In Nordhausen haben die Wähler den favorisierten AfD-Kandidaten nicht zum Oberbürgermeister gewählt. Warum nicht? Fragen sich das nicht diejenigen, die jeden AfD-Amtsträger partout verhindern wollen? Oder gefällt ihnen die Antwort vielleicht nicht?
Kommunalwahlen sind heutzutage von breitem überregionalen Interesse, wenn die AfD möglicherweise einen Bürgermeister- oder Landratsposten besetzen könnte. In Nordhausen drohte ein AfD-Kandidat in der gestrigen Stichwahl Oberbürgermeister zu werden, doch der Amtsinhaber gewann. In der bundesweiten Allparteien-Koalition könnte man sich jetzt fragen, warum in Nordhausen gelang, was in Sonneberg scheiterte. Eine mögliche Antwort dürfte diesen AfD-Verhinderern vielleicht nicht gefallen.
Bislang gab es überall dort, wo ein AfD-Kandidat für ein kommunales Spitzenamt in die Stichwahl und damit in Reichweite eines Wahlsiegs gelang, einen quasi Allparteien-Wahlkampf für den jeweiligen Gegenkandidaten. In Sonneberg bei der Landratswahl wurde der CDU-Kandidat Jürgen Köpper deshalb auch von Grünen und Linken unterstützt. Der Kandidat selbst schien darüber gar nicht so glücklich zu sein. Selbst öffentlich-rechtliche Berichterstatter glaubten nach dem Wahlsieg des neuen AfD-Landrats Sesselmann: „Diese Allparteienallianz hat vermutlich Sesselmann mehr geholfen als geschadet.“
Und das ist der Unterschied zu der Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen. Hier engagierten sich die Parteien vor Ort nicht. Nicht nur, weil der gegen den AfD-Kandidaten Jörg Prophet stehende amtierende Oberbürgermeister Kai Buchmann (Foto) parteilos ist, sondern weil er sich in den Parteien offenbar auch richtige Feinde gemacht hatte. Der MDR berichtete:
„Das Landratsamt hatte Buchmann Ende März suspendiert. Dem 47-Jährigen werden 14 Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen. Unter anderem geht es um mutmaßliches Mobbing gegen Bürgermeisterin Alexandra Rieger (SPD). Allein fünf Dienstpflichtverletzungen beziehen sich auf den Bau eines Supermarktes in der Nachbargemeinde Harztor. Buchmann hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und war wegen seiner Suspendierung vor Gericht gezogen.“
Die Botschaft der Wähler
Und vor Gericht erreichte der Oberbürgermeister immerhin, dass er wieder ins Rathaus zurückkehren durfte, was allerdings keineswegs einem Freispruch durch das Gericht gleichkam, wie seinerzeit ebenfalls der MDR berichtete:
„In der Begründung hieß es, dass die dem Oberbürgermeister vorgeworfenen Verhaltensweisen ,in der Gesamtschau die Schwelle eines Dienstvergehens' erreichten, jedoch nicht so schwerwiegend seien, um die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen. Zwar ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig, dennoch kann Buchmann dem Gericht zufolge sein Amt wieder aufnehmen.“
Hier kann nicht geklärt werden, was an den Vorwürfen gegen Buchmann wirklich dran ist, aber eines ist klar: Auch er war kein Liebling der Parteien und wurde von den Bürgern sicher auch nicht als Vertreter des politischen Establishments wahrgenommen. Das schmälert die Motivation jener Wähler, die ihre Stimme der AfD geben, um es „denen da oben mal zu zeigen“.
Wer also profiliert ist, aber möglichst großen Abstand zu den etablierten Parteien hält, hat offenbar größere Chancen, gegen AfD-Kandidaten zu gewinnen als ein Kandidat, der offensiv von allen Parteien unterstützt wird. Das ist auch ein Statement der Wähler. Sie wollen Alternativen zur Politik der gegenwärtig in Bund und Ländern regierenden Parteien wählen können. Und wenn es davon mehrere gibt, wählen solche Wähler auch gern mal eine Alternative zur AfD. Eigentlich eine demokratische Normalität. Nur leider ist die deutsche Demokratie immer noch bestimmt von einer seit Jahrzehnten kaum veränderten Parteienlandschaft, in der die meisten Parteien längst ihre Konturen verloren haben und verbissen an gemeinsamen Tabuthemen festhalten. Diese Demokratie krankt an fehlender inhaltlicher Vielfalt und Klarheit im wählbaren Parteienangebot und nicht am Aufschwung einer Partei.
Solche Botschaften könnte man auch aus dem Ergebnis von Nordhausen herauslesen. Aber stattdessen sind wieder nur alle Etablierten aus Politik und Medien erleichtert, dass die AfD-Machtergreifung in Nordhausen nicht stattgefunden hat. In zwei Wochen könnte ein ähnliches Schauspiel woanders wieder aufgeführt werden, denn da gibt es in Bitterfeld-Wolfen die nächste Oberbürgermeister-Stichwahl mit einem AfD-Kandidaten. Nur diesmal wird die überregionale Presse kaum Notiz davon nehmen, denn sie wird zu sehr mit den gleichzeitigen Landtagswahlen in Bayern und Hessen beschäftigt sein. Und vielleicht auch damit, wieder einmal wortreich über die Botschaften hinwegzugehen, die die Wähler dort dann hinterlassen haben.