Wie bei Kafka: Im Visier von Polizei und Banken

„Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Mit diesem Satz beginnt der Roman „Der Prozess“ von Franz Kafka. Seine Häscher dürfen Josef K. nicht sagen, wofür sie ihn verhaften. Und sie beteuern, den Grund auch gar nicht zu kennen.

Immer öfter muss ich in diesen Tagen an Kafka denken. Vergangene Woche kam die Polizei in meine Wohnanlage, fragte nach mir, befragte den Hausmeister. Als ich am Samstag nach Moskau reiste, sagte mir der Beamte der Grenzpolizei am Berliner Flughafen, ich sei „ausgeschrieben“. Und offenbar „im Konflikt mit dem Gesetz“. Was mir bislang nie bewusst war. „Irgend etwas mit Verleumdung“, meinte er. Genaues sei nicht zu sehen.

Dann wurde ich aufgefordert, mich zu erklären, wo ich wohne. „An meinem Wohnsitz“, antwortete ich – und fügte lakonisch hinzu: „Den finden Sie auch auf meinem Personalausweis und in Ihrem Computer.“ Der Beamte war genauso verdutzt wie ich und schrieb sich auf, was ich ihm sagte. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ich weiter konnte. Bei der Rückkehr das gleiche Spiel.

Gott sei Dank bin ich nach 16 Jahren Moskau tiefenentspannt. Und so musste ich lachen, als nach der Ankunft in Berlin und dem Andocken am „Finger“ plötzlich alle Passagiere der Aeroflot-Maschine aufgefordert wurden, sich wieder hinzusetzen. Weil die Polizei in den Flieger müsse. Es folgte ein Greifkommando, das schnurstracks an mir vorbei in die hinteren Reihen lief und sich dort jemanden herauspickte. Wie in einem schlechten Film.

Bei der Grenzkontrolle alles von Neuem: „Sie sind ausgeschrieben.“ Wieder die Fragen nach der Adresse. Wieder die identische, lange Prozedur. Keinerlei Hinweis, was mir genau vorgeworfen wird. Worum es geht. „Das riecht nach Schikane, so ein Vorgehen“, meinte ein enger Verwandter und Rechtsanwalt, als ich ihm alles erzählte. Ein Freund mit DDR-Hintergrund fühlte sich an „Zersetzung“ erinnert.

Die zweite Bank hat das Konto gekündigt

Auf jeden Fall ist es ein Nervenkrieg. Nach 16 Jahren Russland habe ich Gott sei Dank stählerne Nerven. Und insofern sind Versuche, mich auf diese Art und Weise einzuschüchtern, eher lächerlich. Da habe ich Schlimmeres erlebt.

Und mir die goldene Regel angeeignet: Alle Angriffe solcher Art immer öffentlich zu machen. Wie etwa die Aussperrung aus dem Monetarisierungsprogramm von YouTube, das mich auch schon mehrfach sperrte und zensierte. Oder den Versuch einer mit staatlichen Mitteln geförderten Journalisten-Plattform im Winter, meiner Seite finanziell an den Kragen zu gehen und allen Seiten-Paten zu kündigen – weil ich „Missfallen errege“. Ich dachte immer, das sei die Aufgabe von Journalisten.

Aber Aufgaben werden heute neu verteilt. Etwa auch für Banken. Die helfen jetzt mit, ihre Kunden politisch auf Linie zu halten. Binnen weniger Wochen hat mir nun schon die zweite Bank das Konto gekündigt. Ohne Angabe von Gründen:

„Sehr geehrter Herr Reitschuster,

leider können wir uns zu konkreten Gründen nicht äußern.

Für Privatbanken gilt Vertragsfreiheit, so dass diese nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 675h BGB) sowie ergänzend nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine Kündigung unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist aussprechen können. Natürlich erfolgt dies nur in Einzelfällen. Auf die Hintergründe bzw. die individuellen Umstände einer solchen Entscheidung kann grundsätzlich nicht eingegangen werden. Wir können aber versichern, dass eine Kontokündigung niemals unbegründet oder leichtfertig ausgesprochen wird, sondern auf internen und/oder gesetzlichen Regularien beruht.

