Hannes Stein / 25.07.2011 / 18:53 / 0 / Seite ausdrucken

Wer mit Ungeheuern kämpft

Verschiedene Leser haben diesen Beitrag von Ulrich Sahm so gedeutet, als gehe es darum, den Opfern jenes Massenmörders aus Norwegen – jemach schmo – eine Mitschuld an ihren Tod zu geben. Wäre es so, dann wäre das für mich ein Grund, mit der „Achse des Guten“ zu brechen, und zwar öffentlich. Es gibt ein paar Dinge, die man als anständiger Mensch nicht tut. Zum Beispiel ruft man Ermordeten nicht ins offene Grab hinein „selber schuld!“ nach, das gehört sich einfach nicht. Selbstverständlich sind die Kinder und Jugendlichen, die dieses blonde Stück Dreck abgeknallt hat, Opfer und nichts als das. Sie wären es auch dann, wenn sie ihre letzten Stunden damit verbracht hätten, einander die „Protokolle der Weisen von Zion“ mit verteilten Rollen vorzulesen.

Allerdings glaube ich nicht, dass Ulrich Sahm den Opfern eine Mitschuld geben wollte. Wenn es wahr ist, dass diesen jungen sozialdemokratischen Norwegern am Vorabend antizionistische Propaganda eingetrichtert worden war; und wenn es außerdem wahr ist, dass sie den Mörder zunächst für einen Schauspieler hielten, der ihnen mit Platzpatronen israelische Gräueltaten vorgaukeln sollte – dann bedeutet das zunächst ja nur: Wer ein wahnhaftes Weltbild hat, der ist nicht gut für die Realität gerüstet.

Im Übrigen finde ich es ein bisschen kindisch zu leugnen, dass dieser Mörder eine Ideologie hat. Er ist keineswegs geisteskrank im herkömmlichen Sinn; er hat keine Stimmen gehört, die ihm befahlen, wild um sich zu schießen. Er hat keinen schizophrenen Schub erlitten. Er ist voll und ganz für seine ungeheuerliche Tat verantwortlich, genau so wie der gemeine Selbstmordmörder, der sich in einer israelischen Disco in die Luft sprengt.
Was ist die Ideologie des Mörders? Er hasst den Islam (nicht den islamischen Fundamentalismus, nicht Al Qaida, nicht die „Islamische Republik Iran“, sondern den Islam). Er hasst Muslime (nicht Achmadinedschad, nicht Osama Bin Laden, nicht Ayman al-Zawahiri, sondern alle Muslime von Indonesien über Indien bis Kurdistan). Er hasst „Marxisten“ (nicht Lenin, Stalin, Trotzki, Mao und Che Guevara, sondern alle Linken). Er ist ein Fan von Milosevic und hätte gern gesehen, dass alle muslimischen Bosnier „ethnisch gesäubert“, also hingemordet werden. Er träumt von einem konservativen, im russischen Stil autoritär regierten Norwegen. Er sieht sich als Kreuzritter, der für das Abendland in einen heiligen Krieg zieht. Mit anderen Worten, er gehört einer Szene an, in die ich hier einmal mit zugehaltener Nase hineingeschaut habe. Seiner eigenen Aussage nach ist der Herr keineswegs ein Einzeltäter: es soll noch mehr solche Leute wie ihn geben, die im Untergrund auf ihr Stichwort warten. Kann sein, das ist Angeberei. Ich hoffe trotzdem, dass die Polizei der Spur nachgeht.
Das wichtigste Zitat zum Tage stammt darum von Friedrich Nietzsche. Bitte merken:

WER MIT UNGEHEUERN KÄMPFT, MAG ZUSEHEN, DASS ER NICHT DABEI ZUM UNGEHEUER WIRD. UND WENN DU LANGE IN EINEN ABGRUND BLICKST, BLICKT DER ABGRUND AUCH IN DICH HINEIN.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Hannes Stein / 11.03.2013 / 20:55 / 0

Hannes Stein auf Tour!

Ich lese aus meinem Debutroman “Der Komet”, und zwar dann und da: 13. März 2013 Köln, Buchhandlung Ludwig im Hauptbahnhof. Beginn: 19 Uhr 14. März…/ mehr

Hannes Stein / 15.02.2013 / 05:05 / 0

Die Liebeskatastrophe

Heute passieren drei Dinge gleichzeitig, die nichts miteinander zu tun haben. a) Ich trete meine 49. Sonnenumrundung an. b) Ein Asteroid schrammt haarscharf an der…/ mehr

Hannes Stein / 19.11.2012 / 15:13 / 0

Der Komet

»I bin doch ned deppat, i fohr wieder z’haus« lautet der Schlüsselsatz dieses Buches – denn damit fällt in Hannes Steins Roman Der Komet der…/ mehr

Hannes Stein / 03.01.2012 / 14:13 / 0

In eigener Sache

Am Dienstag, dem 24. Januar, werde ich um 20 Uhr in Hamburg oeffentlich Rede und Antwort stehen, und zwar hier. / mehr

Hannes Stein / 28.04.2011 / 16:24 / 0

Stein meets Manea

Hier. Ich muss selbstkritisch zugeben, dass es ein schönes Buch geworden ist. / mehr

Hannes Stein / 19.08.2010 / 10:52 / 0

Ich bin dann mal weg

Heute erscheint im kleinen feinen Galiani-Verlag mein Amerikabuch. Es trägt den Titel: „Tschüß Deutschland! Aufzeichnungen eines Ausgewanderten“. Außer bei Amazon bekommen Sie das Werk natürlich…/ mehr

Hannes Stein / 10.12.2007 / 18:48 / 0

I´m Dreaming Of A White Chanukka

Liebe Freunde und Leser der “Achse des Guten”! Chanukkah ist da, Weihnachten steht vor der Tür, und Kwanzaa leuchtet in der Ferne. Drei frohe Anlässe,…/ mehr

Hannes Stein / 08.08.2007 / 16:32 / 0

Koreaner, bitte herhören!

Die “Enzyklopädie der Alltagsqualen” (bald auch im Taschenbuch) ist also nun endlich in einer Weltsprache erschienen: auf koreanisch—mit diesem Vorwort hier. Ein Exemplar in der…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com