Sehr geehrter Herr Rietzschel, lassen Sie sich von der Personalversammlung des Karstadt Konzerns einladen, lesen Sie den Angestellten das vor, was Sie hier dargelegt haben. Verbitterung, Enttäuschung, das alles wird Ihr “Beifall” sein. Die Schuld an dem Desaster den Vertretern der Administration mit anzulasten, ist gefällig und einfallslos. An den Übernahmeverhandlungen des Konzerns durch Berggruen waren Regierungsvertreter gar nicht beteiligt. Wenn jetzt versucht wird, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu helfen, von wem auch immer, dann ist das ein Gebot sozialen marktwirtschaftlichen Verhaltens. Was Sie implizit anbieten, ist nicht mehr als dem kapitalistischen Prinzip seinen Lauf zu lassen, wonach Gewinne kapitalisiert gehören, aber die Verluste zu sozialisieren sind. Basta. So etwas spottet Ehrhards System von einer sozialen Marktwirtschaft Hohn. Gleichwohl, was stört es Berggruen hin oder eine andere Heuschrecke her. Die Angestellten im Konzern sind einem Menschen aufgesessen, der Böses wollte und Gutes für sich erntete. Insoweit liegen Sie richtig.
Eigentlich hätten alle halbwegs Interessierten schon sehr frühzeitig wissen können, wie der Hase läuft. Immerhin hat das ZDF in seiner Reihe “ZDF zoom” bereits kurz nach Aufbranden des hysterischen Hosiana-Rufens eine äußerst aufschlußreiche Doku über den vermeintlichen Messias gesendet. Darin wurde recht dezidiert aufgezeigt, wie das System Berggruen, wie alle seiner Art, funktioniert: Der feine Herr “engagiert” sich einmal rund um den Globus in allen möglichen Sozialprojekten. Dabei werden die Anstrengungen gerade so weit betrieben, bis die versprochenen Steuergroschen (na ja, eigentlich sind es ja Millionen ;-) ) sicher bei Herrn Berggruen, genauer in einer seiner unzähligen, verzweigt angelegten Unternehmenskassen gelandet sind. Danach versanden die einstmals so vollmundig angekündigten und mit vermeintlichem Elan angefangenen Projekte auf mysteriöser Weise im Nirwana. Derweil fliegt das ergau…, nein natürlich erwirtschaftete Geld mit Herrn Berggruen auf nimmer Wiedersehen um die Welt. Auf zu neuen (Un-)Taten. Das Nachsehen haben die Steuerzahler vor Ort und natürlich alle diejenigen, die eigentlich in den Genuß dieser Steuergelder hätten kommen sollen: Ein türkisches Bergdorf, das nun doch keine neue Infrastruktur bekommt, eine amerikanische Kleinstadt, die die dringend benötigte Schule nun eben nicht bauen kann. Oder halt die Karstadtmitarbeiter, die dann jetzt, nach bangen Jahren Ungewißheit und Lohnverzicht, doch auf der Straße landen. Aber hey, so ist das Leben, mal schön den Ball flach halten und bitte dem Erlöser nicht so impertinent nachstellen, denn sonst bleibt die selbstlose Hilfsaktion das nächste Mal aus und ihr könnt schauen, wo ihr bleibt, kapiert?! Ja, ja, natürlich lassen wir uns aus Angst, es könnte noch viel schlimmer kommen, von den so selbstlos agierenden Rettern gerne noch ein wenig verhöhnen – ist so schön, wenn der Schmerz nachläßt und außerdem stehen wir ja auch immer völlig schutzlos da, denn unsere Politiker vertreiben sich die Zeit derweil auf Sektempfängen ebendieser Herrschaften … Ich, und sicher viele andere mit mir, frage mich, warum zum Geier ist ein derartig mieses System noch so weit legal, daß es Juristen offenbar kalt läßt und rückgradlose, speichelleckende Bücklinge aus der Politik nicht daran hindert, solche Menschen auch noch schamlos zu hofieren? Warum treibt Derartiges den ganzen Moralaposteln, die uns tagtäglich mit erhobenem Zeigefinger selbstgefällig darüber belehren, was sich gehört, nicht die Zornes- und Schamesröte ins Gesicht? Ist der Politbetrieb wirklich so ganz und gar verdorben, sind da wirklich keine oder kaum noch Ideale? Eine Mahnung an die Ehr- und Schamlosen: Frankreich 1789, sagt Euch das was? Falls dies Euer anvisiertes Ziel sein sollte, seid ihr auf einem “guten” Weg, wenn nicht sogar bereits auf der Zielgeraden!
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