Der Konzern Dow Chemical überlegt, wichtige Chemie-Werke in der Region um Halle und Leipzig stillzulegen. Als Gründe gelten vor allem die hohen deutschen Energiepreise und die unberechenbare EU-Chemikalienpolitik.
Der größte US-Chemiekonzern Dow Chemical prüft die Zukunft weiterer Produktionsanlagen in Deutschland, meldet handelsblatt.com. Im vergangenen Herbst habe der größte US-Chemiekonzern bereits mehrere Anlagen des Kunststoffgeschäfts in Deutschland zur Disposition gestellt. Nun drohe der zentralen Großanlage für den Dow-Verbund in Ostdeutschland das Aus, wie das Unternehmen bei der Vorlage der Quartalszahlen mitgeteilt habe.
Dabei gehe es um einen sogenannten Cracker, der als „Herzstück“ einer integrierten Chemieproduktion gelte. In solchen Anlagen werde Rohbenzin unter großem Energieeinsatz in Vorprodukte für Kunststoffe und andere Chemikalien umgewandelt. Auch BASF betreibe mehrere Cracker an seinen großen Verbundstandorten wie Ludwigshafen.
Dow besitze im sächsischen Böhlen südlich von Leipzig eine solche Großanlage. Deren Erzeugnisse würden in den umliegenden Standorten des Konzerns weiterverarbeitet, u.a. in den Werken in Schkopau und Leuna – allesamt Standorte in der Chemie-Region zwischen Halle und Leipzig. Für den US-Konzern gelte diese als Zentrum seiner Produktion in Deutschland mit bundesweit rund 3600 Beschäftigten. Dow hatte die ehemaligen DDR-Chemiekombinate vor 30 Jahren übernommen und danach zu modernen Produktionsstätten umgebaut.
Neben dem Cracker prüfe Dow auch die Zukunft für die ebenfalls bedeutenden Chloralkali- und Vinylanlagen in Schkopau, berichtet handelsblatt.com weiter. Im Raum stehe bei allen Produktionen eine vorübergehende Stilllegung oder sogar die komplette Schließung.
Seit Längerem würden die Marktbedingungen in Deutschland einen profitablen Betrieb von derart energieintensiven Anlagen nur schwer möglich machen, heiße es bei Dow. Chemische Basisanlagen würden mit großen Mengen Erdgas betrieben, das in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden ist. Zudem habe die anhaltende Konjunkturschwäche in Europas Grundchemie zu hohen Überkapazitäten geführt.
Ein weiterer Grund für eventuelle Schließungspläne sei die „mangelnde Vorhersehbarkeit durch zunehmende regulatorische Belastungen“, wie der Konzern mitgeteilt hätte. Gemeint sei damit die Chemikalienpolitik der EU-Kommission.
Und wie sind die ersten Reaktionen aus der betroffenen Region? Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze räumte ein, dass die Situation für die chemische Industrie in Deutschland „herausfordernd“ wäre, berichtet der MDR. Der CDU-Politiker habe gegenüber dem Sender zugegeben, dass derzeit die Grundlage, erfolgreich wirtschaften zu können fehle. Sobald die neue Bundesregierung im Amt sei, müsse die Thematik wieder an erster Stelle platziert werden.
Schulze habe betont, dass über die Zukunft der Standorte noch nicht final entschieden worden wäre. Man stehe als Landesregierung mit Dow Chemical in Kontakt. Wie es weitergehe und ob möglicherweise Standorte geschlossen oder reduziert würden, stehe demnach noch nicht fest. Die Lage sei aber ernst, sagte Schulze. Bis Mitte 2025 wolle das Management über die Zukunft aller betroffenen Anlagen in Deutschland entscheiden.