Gunnar Heinsohn / 19.08.2013 / 11:32 / 11 / Seite ausdrucken

Wie blutig wird der Machtkampf in Ägypten?

Algerien keucht 1991, als Islamisten die Wahl gewinnen und das Militär sie annulliert, unter einem Bürgerkriegsindex von 7, wenn man die Relation zwischen 15-19-jährigen und 60-64-jährigen Männern misst. Ägypten hat beim Putsch der Generale 2013 einen Index von 3,5.  Deutschland steht aktuell bei 0,9. Auf 100 Positionsräumer folgen hier mithin nur 90 junge Positionssucher gegen 350 in Ägypten und 700 damals in Algerien (Zahlen aus esa.un.org,World Population Prospects: The 2012 Revision).

Im Jahrzehnt von 1990 bis 2000 kommen in Algerien fast 200.000 Menschen um, während die Bevölkerung von 25 auf 31 Millionen hochschnellt. Die Methode der Abschlachtung ganzer Dörfer, die außerhalb der Reichweite der Armee liegen, geht als Beitrag der algerischen Islamisten in das genozidale Instrumentarium ein.

Es ist aber nicht allein die Elimination der Härtesten und die Auswanderung der Beweglichsten, die Algeriens Gewalt auf ein Normalmaß zurückführt.  Folgenreicher wirkt der Fall der Kinderzahl pro Frauenleben von 7,6 im Jahre 1970, als die 20-jährigen Kämpfer von 1990 das Licht der Welt erblicken, auf unter 2,9 im Jahre 1995. Dieser Jahrgang erreicht 2013 das Soldatenalter von 18 Jahren. Gleichwohl erwartet niemand einen neuen Bürgerkrieg. Algerien beschränkt sich seit mehr als einem Jahrzehnt auf gelegentliche politische Morde. Dieser Rückgang in den Leichenhallen hat vor allem damit zu tun, dass neue Kämpfer schlicht nicht mehr geboren wurden.

Das Wissen um Ägyptens geringeren Bürgerkriegsindex kann die Erschütterung über die Toten von Kairo nicht mindern. Doch ist eine mit Blick auf Algerien genährte Angst berechtigt, dass wir vor einem zehnjährigen Krieg mit 600.000 Opfern unter Ägyptens dreimal so starker Bevölkerung stehen?

Die heute 20 Jahre alten ägyptischen Heißsporne kommen aus dem Jahrgang 1993 mit nur noch 3,7 Kindern pro Frauenleben (2012: 2,7). Nicht einmal mehr zwei Söhne, die es für das Wüten feindlicher Brüder schon braucht, wachsen in den Familien heran. Das ist weniger als die Hälfte der 7,6 aus dem algerischen Jahrgang 1970, der ab dem 1990er Putsch tötet.

Die jungen Ägypter hören die Worte von der Schönheit des Sterbens für Allah sehr wohl. Aber Sieg oder Heldentod sind für die Mehrheit nicht mehr die einzigen Optionen. Ägyptens islamistische Altaktivisten ähneln bereits den marxistischen Graubärten der kolumbianischen FARC vom Jahrgang 1955 (fast 7 Kinder pro Frau). Die räumen ihre Dschungel-Camps ohne einen Schuss weil aus dem Jahrgang 1993 mit nur noch 3 Kindern pro Frau fast niemand mehr für die Guerilla schwärmt.

Gunnar Heinsohn (*1943) lehrt u.a. Kriegsdemographie am NATO Defense College (NDC)  in Rom.

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Dipl.Kfm.Helge-Rainer Decke / 19.08.2013

Sehr geehrter Herr Professor, ich darf zitieren?: “Die heute 20 Jahre alten ägyptischen Heißsporne kommen aus dem Jahrgang 1993 mit nur noch 3,7 Kindern pro Frauenleben (2012: 2,7). Nicht einmal mehr zwei Söhne, die es für das Wüten feindlicher Brüder schon braucht, wachsen in den Familien heran. Das ist weniger als die Hälfte der 7,6 aus dem algerischen Jahrgang 1970, der ab dem 1990er Putsch tötet.” Ende des Zitats. Herr Professor, was wollen Sie uns als Fazit eigentlich rüber bringen? (Abgesehen davon, dass Sie einmal erklären sollten, wie ein 0,7 Kind per se physisch ausschaut. Ein Wissenschaftler darf nicht unreflektiert statistisches Material auswerten. Boing). Und nun meine “Exegese” zum Zitat. Ihrer Logik folgend, sollte abgewartet werden, bis sich der Geburtenrückgang auf nullkommanüscht, wie der Berliner sagen würde, reduziert hat. Dann gibt’s zum Morden keine “Heißen Sporne”. Entweder, Herr Professor, sind Sie, Pardon, etwas zerstreut, oder ein “sonderbarer Schwärmer”( Schiller, Don C….). Man könnte auch folgern, unsere Milchstraße wird einmal ein schwarzes Loch, und spätestens dann erledigt sich das Morden. Also abwarten und….. ! Freundliche Grüße, Helge-Rainer Decke, Jahrgang 1942

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