Mit freundlichen Grüßen

xxxx

ING-DiBa AG – Theodor-Heuss-Allee 2 – 60486 Frankfurt am Main

Bei der ING-Diba (Vorstandsberater: Peer Steinbrück/SPD) war ich mehr als zwanzig Jahre Kunde – ein guter Kunde, ohne jegliches Problem in den zwei Jahrzehnten. Auf meine Nachfrage, warum mir gekündigt wurde, kam die Antwort: „Auf die Hintergründe bzw. die individuellen Umstände einer solchen Entscheidung kann grundsätzlich nicht eingegangen werden. Wir können aber versichern, dass eine Kontokündigung niemals unbegründet oder leichtfertig ausgesprochen wird, sondern auf internen und/oder gesetzlichen Regularien beruht.“

Besonders pikant: Die ING-Diba präsentiert sich nach außen als Förderer des Journalismus, stiftet sogar einen Preis.

Die meisten trauen sich nicht, es öffentlich zu machen

Regelrecht putzig war die Antwort der Bank N26: „Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen können wir Ihnen hier leider („keine“ – das Wort fehlt im Original) Auskünfte über Konto oder Kontodaten geben. Grundsätzlich können wir als Bank aber eine ordentliche Kündigung für Konten ohne Angabe von Gründen und unter Einhaltung einer Frist von zwei Monaten aussprechen.“

Genial: N26 schützt meine Daten „aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen“ vor mir selbst. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen. Datenschutz neu gedacht. Ich dachte, dies sei ein Einzelfall. Doch als ich dann Kollegen davon erzählte, kam heraus: Reihenweise werden kritischen Journalisten, aber auch normalen Bürgern, die politisch aktiv sind und unsere Regierung kritisieren, die Bankkonten gekündigt.

Einfach so. Weil sie politisch nicht auf Kurs sind. Die meisten trauen sich nicht, es öffentlich zu machen. Um nicht als Opfer dazustehen. Oder aus Angst, dann gar kein Konto mehr zu bekommen. Im selbsternannten „besten Deutschland aller Zeiten“. Dessen Hosianna-Sänger keine Möglichkeit auslassen, um zu beteuern, wie gut es um die Meinungsfreiheit bestellt ist bei uns. Und um zu beteuern, dass alle, die eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sehen, böse Defätisten sind.

Berlins Verfassungsschutz erklärte heute als Begründung dafür, künftig „KenFM“ unter Beobachtung zu nehmen, es gebe einen „Informations-Guerillakampf“. Die politische Entfremdung werde von einem Teil der „alternativen Medien“ regelrecht geschürt, Vertrauen untergraben. Das ist DDR-Denke. Frei nach Tucholsky: Schuld an Missständen ist, wer über diese berichtet. Deutschland ist in 15 Jahren unter Angela Merkel weit gekommen. Beim Verrat von demokratischen Prinzipien und beim Abweichen von einem freiheitlichen System.

Ich nehme es mit Galgenhumor: Wenn schon ein kleiner Journalist wie ich ins Zielfernrohr der Mächtigen gerät, müssen die ziemlich auf den Hund gekommen sein. Wer so gegen Kritiker vorgeht, wird offenbar von purer Angst getrieben. Der Zerfallsprozess bei den Regierenden scheint sehr viel weiter fortgeschritten, als auf den ersten Blick erkennbar.

Nachtrag/PS:

Interessant sind die Reaktionen auf Twitter. Ein Rechtsanwalt von den Grünen will dort etwa wissen, dass ich mein Ing-Diba-Konto geschäftlich genutzt habe. Erstaunlich, dass er da besser als ich informiert ist. Das Konto wurde als reines Privatkonto genutzt. Aber manche Menschen handeln eben frei nach Hegel: Wenn die Tatsachen nicht zu meiner Ideologie passen – umso schlechter für die Tatsachen ;-)) Ich finde so viel Chuzpe wirklich faszinierend.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Boris Reitschuster.

Foto: B.Reitschuster

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Leserpost

netiquette:

Christian Saxinger / 29.05.2021

Kafka schrieb nur Bücher. Zwar auch inspiriert von seinen Erfahrungen im Leben, aber überwiegend die Darstellung innerer Seelenwelten.  Was der Reitschuster hier beschreibt, ist jedoch real, Zitat: “Doch als ich dann Kollegen davon erzählte, kam heraus: Reihenweise werden kritischen Journalisten, aber auch normalen Bürgern…...Bankkonten gekündigt.”  Wenn das so ist, dann ist es kein Zu- oder Einzelfall, sondern System. Und wenn es System ist…..Mehr braucht man nicht mehr schreiben, es kann sich jeder selbst zu Ende denken.

Roland Hübner / 29.05.2021

@ Siegfried Ulrich; Also lieber DDR.1 ?! Das Orginal ist doch immer besser! Dort hatte die Angela auch noch nicht ihre Finger im Spiel!

