Die wiederkehrenden Meldungen von bevorstehenden israelischen und amerikanischen Militärschlägen auf die Atomfabriken des Iran enthalten zwei Selbstverständlichkeiten. Selbstverständlich trainieren - erstens - beide Armeen einen solchen Einsatz. Alles andere wäre fahrlässig. Die zweite Selbstverständlichkeit ist, dass solche Pläne dementiert werden. Welche Regierung räumt schon Angriffspläne ein? Zumal, wenn es sich um gezielt an die Medien lancierte Militärszenarien handeln sollte, deren psychologische Wirkung viel größer ist als jede Regierungsverlautbarung.
Die Dementis sind auch aus einem anderen Grund selbstverständlich: weil sie glaubwürdig sind. Trotz aller Horrorszenarien gibt es bisher keinen wirklich belastbaren Hinweis auf einen Krieg gegen den Iran.
Die Verzweiflung spricht Bände, mit der US-Außenministerin Rice immer wieder betont, sie würde sich mit ihrem iranischen Kollegen treffen, „wo immer er will“, sobald der Iran die Urananreicherung aussetzt. Die Bush-Regierung ist, auch durch das Irak-Desaster, nicht mehr so halsstarrig. Rice ist ernsthaft bereit, fast 30 Jahre US-Außenpolitik gegenüber dem Iran aufzugeben. Warum aber tut sie es nicht? Schließlich sind Gespräche auf Augenhöhe ein sehnlicher Wunsch des Regimes in Teheran. Es möchte, dass alle Ideen von einem Regimewechsel vom Tisch genommen werden, die in beiden amerikanischen Parteien verbreitet sind. Doch Rice kann nicht, weil der Iran nichts, aber auch gar nichts dafür tut, die Situation zu entspannen. Im Gegenteil: Die iranischen Gesprächsangebote werden von Mal zu Mal unglaubwürdiger. Gleichzeitig treten Vertreter Teherans dem Westen auf die Füße, wo sie nur können.
Alle Seiten im Atomstreit pokern. Möglicherweise ist der Umgang mit Nordkoreas Atomprogramm ein lehrreiches Beispiel. Das entscheidende Ass in jenem Spiel war nicht etwa, dass die USA nachgegeben hätten. Das war wichtig, aber entscheidend war, dass Pjöngjang zuletzt der einzige Verbündete absprang: China.
Ähnlich wird es bei der nächsten Iran-Runde im UN-Sicherheitsrat sein. China und Russland sind für Teheran unverzichtbare wirtschaftliche und politische Partner. Es wäre viel gewonnen, wenn diese beiden Staaten ihre Obsession, die USA als Führungsmacht in der Region abzulösen, zumindest in der Iran-Frage zurückstellen würden.
Denn sowohl wirtschaftliche als auch militärische Drohungen müssen glaubwürdig sein. So irrational und fanatisch die Mullah-Regierung sein mag: Ihre eigene Existenz wird sie nicht aufs Spiel setzen. Der Iran muss nicht bombardiert werden, aber er muss befürchten, dass dies passieren könnte. Und er muss spüren, dass die Weltgemeinschaft zusammenhält und bereit ist, Sanktionen zu beschließen, die so schmerzhaft sind, dass sie das Regime gefährden. Selbst wenn dies Europa und Asien kurzfristig teuer zu stehen käme - die Bombe in den Händen der Mullahs wäre teurer.
Um die Bedenken zu zerstreuen, muss der Iran auf den Weg zu einem zivilen Atomprogramm zurückkehren, auf das er ein Recht hat. Unter dieser Bedingung hätte der Iran übrigens auch ein Recht darauf, dass andere Staaten keine militärischen Überfalle trainieren.
Leitartikel im Kölner Stadt-Anzeiger, 26.02.07