Marcus Ermler / 27.01.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 52 / Seite ausdrucken

Wider die Verharmlosung des Nationalsozialismus

„Im Jahre 2020 Nazis Nazis zu nennen, ist keine Verharmlosung der Shoah oder der Weltkriegsverbrechen. Nazis waren auch 1920 schon Nazis, vor Shoah und Weltkriegsverbrechen, und sie sind es auch danach noch“, schrieb der ehemalige „Elektrische Reporter“ von ZDFInfo und heutige Drehbuchautor der Krimireihe „Wilsberg“, Mario Sixtus, am 24. Januar 2021 auf Twitter.

Und in der Tat, es gibt sie heute noch: die unbelehrbaren Ewiggestrigen, die nicht nur der nationalsozialistischen Rassenideologie und ihrem immanenten Vernichtungsantisemitismus anhängen, sondern mehr noch diese totalitäre Menschenverachtung nunmehr vordringlich auf die Heimstatt jüdischen Lebens projizieren, um diese zu verleumden, zu delegitimieren und schlussendlich zu zerstören.

So schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem „Lagebild Antisemitismus“ vom August 2020, dass die neonazistische NPD „das Existenzrecht Israels verneint und den jüdischen Staat diffamiert“. Die NPD-Jugendorganisation publizierte gar ein Grundsatzpapier, das Israel zum „Feind aller Völker“ erklärt. Die neonazistische Kleinpartei „Der III.Weg“ indes sieht Israel als „Terrorstaat“ und „zionistisches Geschwür im Nahen Osten“. 

Die antisemitische Grundhaltung der neonazistischen Partei „DIE RECHTE“ zeige sich eindrücklich in ihren Wahlplakaten. Wie in demjenigen, mit dem Slogan „Israel ist unser Unglück“, der „die aus dem 19. Jahrhundert stammende und seit 1927 auf jeder Titelseite des antisemitischen NS-Hetzblatts ‚Der Stürmer‘ abgedruckte Losung ‚Die Juden sind unser Unglück‘“ aufgriff.

Ali Khamenei propagiert seine Endlösung der Judenfrage

Schaut man über die Grenzen Deutschlands hinaus, findet man ebenso den faschistischen Judenhass von gestern, nun in seiner modernen Übersetzung, die heute den Staat Israel und alles jüdische Leben darin angreift und vernichten will.

Man denke nur an das umma-sozialistische Mullah-Regime im Iran, dessen oberster Führer Ali Khamenei erst im Mai 2020 ein antisemitisches Plakat online stellte, welches ein „freies“ Palästina ohne Juden abbildet und sogar den Nazi-Euphemismus „Endlösung“ aufgreift, wie es der Nahost-Thinktank Mena-Watch dokumentierte.

Oder man denke auch an die faschistische Hamas, die sich nicht nur auf die „Protokolle der Weisen von Zion“ beruft, sondern die sich in Artikel 7 ihrer Charta die Judenvernichtung wie ihr offenkundiges Vorbild, das NS-Regime, auch selbst zum Ziel gesetzt hat:

Die Stunde wird kommen, da die Muslime gegen die Juden solange kämpfen und sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken. Doch die Bäume und Steine werden sprechen: ‚Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!‘ Nur der Gharkad-Baum wird dies nicht tun, denn er ist ein Baum der Juden.“

Eine ungeheuerliche Verharmlosung des NS-Terrorstaats

Nun ist jedoch die Frage: Wen meint Mario Sixtus mit seinem Tweet eigentlich? Die oben genannten Judenhasser?

Wenige Stunden zuvor verbreitete der reichweitenstarke Sixtus einen Tweet eines anderen Accounts, der in Richtung der Journalistin Anna Dobler, die u.a. bereits für die WELT, BILD und den Focus geschrieben hat, äußerte, „Nazideutschland [sei] einfach weiterhin realistisch[,] solange es Menschen wie Anna Dobler gibt, die als erste mitmarschieren würden und Menschen nach ihrer Ideologie kategorisieren würde[n]“; und Doblers vermeintliche „Ideologie“ dabei so umriss: „Er ist Gläubiger Christ, er muss nicht ins KZ“. 

Man braucht nicht lange darüber zu diskutieren: Diese Aussagen sind eine ungeheuerliche Verharmlosung des NS-Terrorstaats, seiner industriellen Todesmaschinerie von Auschwitz und Treblinka, seines Generalplans Ost oder auch seiner Aktion T4. Wer von Doblers Tweets (hier dokumentiert) über einen in Deutschland erfolgreich angekommenen christlichen Flüchtling aus dem Iran eine direkte Linie zu den Konzentrationslagern („Er ist Gläubiger Christ, er muss nicht ins KZ“) zieht, bagatellisiert jedes KZ-Opfer, banalisiert jeden Mord in den Gaskammern von Auschwitz.