Hartmut Laun / 29.05.2021

Aufgrund vieler Kommentare, nicht nur hier, beschleicht mich ein Gefühl wie zu den Zeiten der Bundesrepublik und der DDR. Wo zu recht die Bundesrepublik für viele Bürger der Sowjetischen Besatzungszone als Zielland für Freiheit gesehen wurde. Für die Mehrzahl nicht erreichbar,  aber als stille Hoffnung eine Funktion, als ein Trost. Für wenige nach dem Mauerbau unter Inkaufnahme von Lebensgefahr dann doch gelungen. Das ist nun nicht mehr möglich, die Republikflucht weil…, ach nein, das weiß doch nun jeder der hier mitliest. Das neue Fluchtland scheint mir die Schweiz geworden zu sein. Nun heißt es abwarten wie das Zentralkomitee in Berlin, unter der Führung der Staatsratsvorsitzenden Merkel versuchen wird diese Fluchtbewegung zu stoppen gedenkt. Wie sie die Grenze zur Schweiz zu schließen und zu überwachen gewillt ist. Wie sie die Flüchtlinge mit Sanktionen treffen will (Enteignung, Rentenzahlungen, Kontensperrung), so deren Flucht zu bestrafen und die anderen in Lauerstellung abzuschrecken vorhat. Schaun wir mal.

Markus Knust / 29.05.2021

@A. Ostrovsky : Wenn man keine Ahnung hat, sollte man eventuell schweigen. Auch bemüht lustige anekdotische Verballhornungen verschleiern dies nämlich nicht.

Albert Pelka / 29.05.2021

Also, ich hab mich jetzt klar entschieden, freiwillig also, mein Bankonto zu behalten und dafür meine bisherigen Meinungen umgehend beim Verfassungschutz als nicht mehr von mir geteilt zu melden. mit Durchschlägen an Youtube, Spiegel, Einwohnermeldeamt und das Robert-Koch-Institut u.v.m,, schließlich will ich ja nicht unnützerweise bei all denen in Ungnade fallen, nur falls die Staatstsicherheitstellen schlampen und ihrer Mitteilungpflichten an die Privaten und halbstaatlichen Stellen nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Das hab ich schon am Freitag, als der Artikel bei Reitschüster erschienen war , gemacht, schließlich will ich doch gleich am Montag morgen einen größeren Betrag von meinem Konto abheben für ein schalldichtes und nicht-abhörbares Wohnzimmer im Sousterrain.

Leo Hohensee / 29.05.2021

@Jörg v. Paleske - Hallo Herr Paleske, Sie schreiben “(links können hier ja leider nicht angegeben werden)”. Geben Sie ruhig den Link ein, die Redaktion gibt doch immer Hinweise darauf, wie man den Link finden kann. Wenn Sie gar nichts angeben, besteht keine Chance, Ihrem Weg zu folgen. beste Grüße (Anm. d. Red.: Die Redaktion ist i.d.R. leider zeitlich nicht in der Lage, bei geposteten Links Hinweise zu geben. Darum bitte in diesem Fall immer selbst die Google-Suchworte für die Quelle angeben. Kommentare, die Links enthalten, werden lt. Netiquette von achgut nicht veröffentlicht.)

P. Wedder / 29.05.2021

Der Schock sitzt tief…mir fehlen gerade die Worte.

Andreas Rochow / 29.05.2021

Es ist schon grotesk, wie in der Bundeskanzler-Wagenburg zu Berlin Fragen - nur Fragen! - eines “kleinen Journalisten” die ganze Bagage in Angst und Schrecken versetzen können. Auch die Würde des Menschen steht in Merkel-D zur Disposition, das scheinen selbst die Journalistenverbände O.K. zu finden. Die Neue Deutsche Medienmacherin ist migrantisch, unweiß, divers und, wie sich das gehört, linksgrün und kämpft in der globalistischen Kulturrevolution auf der Seite der Großen Spaltungs-Vorreiterin. Ohne Rücksicht auf Verluste! Fragen stellt sie nicht. Frisurtechnisch könnte Reitschuster ein Zeichen des guten Willens setzen und sich einen hennafarbenen dauererigierten Heiligenschein zulegen. Das könnte Helfen. Gott sei Dank hat er andere Qualitäten und solche Werbeartefakte nicht nötig. Ich protestiere gegen das schäbige Verhalten der IngDIBA und verbinde das mit der Vermutung, dass die für das Abarbeiten einer schwarzen Liste sogar Geld einstreicht oder zumindest Bonuspunkte bei Herrn Scholz und seiner Bafin sammelt.

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