Quentin Quencher / 13.05.2020 / 17:00 / 19 / Seite ausdrucken

Wie aus Idealismus Totalitarismus wird

Immer, wenn etwas als große Aufgabe für Gemeinschaften erklärt wird, völlig egal, worum es geht, Klimawandel oder Corona beispielsweise, ist das mit Toleranz- und Demokratieverlust verbunden; denn der Kampf gegen das erklärte Problem, die erkannte Bedrohung, kann nur wirksam geschehen, wenn alle sich daran beteiligen. Tun das nicht alle, sind alle Bemühungen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Kämpfer gegen die Bedrohung – völlig egal, ob die real oder nur imaginär sind – können Abweichler nicht dulden, diese müssen zur Not mit Gewalt gezwungen werden, beim erklärten Krieg mitzumachen. Nur wenn die Gemeinschaft geschlossen und vollzählig den Kampf aufnimmt, hat sie eine Aussicht auf Erfolg. Pluralität und Meinungsfreiheit wird in solchen Zeiten bereits als Gefahr wahrgenommen.

Den Kämpfern für die Rettung der Welt ist allerdings sehr bewusst, dass es unrealistisch ist, anzunehmen, eine Gesellschaft würde sich vollzählig und freiwillig ihrem Kampf anschließen, so naiv sind sie dann doch wieder nicht. Also bleibt nur der Ausweg über die Machtausübung, um diejenigen, die beim Kampf nicht mitmachen möchten, sei es aus Gleichgültigkeit oder weil sie andere Überzeugungen haben, dazu zu zwingen. Große Aufgaben haben daher immer etwas Totalitäres, denn ohne die Macht, alle Mitglieder einer Gemeinschaft – von der Dorfgemeinschaft über die Nation bis hin zur Weltgemeinschaft – zum Mitmachen zwingen zu können, werden sie scheitern. Auch das wissen sie, diese Weltenretter, daher geht es ihnen immer mehr um die Macht als um Werbung für ihre Sache. Nur wenn sie in der Minderheit sind, sie die Möglichkeit der Machtausübungen noch nicht haben, steht die Überzeugungsarbeit im Vordergrund, dabei immer das Toleranzgebot einer demokratischen Gesellschaft ausnutzend. Haben sie aber dann die Macht, brechen schwere Zeiten eben für Toleranz und Demokratie an.

Jedem Idealismus ist diese Bedrohung der Demokratie inhärent, weshalb ich allen großen Menschheitsaufgaben höchst skeptisch gegenüberstehe.

Beitrag auch auf Quentin Quenchers Blog „Glitzerwasser“ erschienen.

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Leserpost

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Jürgen Müller / 13.05.2020

Ideale und das sich im Besitz der “einzigen” Wahrheit Wähnen, hatten und haben den Verbrechern aller Schattierungen stets das gute Gewissen geliefert und werden es ihnen weiter liefern, solange man uns die Fähigkeit zur Differenzierung zu entziehen sucht und wir uns diese entziehen lassen.

Thomas Taterka / 13.05.2020

Einer der großartigsten Amerikaner war der radikal-freundliche Idealist John Muir. Der hat , zusammen mit anderen, einen Gedanken in die Welt gesetzt, ohne den die USA heute nichts weiter wären als ein Geschäftsbezirk mit Agrarfläche, Ziergarten und Freizeitpark mit Grossparkplatz . Für manche Wunder dieser Welt braucht es grosse Pläne und zähen Idealismus im Bewahren. Muir war allerdings nicht größenwahnsinnig, er wollte nur die Wildnis schützen , nicht den Planeten und nicht das Klima. Ich glaube, alle naturliebenden Amerikaner sind ihm heute dankbar. Es wäre alles längst weg ohne ihn.

Hans-Joachim Stern / 13.05.2020

Wie meinte Frau Merkel Anfang des Jahres in Davos: “Demokratien haben die Aufgabe, den einzelnen Menschen mitzunehmen und ihn für etwas zu begeistern.“ So sind Diktaturen doch eigentlich total demokratisch, oder?

