Volker Seitz / 01.12.2021 / 14:00 / Foto: Pixabay / 60 / Seite ausdrucken

WHO: Afrika schon seit Monaten von Corona am wenigsten betroffen 

Fast zwei Jahre nach Ausbruch von Covid 19 sind die in der westlichen Welt ausgemalten düsteren Szenarien auf dem afrikanischen Kontinent nicht eingetreten, und dies trotz des weitgehend fehlenden flächendeckenden Zugangs zur Basisgesundheitsversorgung. 

Trotz der erneuten weltweiten Panik sind die mit der vermeintlich hoch gefährlichen Coronavirus-Variante Omikron infizierten Menschen in Südafrika nach Angaben der dortigen Mediziner-Vereinigung (SAMA) bislang nicht schwer erkrankt. Die Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands, Angélique Coetzee, sagte der BBC, dass die bisher in ihrem Land festgestellten Fälle nicht schwerwiegend seien. Allerdings seien die Untersuchungen zu dieser Variante noch in einem sehr frühen Stadium. Während südafrikanische Mediziner die Datenlage für zu schwach ansehen, sich deshalb zurückhaltend äußern und abwarten wollen, spekuliert der Politiker und „Gesundheitsexperte" Lauterbach: „Die Daten aus Pretoria sind alarmierend. Innerhalb weniger Tage ist die Virusmenge im Abwasser dort ,explodiert.'“ 

Warnungen, dass sich die Pandemie in Afrika wegen der schlechten Gesundheitsfürsorge und den hygienischen Zuständen in Slums rasch ausbreiten könnte, haben sich nicht bewahrheitet. Und die „Afrikaexperten" unter den Virologen und Entwicklungspolitikern wundern sich. Wenn die voreilig vorausgesagten Horrorszenarien mit Leichenbergen auf Afrikas Straßen nicht eintreten (siehe hier), wird dies in deutschen Medien nicht berichtet. Kein deutscher Journalist hatte diese Panikmache kritisch beleuchtet. 

Wie so oft werden immer noch aus dem vordergründigen Motiv, das eigene Budget aufzustocken, Horrorszenarien ausgemalt und von den Medien unkritisch verbreitet. Afrika brauche mehr Hilfe, mehr Finanzmittel müssten fließen, damit der Kontinent die Corona-Krise in den Griff bekomme. „Wir“ sollten mehr Verantwortung und Solidarität zeigen, denn der Kontinent sei nicht in der Lage, von sich aus der Ausbreitung des Virus Herr zu werden. Was der Kontinent nicht braucht, sind autoritäre Anflüge von europäischen Besserwissern. 

Infektionsgeschehen deutlich harmloser als in anderen Teilen der Welt

Die Katastrophenlage ist nicht eingetreten. Das Infektionsgeschehen ist deutlich harmloser als in anderen Teilen der Welt. Dazu passen auch punktuelle Eindrücke von Freunden und Bekannten, die ich aus West-, Zentral- und Ostafrika vermittelt erhalte. Afrikaner haben ein sehr natürliches Verhältnis zur Krankheit und spüren intuitiv, ob und welche Gefahr Corona darstellt (bei Ebola war die Haltung ganz anders). Man lebt entsprechend und die Leute sind vertrauensvoll zusammen. Afrikaner erzählen mir, dass sie derweil mit großer Sorge sehen, was in der nördlichen Hemisphäre geschieht. 

Simbabwe hatte – wie die Nachrichtenagentur AP schreibt – Mitte November 2021 nur 33 neue Infektionen und keinen einzigen neuen Todesfall gemeldet. Auch der Bericht aus Lagos des Afrikakorrespondenten der NZZ, Samuel Misteli (NZZ-Online vom 13.3.21) gibt Anlass zu Zweifeln, dass in Afrika viele mit einer Corona-Erkrankung in Verbindung stehende Todesfälle übersehen wurden. Er berichtet vom „afrikanischen Paradox“. Nigeria, ein Land mit mehr als 200 Millionen Einwohnern, weist offiziell knapp 2.000 Covid-Tote aus (Stand März 2021). Heute, November 2021: 2974 Tote bei einer Impfquote – vollständig – von 1,56 %. Auch in Afrika weiß man inzwischen, dass die Impfung nicht vor einer Infektion und vor der Weitergabe des Virus schützt. 

