Peter Grimm / 25.09.2023 / 15:30 / Foto: Vincent Eisfeld / 30 / Seite ausdrucken

Wer hat denn da die AfD besiegt?

In Nordhausen haben die Wähler den favorisierten AfD-Kandidaten nicht zum Oberbürgermeister gewählt. Warum nicht? Fragen sich das nicht diejenigen, die jeden AfD-Amtsträger partout verhindern wollen? Oder gefällt ihnen die Antwort vielleicht nicht?

Kommunalwahlen sind heutzutage von breitem überregionalen Interesse, wenn die AfD möglicherweise einen Bürgermeister- oder Landratsposten besetzen könnte. In Nordhausen drohte ein AfD-Kandidat in der gestrigen Stichwahl Oberbürgermeister zu werden, doch der Amtsinhaber gewann. In der bundesweiten Allparteien-Koalition könnte man sich jetzt fragen, warum in Nordhausen gelang, was in Sonneberg scheiterte. Eine mögliche Antwort dürfte diesen AfD-Verhinderern vielleicht nicht gefallen.

Bislang gab es überall dort, wo ein AfD-Kandidat für ein kommunales Spitzenamt in die Stichwahl und damit in Reichweite eines Wahlsiegs gelang, einen quasi Allparteien-Wahlkampf für den jeweiligen Gegenkandidaten. In Sonneberg bei der Landratswahl wurde der CDU-Kandidat Jürgen Köpper deshalb auch von Grünen und Linken unterstützt. Der Kandidat selbst schien darüber gar nicht so glücklich zu sein. Selbst öffentlich-rechtliche Berichterstatter glaubten nach dem Wahlsieg des neuen AfD-Landrats Sesselmann: „Diese Allparteienallianz hat vermutlich Sesselmann mehr geholfen als geschadet.“

Und das ist der Unterschied zu der Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen. Hier engagierten sich die Parteien vor Ort nicht. Nicht nur, weil der gegen den AfD-Kandidaten Jörg Prophet stehende amtierende Oberbürgermeister Kai Buchmann (Foto) parteilos ist, sondern weil er sich in den Parteien offenbar auch richtige Feinde gemacht hatte. Der MDR berichtete:

Das Landratsamt hatte Buchmann Ende März suspendiert. Dem 47-Jährigen werden 14 Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen. Unter anderem geht es um mutmaßliches Mobbing gegen Bürgermeisterin Alexandra Rieger (SPD). Allein fünf Dienstpflichtverletzungen beziehen sich auf den Bau eines Supermarktes in der Nachbargemeinde Harztor. Buchmann hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und war wegen seiner Suspendierung vor Gericht gezogen.“

Die Botschaft der Wähler

Und vor Gericht erreichte der Oberbürgermeister immerhin, dass er wieder ins Rathaus zurückkehren durfte, was allerdings keineswegs einem Freispruch durch das Gericht gleichkam, wie seinerzeit ebenfalls der MDR berichtete:

In der Begründung hieß es, dass die dem Oberbürgermeister vorgeworfenen Verhaltensweisen ,in der Gesamtschau die Schwelle eines Dienstvergehens' erreichten, jedoch nicht so schwerwiegend seien, um die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu rechtfertigen. Zwar ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig, dennoch kann Buchmann dem Gericht zufolge sein Amt wieder aufnehmen.“

Hier kann nicht geklärt werden, was an den Vorwürfen gegen Buchmann wirklich dran ist, aber eines ist klar: Auch er war kein Liebling der Parteien und wurde von den Bürgern sicher auch nicht als Vertreter des politischen Establishments wahrgenommen. Das schmälert die Motivation jener Wähler, die ihre Stimme der AfD geben, um es „denen da oben mal zu zeigen“.