A. Ostrovsky / 13.05.2020

Man kann die Situation verschieden deuten. Aus dem Blickwinkel, der Pflichten und Rechte, stelle ich fest, dass die staatlichen Aufgaben der Bevorratung von Schutz- und Hilfsmaterialien für den Katastrophenfall völlig versäumt wurde. Das Volk, der angebliche Souverän, hatte leider nicht die Macht, den Staat zu zwingen. Im Vorfeld der Ereignisse, etwa ab 2013, spätestens ab dem Event201 im Herbst 2019, hätten die für Gesundheit und für Katastrophenabwehr zuständigen Strukturen des Staates ein IT-System zur fehlerfreien Erfassung der Krankheitsereignisse, eventuell des anonymisierten Krankheitsverlaufs, mindestens aber die Todesfälle oder Genesung (als Ende der Erkrankung) aufbauen müssen. Zur richtigen Bewertung der Ausbreitung einer Seuche ist es unverzichtbar, nicht nur die positiven Tests, sondern auch die mit negativem Befund zu erfassen, anonymisiert, aber mit Ort und exakter Zeit der Probennahme. Das ist nicht erfolgt. Der Souverän hatte keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Datenerfassung. Es wird versucht, uns die “Tracing-App” als Maßnahme auf der Höhe der Technologie weiszumachen. FALSCH! Stand der Technologie beinhaltet die Festlegung eines Formulars der zur Meldung zu verwendenden Daten, wie Ort, Zeitstempel des Tests bzw. Zeitpunkt der Feststellung der Genesung bzw. Todeszeitpunkt, Testergebnisse pos/neg, sowie meldender Arzt/Klinik/Amt, sowie verschlüsselte Übertragung und Online-Buchung der Daten. Jeder Meldung ist eine automatisch berechnete eindeutige Kennung zu geben, um Doppelmeldungen bei Übertragungsfehlern zu vermeiden und eine Bestätigung an den meldenden Arzt. Eine Automatisierung und die Festlegung der relevanten Zeitstempel hätte die WE-Lücke vermieden, die zur Unbrauchbarkeit der Daten führt. Die Auswertung der Fälle nach Ort, Landkreis, Bundesland, Datum und Fall (Test+, Test-, Tod, Genesung) online für berechtigte Fachleute (Login) muss möglich sein! Dazu fehlte UNS die Macht!

Thor Neumann / 13.05.2020

@Marc Blenk: Sehr wahr! Bei “Abholen” und “Mitnehmen” kommen einem ganz bedrückende Gedanken und für einige auch Erinnerungen hoch. Die Nazis haben auch die Juden “abgeholt” und ‘mitgenommen”, ebenso wie es die Stasi mit den “Abweichlern” gemacht hat. Wie wäre es denn mal mit “die Leute ÜBERZEUGEN”?, am besten durch Taten. Es zieht ein gewaltiges Unwetter auf. Die Meisten merken es noch nicht… Schönen Tag trotzdem.

Werner Arning / 13.05.2020

Idealisten sind gefährlich. Vor allem wenn sie ihr Ideal als absolut verstanden wissen wollen. Wer Andere beglücken will, verfällt leicht ins Autoritäre. Idealisten wollen stets das Gute. Sie glauben erkannt zu haben, worin das Gute besteht. Und mit Enthusiasmus gehen sie zu Werke. Sie möchten retten. Menschen, Tiere, Natur, Luft, Erde, nichts und niemand ist vor ihnen sicher. Wer sich von ihnen nicht retten lassen will, den verachten sie. Mitunter töten sie ihn auch. Deshalb, nehmt euch in acht vor den Idealisten.

Marc Blenk / 13.05.2020

Lieber Herr Quencher, daher auch dieser totalitäre Sprech wie ‘wir müssen die Leute abholen’ ‘wir müssen sie mitnehmen’. Abholen und mitnehmen also will man uns. Ich bin aber kein Tramper und fahre lieber selbst. In Deutschland hat sich politkulturell nie wirklich die in der Verfassung gegebene Grundregel durchgesetzt, dass der einzelne Bürger der Souverän ist welcher bestimmt und der seine Macht nur den Politikern auf Zeit verleiht. Hierzulande gilt der längst in andere Regionen entfleuchten Elite der Bürger nur als ein schwer erziehbares Kind, das man (obwohl die Eliten ganz bestimmt nicht mit höheren Fähigkeiten versehen sind) formen und anleiten zu müssen meint. Zur Zeit wird der Ton wieder einmal strenger und es dominiert zum wiederholten mal die schwarze Pädagogik.  Im Umgang mit dem ‚Souverän‘ wohlgemerkt, nicht mit den Schülern. Die formt man mit subtileren Mitteln.  Mitnehmen also will man uns, zu höheren Zielen in höheren Sphären, notfalls mit Gewalt, versteht sich. Die Spirale die ins Totalitäre führt, ist schon lange in Gang. Damit es was wird mit den hehren Ideen bedarf es dann logischerweise auch eines neuen Menschen, der, wie gesagt, erzogen werden muss, um auch den idealistischen Ansprüchen der selbsternannten Elite gerecht zu werden. So war das bei den Nazis, so war das bei den Kommunisten und so ist das heute eben wieder in Deutschland.

Volker Kleinophorst / 13.05.2020

Wer für die „Menschheit“ einsetzt, ist grundsätzlich verdächtig. Denn ein Mandat der „Menschheit“ hat ja niemand dieser Totalitaristen im Gutmenschenmantel jemals eingeholt.

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