Marcel Luthe, ehemals Berliner Abgeordneter der FDP, war eine treibende Kraft bei der Aufklärung des Berliner Wahldesasters von 2021. Damals war er als Spitzenkandidat der Freien Wähler angetreten. Doch auch im Vorfeld der Neuwahlen ist es bereits zu Pannen gekommen. Im Interview mit Ulrike Stockmann beurteilt er Fehler bei der Übermittlung von Briefwahl-Dokumenten.
Vor den Berlin-Wahlen gibt es Meldungen, dass Briefwahl-Unterlagen doppelt oder mit fehlenden Siegeln verschickt wurden. Auch Fälle von Bürgern, die wenige Tage vor der Wahl gar keine Briefwahl-Unterlagen erhalten haben, machten die Runde. Welcher konkrete Schaden kann durch solche Pannen entstehen?
Die Briefwahl ist eigentlich die Ausnahme, nicht die Regel, hat aber inzwischen massive Bedeutung, auf die die Wahlämter faktisch nicht vorbereitet sind. Wer die Briefwahl beantragt, wird auch sofort im Wählerverzeichnis gesperrt und kann nicht an der Urne wählen – auch wenn er wegen Personalmangel in den Wahlämtern oder dem unverantwortlichen Streik der Kollegen von ver.di bei der Post die Unterlagen gar nicht bekommen hat. Der Berliner Wahlleiter geht von einer Bilderbuchwelt aus, in der die Postlaufzeit maximal drei Tage beträgt und kneift beide Augen zu. Wer sicher gültig wählen will, muss an die Urne.
Gibt es bezogen auf die letzte Wahl eine belastbare Zahl, wie viele Briefwahlstimmen aufgrund solcher beschriebener Pannen nicht gezählt wurden?
Die genauen Gründe lassen sich aus der Statistik nicht ersehen, aber wir können annehmen, das ein erheblicher Teil der „ungültig verwendeten“ Wahlscheine tatsächlich aus diesem Grund ungültig war. Anhand der Niederschriften aus den Wahllokalen nehme ich an, dass mindestens 40.000 Stimmen betroffen waren.
Warum kommt es in der Verwaltung überhaupt zu derartigen Mängeln? An welcher Stelle klemmt es?
Das ist eine Mischung aus Unfähigkeit und planvoller Absicht, die nur deshalb bestehen kann, weil die Verantwortlichen nicht namentlich bekannt gemacht werden. Eine Verwaltung muss ebenso kunden- und leistungsorientiert geführt werden wie ein Unternehmen.