Angst als Herrschaftsform nicht so wichtig

Wahrscheinlich testen afrikanische Regierungen weniger und ändern nicht alle paar Wochen die Bezugsgrößen der Statistik. Und Angst als Herrschaftsform auszuüben, ist für die Regierungen nicht wichtig, da die Leute sie sowieso fürchten. 

Viele Afrikaner – besonders auf dem Land – kämpfen darum, für sich und ihre Familie das Überleben zu sichern. Afrikaner beschäftigen sich auch weniger mit dem Virus als mit dem Zugang zu Malaria-Behandlungen sowie HIV-Medikamenten und zur Tuberkulose- Behandlung. 

Gründe für die geringe Corona-Ausbreitung sehen afrikanische Wissenschaftler im Durchschnittsalter von etwa 18 in Afrika (zum Vergleich: Deutschland 44,5), das Alltagsleben spielt sich viel im Freien ab. Die Blutgruppe könnte eine Rolle spielen. In Subsahara-Afrika finden sich viel mehr Menschen mit Blutgruppe 0 als in Europa und den USA. Menschen mit Blutgruppe 0 sind möglicherweise besser gegen Covid-19 geschützt als Menschen mit anderen Blutgruppen. Gründe für die niedrigen Todeszahlen könnte laut Dr. John Nkengasong, Chef der Afrikanischen Gesundheitsbehörde Africa CDC, auch die Tatsache sein, dass es weniger chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes gibt. 

Offensichtlich ist hingegen, dass viele afrikanische Staaten, bei weitgehender Ungewissheit, früh Vorkehrungen gegen Corona ergriffen haben – zu einem Zeitpunkt, als die Krankheit noch nicht weit verbreitet war. Auch wenn die durchschnittliche Urbanisierung geringer als in Europa ist, hat Afrika die bevölkerungsreicheren Städte, allen voran Lagos, Kinshasa, Luanda, Abidjan, Johannisburg, Addis Abeba und über 40 weitere Millionenstädte. 

Auch haben afrikanische Ärzte Erfahrung mit Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, Polio und Ebola. Jeder, der Afrika ein bisschen kennt, weiß, dass die Zahl der an Malaria erkrankten Menschen und der daraus resultierenden Todesfälle bei weitem höher ist als bei Covid-19. Malaria ist nach wie vor die größte medizinische und gesundheitliche Herausforderung für den Kontinent. Viel dramatischer ist derzeit die ökonomische Verwundbarkeit Afrikas durch das Zusammenbrechen des Arbeitsmarktes. 
 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge (z.B. „Was sagen eigentlich die Afrikaner“, ein Afrika-ABC in Zitaten).

Foto: Pixabay

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Okko tom Brok / 01.12.2021

Im Tatort würde Freddie Schenk den lauten Herrn Lauterbach vielleicht jetzt fragen: „Herr Lauterbach, nehmen Sie eigentlich Drogen?“

Stanley Milgram / 01.12.2021

Auf der Corona-Weltkarte sieht man ja, wo die meisten Corona-Fälle sind. Da, wo am meisten geimpft wird. Ein Schelm, wer…

G. Lindner / 01.12.2021

Und trotzdem, bei der gigantische Anzahl von registrierten Impfnebenwirkungen kann man bei einem Gestzlichen Impfzwang bei jedem Gericht ein Urteil einfordern, welche von den vielen Nebenwirkung der Geimpfte im extremfall bis zum Schlaganfall zu ertragen hat .

Gert Köppe / 01.12.2021

Vielleicht weil Afrika größtenteils eben noch nicht Wohlstands-Verwahrlost ist, wie der Rest der Welt?

giesemann gerhard / 01.12.2021

Wir sollten sie in Ruhe lassen und zugleich nicht zu uns lassen. Gilt auch für die Söhne Allahs. Alles andere wäre “white or European supremacy”, vulgo Rassismus.  Sollten wir unbedingt vermeiden, schon der Verdacht wäre nicht statthaft. Ist das so schwer zu verstehen?

