Für mich ist Ahlen in Westfalen (dessen Wappen ein gekrönter und geflügelter Aal unter drei eindrucksvollen Zinnen auf einer ebenso eindrucksvollen Stadtmauer bildet) deshalb von Bedeutung, weil ich da nach der Vertreibung aus Treblin/Pommern (heute Trzebielino/Polen) eine neue Heimat gefunden, das Abitur gemacht und meine spätere Frau, eine geborene Ahlenerin, kennengelernt habe. Ein schönes Drei-Punkte-Programm. Oder? Die Weltläufigkeit dieser gut 50.000 Einwohner-Stadt im Münsterland machte schon in den fünfziger Jahren ein gern erzählter Herrenwitz deutlich: „In Paris hat jeder die Seine, in Ahlen hat man die Werse“.
Das ist viel, aber noch nicht alles. In eben diesem Ahlen und zudem noch in der Klosterschule St. Michael, die meine Frau besucht hat, hat der „Zonenausschuß der CDU für die britische Zone“ vom 1. bis 3. Februar 1947 unter dem Titel „CDU überwindet Kapitalismus und Marxismus“ ihr „Ahlener Wirtschaft- und Sozialprogramm“, kurz Ahlener Programm beschlossen.
Ahlen ist eine Industriestadt, die allen Flüchtlingen und Vertriebenen Arbeit und guten Lohn bot (auch für Werkstudenten wie unsereinen), wenn für viele auch um den Preis einer Staublunge. Denn der größte Arbeitgeber war seinerzeit die Zeche Westfalen, die als erste Zeche in Deutschland eine Schachttiefe von über 1.000 Metern erreichte. Der Betrieb wurde 1913 aufgenommen und im Jahr 2000 eingestellt.
Doch in Ahlen produziert seit 1918 auch einer der größten Badewannenhersteller der Welt, die Franz Kaldewei GmbH & Co. KG. Nicht so bekannt, aber mit mehr Arbeitsplätzen, ist die Winkelmann-Gruppe. Und für Fußballfans zumindest vorübergehend interessant: die LR Health & Beauty Systems, Hauptsponsor des Zweitligisten (von 2000 bis 2006) LR Ahlen, nach dessen Rückzug der Verein das „LR“ nicht mehr führen durfte, obwohl es doppeldeutig auch für „Leichtathletik Rasensport“ stand, deshalb in Rot Weiss Ahlen umfirmierte und seither ein wechselhaftes sportliches Schicksal erlebt.
Die Attraktivität Ahlens zeigt sich übrigens auch an dem überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil von über zehn Prozent. Knapp 30 Prozent weisen einen Migrationshintergrund auf. Schon während meiner Schulzeit, die 1961 endete, etablierte sich der heute noch existierende „Eissalon Gamba“ (zu Deutsch „Bein“ – Garibaldi fu ferito, fu ferito ad una gamba). Wie gut die Integration dort läuft, zeigt sich auch daran, dass „DAS TÜRKISCHE RESTAURANT“ den Namen „STEINOFEN“ führt.
Mops-Skandal: Erst verkauft, dann geprüft
Alles paletti also, bis kürzlich die Sache mit dem Mops passierte, von dem Vico von Bülow, besser bekannt unter dem Namen Loriot (die französische Bezeichnung für den „Vogel Bülow“ = Pirol), einst sagte: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“ Es geht um die Mopsdame (sic!) „Edda“, jetzt „Wilma“, die ein (über)eifriger Mitarbeiter der Stadtverwaltung auf ebay versteigern ließ, um auf diese Weise die (unter anderem) fällige Hundesteuer einzutreiben. Die Sache wurde naturgemäß durch die örtliche Zeitung „Die Glocke“ an eben diese große gehängt, fand dann aber bundesweite Resonanz: WELT, SPON, Stern und natürlich BILD, selbst die Stuttgarter Zeitung und weitere Blätter berichteten ausführlich. Auch Achgut brachte einen Beitrag – Dushan Wegner sei Dank.
Hätte der städtische Mitarbeiter die von Bülowsche Mops-Sentenz gekannt, hätte ihm klar sein müssen, dass seine Aktion nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich äußerst problematisch ist, zumal die säumige Steuerschuldnerin schon jetzt, nach eigenem Bekunden, unter Panikattacken leidet. Das ist keineswegs das Ende des derzeitigen Ahlener Programms. Denn Edda sei nicht gesund gewesen und mittlerweile viermal operiert worden, unter anderem Weihnachten in einer Notoperation in der Tierklinik Duisburg. Kosten für die medizinischen Behandlungen bislang: rund 1.800 Euro. Dieses Geld fordert die neue Halterin jetzt ebenso wie den Kaufpreis von 750 Euro von der Stadt Ahlen zurück. Dort geschieht jetzt das, was vorher offenbar unterlassen wurde: Die Angelegenheit wird „geprüft“.