sein sollte, seid ihr auf einem “guten” Weg, wenn nicht sogar bereits auf der Zielgeraden!

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