Sigmar Gabriel ist ein bodenständiger niedersächsischer Sozialdemokrat aus der alten Kaiserstadt Goslar am Harz. Er ist soeben 50 Jahre alt geworden, hat eine 20jährige Tochter und lebt nach geschiedener Ehe mit einer Zahnärztin zusammen.
Ähnlich wie sein politischer Ziehvater Gerhard Schröder stammt Gabriel aus einfachen Verhältnissen und hat sich durch Bildung von unten hochgearbeitet.
Sigmar Gabriel ist seit seinem 18. Lebensjahr SPD-Mitglied, nachdem er zuvor in der “Sozialistischen Jugend Deutschlands - Die Falken” aktiv war.
Bereits während seiner Schulzeit am streng konservativen Ratsgymnasium in Goslar wurde sein politisches Talent von einigen Lehrern erkannt.
Nach einem Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Politik absolvierte Gabriel sein Referendariat am Christian-von-Dohm-Gymnasium, der eher linken Konkurrenz des Ratsgymnasiums in Goslar, arbeitete für kurze Zeit als Dozent in der Erwachsenenbildung, um schließlich den Weg des Berufspoltikers einzuschlagen.
Ratsmitglied der Stadt Goslar, Mitglied des Niedersächsischen Landtages, Vorsitzender der dortigen SPD-Fraktion, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Bundesumweltminister und jetzt vielleicht SPD-Vorsitzender. Das waren die Stationen einer politischen Karriere, die vor allem einem bisweilen äußerst hartnäckigen Willen zur Macht geschuldet war, deren allergrößtes Manko indes darin besteht, daß Sigmar Gabriel bis heute - mit Ausnahme seines Wahlkreises - noch keine bedeutende Wahl gewonnen hat. Beim ersten und bisher einzigen Versuch scheiterte Gabriel im Februar 2003 an Christian Wulff, als er versuchte, ganz im Stile seines politischen Ziehvaters Gerhard Schröder, die Niedersächsische Landtagswahl als amtierender Ministerpräsident unter Vernachlässigung wichtiger landespolitischer Themen nahezu ausschließlich mit dem Thema “Nein zum Irak-Krieg!” zu gewinnen.
Sollte Sigmar Gabriel nunmehr den Vorsitz der SPD übernehmen, so bekommt die SPD einen Vorsitzenden, der rhetorisch geschickt zu polarisieren weiß, wenngleich seine diversen Polarisierungsversuche in der Vergangenheit durchaus nicht immer von Erfolg gekrönt waren.
Von seiner politischen Herkunft her ist Gabriel eindeutig ein sog. “Schröderianer”. Das heißt vor allem, daß er sich weder dem “rechten”, noch dem “linken” Lager in der SPD eindeutig zuordnen läßt bzw. lassen will. Stattdessen ist Gabriel in erster Linie ein sog. “Instinktpolitiker”, der nach eigener Auffassung ein feines Gespür für das hat, was den “kleinen Mann” in unserer Gesellschaft bewegt.
Ausgehend von seinem eigenen Lebensweg verkörpert Gabriel eher eine traditionelle SPD, die einst vor allem das Ziel eines gesellschaftlichen Aufstiegs durch Bildung verfocht.
Die Gefahr des sog. “Instinktpolitikers” besteht bei Sigmar Gabriel jedoch vor allem darin, daß er gegen Populismus von links bzw. rechts nicht immer gefeit zu sein scheint. Beispiele hierfür sind sein im kern verfehlter Landtagswahlkampf 2003 sowie nicht zuletzt auch sein Versuch gegen Ende des letzten Bundestagswahlkampfes, das Ruder für die im Abstieg begriffene SPD noch einmal durch einen strikten Anti-Atomkurs herumzureißen.
Meines Erachtens würde man Sigmar Gabriel unterschätzen, wenn man in ihm nur den “Eisbär-Paten” für Knut bzw. den ehemaligen “Pop-Beauftragten” der SPD sähe. Als “Schröderianer” und “Kind der Unterschicht” könnte es Sigmar Gabriel u.U. besser als Schröder gelingen, die im Kern unbestreitbar notwendigen Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder einer Wählerklientel zu erklären, die bei dieser Wahl entweder zu Hause geblieben ist oder aus Protest die Linkspartei gewählt hat. Und als durchaus begabter Rhetoriker könnte er es womöglich aufgrund ähnlicher Begabungen durchaus mit dem gegenwärtigen Vorsitzenden der Linkspartei, dem ehemaligen Genossen Oskar Lafontaine aufnehmen.
Die Frage ist nur, ob eine im Kern orientierungslose und zutiefst verunsicherte deutsche Sozialdemokratie und vor allem eine Parteilinke, die insgeheim womöglich bereits den Vereinigungsparteitag mit der Linken vorbereitet, ihn läßt.