Doch dieser Vorfall ist kein Einzelfall. Auch Anabel Schunke, eine Autorin von Achgut.com ist von solch einer Nazi-Etikettierung betroffen: Schunke, die von „Quattromilf“ – einer ebenso reichweitenstarken Twitterprominenten wie Sixtus – als Nazi tituliert worden ist (hier sowie hier ihre Bestätigung, dass sie sich auf Anabel Schunke bezieht). Vollständig schrieb die „Quattromilf“ über eine geplante Teilnahme Schunkes an einer Online-Diskussion mittels der neuen „Clubhouse“-App:

Entschuldigung, aber habe ich es richtig verstanden und man ist bereit mit Nazis im Clubhouse zu reden? Als hätten die etwas beizusteuern, was man nicht seit 1933 schon hört? Was genau habt ihr an ‚MIT NAZIS REDET MAN NICHT‘ nicht verstanden? OB IHR DUMME ARSCHLÖCHER SEID?! [Textpassagen in Versalschrift aus dem Original so übernommen, Anm. des Autors]“

NS-Relativierung pünktlich zum Jahrestag der Wannseekonferenz

Der ahistorische Wahnwitz an dieser Geschichte: Treffen kann es dabei prinzipiell jeden. Liberale, Libertäre, Linke, Antideutsche, Ideologiekritiker, sogar israelische und deutsche Juden. Wer es tatsächlich schafft, Juden als Neofaschisten oder Rechtsextremisten zu klassifizieren, wie dieser geschichtsvergessene Twitter-„Antifaschist“, der relativiert den Nationalsozialismus in einer unheilschwangeren Verschwörungsphantasie maximal.

Pünktlich zum 79. Jahrestag der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942, deren Teilnehmer aus Reichsministerien und SS-Behörden ihre Zusammenarbeit in der geplanten Deportation und Ermordung der europäischen Juden besprachen – von den Nazis euphemistisch als „Endlösung der Judenfrage“ bezeichnet –, wird entweder das Sterben und Leid der Opfer banalisiert oder, in einer spezifischen Ausprägung des Schuldabwehr-Antisemitismus, werden die Opfer selbst zu NS-Tätern erklärt.

Doch zurück zu Sixtus und der „Quattromilf“. Warum beide jeweils solch eine Relativierung des nationalsozialistischen Terrors verbreiten, bleibt ihr Geheimnis. Sixtus' oben referenzierte Rechtfertigung macht es nicht besser. Natürlich sind Nazis Nazis. Das ist eine tautologische Aussage. Doch Journalisten, Kritiker und jede abweichende Meinung mit dem Prädikat „Nazi“ zu versehen, führt letztlich dazu, was Henryk M. Broder einst so beschrieb:

[W]enn die alle Nazis und Faschisten sind, was waren dann die Nazis, die von 1933 bis 1945 Deutschland regiert und halb Europa verwüstet haben? Das ist die Frage der Fragen, die im Hintergrund wabert. Und die Antwort lautet: Eine ziemlich harmlose Truppe. So wird das Dritte Reich bagatellisiert, tatsächlich zu einem ‚Vogelschiss‘ runtergestuft. Opa und Oma werden rehabilitiert, der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt.“

Foto: Pixabay

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Andy Malinski / 27.01.2021

@Ellen Vincent Es steht Ihnen frei, anzuzeigen oder selbst zu klagen. Nur hat man immer häufiger das Problem, an Richter zu geraten, die ihren Ermessens- und Interpretationsspielraum sehr weit und sehr einseitig auslegen. Beispiele dafür gibt es mittlerweile zuhauf. Eine neue Qualität sind die offiziellen Reaktionen auf Hinweise einer fehlerhaften Wahldurchführung/gezielter Wahlmanipulation in den USA: Intensive Ignoranz. Diese Blaupause ist hierzulande bereits praktiziert, denn auch die richterliche Feststellung eines “teilweise rechtlosen Zustandes” hat keine Folgen für die Verursacher.