Magdalena Hofmeister / 01.12.2021

Na ja, das mit der Blutgruppe 0 als günstiger Faktor halte ich für unwahrscheinlich. Ein Blick in Wikipedia zur Blutgruppenverteilung weltweit zeigt z.B. dass die Japaner o. Koreaner ziemlich niedrige Prozentzahlen haben, müssten also wie die Fliegen umfallen. Man sollte sich vielleicht nicht in komplizierte Erklärungen versteigen, wenn die einfachen vollkommen ausreichen: Klima (C. ist a. hier saisonal kaum virulent) u. Altersdurchschnitt. Dazu halten sich die Menschen in Afrika wahrscheinl. weniger in Innenräumen allgemein auf (geringere Virenlast bei Ansteckung), sind durchschnittl. weniger fett u. schleppen weniger Zivilisations- bzw. Alterskrankheiten mit sich rum. Im Grunde war schon zu Beginn der “Pandemie” klar, spätestens mit dem saisonalen Sinken der Fallzahlen, dass C. für Afrika wenig gefährlich ist. Dass trotzdem auf Teufel komm raus a. dieser Kontinent durchgeimpft werden soll, zeigt doch, dass es um etwas anderes geht, als um Pandemiebekämpfung. Neben der mehr als offensichtlichen Agenda des digitalen Impfpassregimes, sollen unbedingt a. die neuartigen Impfstoffe in alle Bälger. Selbst die gut ausgeheilten Genesenen mit wahrscheinl. langanhaltendem Allgemeinschutz u. gute Grundlage für Kreuzimmunität zu Varianten, werden nicht verschont u. kommen nach 6 o. 9 Monaten ins Booster-Laufrad. Anhand des bekannten Bugs, Bildung von Mikrothromben u. Blutgerinnsel in den Endothelzellen der Kapillare, die sich mit jeder Impfung kumulieren u. zunehmend manifestieren, anhand d. besorgniserrregenden Einflüsse auf weibl. Zyklen u. Schwangerschaften, sollte man sich vielleicht nicht ganz der Möglichkeit verschließen, dass es a. um diese Wirkungen geht (sei es nur als “angenehmer” Nebeneffekt). So unvorstellbar es sein mag, aber das Unvorstellbare war regelmäßiges Ereignis in der Geschichte.

Daniel Oehler / 01.12.2021

Zitat: “Was der Kontinent nicht braucht, sind autoritäre Anflüge von europäischen Besserwissern.” Da kann ich allen afrikanischen Politikern nur dringendst empfehlen, ihre Grenzen für PolikerDrinnen und NGOs aus Europa, insbesondere aus dem grün verstrahlten Deutschland und dem kolonialistisch hyperaktiven Frankreich dicht zu machen. Besserwisserei ist eine besonders penetrante Form der Herrschaftsausübung. Man sagt den Anderen mehr oder weniger direkt, dass sie wie kleine Kinder seien und keine Ahnung haben, und man stellt sie unter die eigene Vormundschaft. Dieser gutmenschliche Rassismus kulmuliert im Bild des “unschuldigen Wilden”, der sich, wie die kleinen Racker, in seiner Wildheit in einem Naturzustand befinde, weshalb man ihm/ihr die europäisch-amerikanische Zivilisation nicht zutraut und nicht zutrauen möchte. Die Afrikaner sind genau wie die Tiere in ihren Nationalparks für europäische Besserwisser nichts als Betreuungsobjekte. Nichts wird für die rot-grünen Oberlehrer schlimmer, als der globale Ansehensverlust durch die zwangsläufigen Auswirkungen einer realitätsignorierenden Politik. Das ist ein bisschen so wie bei den Missionaren, die das säkularisierte Europa Dank - noch - vorhandenem Wohlstand in das weit religiösere Afrika schickt. Da hat der Gegenstoß schon begonnen: Seit vielen Jahren schicken die armen Afrikaner Missionare, um die ungläubigen Europäer zu bekehren. Vielleicht braucht Deutschland Afrikaner als Lehrer, um die mit grüner Propaganda hirngewaschenen Deutschen zum energiepolitischen Realismus zu bekehren.

Jürgen Dannenberg / 01.12.2021

Testen die Afrikaner? Wenn ja, in welchen Umfang oder haben die eine virenresistenter Presse?

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