giesemann gerhard / 27.01.2021

@rei svager: Der jüdischen Kultusgemeinde ist das genauso egal wie es den Christen/Rom egal ist, wenn Moslems Christen verfolgen und töten. Oder haben die allesamt schon so viel Schiss vor denen? Kann aber auch sein, dass man so dem Moslem die Chance geben will, sich zu outen ... . Warum haben die Alliierten die Bahnschienen nach Auschwitz nicht bombardiert? - bei ihrer Lufthoheit wäre das möglich gewesen und zumindest die Engländer wussten genau, was dort geschieht. Frei nach dem Motto: Why should we make them better than they are? Mag zynisch klingen, ist es auch.

giesemann gerhard / 27.01.2021

@Franz Klar: Wenn es nur beim Verbalen bliebe. Tatsächlich importieren wir hemmungslos fremden Faschismus ins Land. Die einzige Partei, die dagegen hält,  ist die AfD - die letzte AntiFa!  Hoffentlich kriegt die nicht spitz, dass da ja alte Nazi-Freunde kommen ... . Dann gibt es gar kein Halten mehr. Dann verfallen wir dem Großmufti postum.

Charles Brûler / 27.01.2021

Ich frage mich immer wieder, wie man die Verbrechen der Nationalsozialisten und Adolf Hitler vermitteln kann, ohne dass Leute wie Mario Sixtus die grausamen Ereignisse in ihrem Wahn begeistert aufgreifen und für ihre Selbstdarstellung und ihre Zufriedenheit zu nutzen versuchen.

Werner Arning / 27.01.2021

Meist sind es solche, die sich wenig bis gar nicht mit dem Nationalsozialismus befasst haben, solche die Geschichte nur am Rande gestreift haben, die zu derartigen Urteilen kommen. Sie wissen nicht, wovon sie reden. Sie reden bedeutungsvoll in die Gegend hinein und erfassen doch nichts. Und dann kommen eben Vergleiche zustande, die jeden, der sich mit dem Nationalsozialismus und mit Geschichte im Allgemeinen befasst hat, erschaudern lassen. Frau Schunke, nehmen Sie es nicht persönlich. In den Augen dieser Leute sind wir Leser der Achse alle Nazis.

Zeller Hermann / 27.01.2021

Bei dem Thema herrscht viel Verwirrung und Unkenntnis. Ich empfehle Sebastian Haffner : Anmerkungen zu Hitler zu lesen. F-Befehl 18/19 März 45. Die Lebensgrundlagen des deutschen Volkes vernichten.  Wahn und Hass führen in den Tod. Denn sie wissen nicht was sie tun. Die dümmsten sind die schlimmsten. Wer ist der nächste wenn die bösen xxxxxx ausgerottet sind.? Das Thema ist so aufgeheizt dass ein sachlicher Diskurs ohne Missverständnisse kaum möglich ist.

George Samsonis / 27.01.2021

Ist ein Parteibuch bei SPD, den GRÜNEN oder der SED-Nachfolgepartei Die Linke so etwas wie ein Persilschein?!

E Ekat / 27.01.2021

Die Deutschen müssten sich aus der Fesselung befreien können, welche man ihnen durch die Instraumentalisierung des Nationalsozialismus umlegt. Ich gebe zu, daß es für eine Befreiung kein mit bekanntes Rezept gibt. Ich weiß, das der derzeitige Mißbrauch des Nationalsozialismus in seiner Zielsetzung leicht durchschaubar und schäbig ist, diesen und seine Untaten instrumentalisiert, um Menschen zu lähmen, zu stigmatisieren, Dinge werden dadurch durchführbar, die ansonsten nicht akzeptiert würden. Wir werden uns nicht aus dieser uns aufgezwungenen Duldungsstarre befreien können. Aber wir werden uns irgendwann fragen, und auch erfahren, welches Wissen, welche, und von wem stammende Technik da auf uns angewendet wird. Es ist wohl nicht nur die Kaderschmiede aus Moskau. Deutschland fällt damit aus, die Integration Europas unterstützen zu können. Eine Unterstützung wäre allenfalls darin zu sehen, daß ein starkes Deutschland geschwächt werden soll, um Europa besser formen zu können.  Damit werden jedoch alle nicht durch unsere deutsche Geschichte zu stigmatisierenden Völker ihrer wachsenden Unzufriedenheit freien Lauf geben können. Sie werden Deutschland zwar verantwortlich machen, aber davon werden sie nicht satt werden.  Der Mißbrauch des Nationalsozialismus gegenüber den Deutschen könnte einen vergleichbar hohen Schaden nach sich ziehen, wie jener, den bereits der Nationalsozialismus. angerichtet hatte.  Sowas geht nicht gut aus.

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