Wer also profiliert ist, aber möglichst großen Abstand zu den etablierten Parteien hält, hat offenbar größere Chancen, gegen AfD-Kandidaten zu gewinnen als ein Kandidat, der offensiv von allen Parteien unterstützt wird. Das ist auch ein Statement der Wähler. Sie wollen Alternativen zur Politik der gegenwärtig in Bund und Ländern regierenden Parteien wählen können. Und wenn es davon mehrere gibt, wählen solche Wähler auch gern mal eine Alternative zur AfD. Eigentlich eine demokratische Normalität. Nur leider ist die deutsche Demokratie immer noch bestimmt von einer seit Jahrzehnten kaum veränderten Parteienlandschaft, in der die meisten Parteien längst ihre Konturen verloren haben und verbissen an gemeinsamen Tabuthemen festhalten. Diese Demokratie krankt an fehlender inhaltlicher Vielfalt und Klarheit im wählbaren Parteienangebot und nicht am Aufschwung einer Partei.

Solche Botschaften könnte man auch aus dem Ergebnis von Nordhausen herauslesen. Aber stattdessen sind wieder nur alle Etablierten aus Politik und Medien erleichtert, dass die AfD-Machtergreifung in Nordhausen nicht stattgefunden hat. In zwei Wochen könnte ein ähnliches Schauspiel woanders wieder aufgeführt werden, denn da gibt es in Bitterfeld-Wolfen die nächste Oberbürgermeister-Stichwahl mit einem AfD-Kandidaten. Nur diesmal wird die überregionale Presse kaum Notiz davon nehmen, denn sie wird zu sehr mit den gleichzeitigen Landtagswahlen in Bayern und Hessen beschäftigt sein. Und vielleicht auch damit, wieder einmal wortreich über die Botschaften hinwegzugehen, die die Wähler dort dann hinterlassen haben.

Foto: Vincent Eisfeld CC BY-SA 3.0, Link

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 25.09.2023

@ Stefan Ahrens - “dass Wahlstimmen und Briefwahlstimmen eklatant auseinanderklaffen.” Amerikas läßt grüßen. Frage: Gibts in Nordhausen entsprechend viele Seniorenheime??

Klaus Dieter / 25.09.2023

Ist ja ein echter Politkrimi da in Nordhausen. Was sind denn nun die 14 Dienstvergehen, mit denen das SPD-Duo aus Landrat Matthias Jendricke und Vize-Bürgermeisterin Alexandra Rieger den Oberbürgermeister Buchmann suspendiert haben? Zwei Rathausmitarbeiter wurden auch freigestellt. Warum? Interessant sind auch die Kommentare unter den MDR-Berichten. Wo der Landrat als Matthias mit kommentiert. Aber erhellend ist da nichts. Der Souverän steht im Dunklen. Geehrte Journalisten, bitte um Aufklärung.

Emil.Meins / 25.09.2023

Die FAZ berichtet: Sebastian Krumbiegel, Sänger der Band „Die Prinzen“ hat massive Wahlbeeinflussung betrieben:  „Mir steht es eigentlich nicht zu, euch irgendwelche klugen Tipps zu geben“, sagte der Künstler an die Adresse der Nordhäuser. Als Ostdeutscher könne er es aber „ganz gut einschätzen“, was es bedeute, wenn demokratische Strukturen abgeschafft werden, sagte Krumbiegel. Und die AfD habe genau das „auf dem Zettel“. „Ich kann euch nur bitten, euer Kreuz an der richtigen Stelle zu machen“, sagte Krumbiegel in sein Telefon. „Und drauf zu achten, dass es keinen Haken hat, Leute.“ Zwar ziemlich dummes Gerede, aber offenbar wirksam.  Fast ein Dutzend Videos dieser Art machten in der vergangenen Woche die Runde, auf den Mobiltelefonen der Nordhäuser und darüber hinaus. Man kann fragen, ob das überhaupt zulässig ist, schließlich sind ungebetene Werbeanrufe illegal, und wer hier die notwendigen Daten der Telefonkunden bereitgestellt, und diese Aktion ermöglicht hat. Und wie laut das Geschrei gewesen wäre, hätte die AfD so etwas durchgezogen?

Winfried Jäger / 25.09.2023

An der AfD kommt niemand vorbei der Deutschland aber normal will. Selbst auf der Achse oder bei Tichy fallen langsam die Brandmauern. Willkommen im Club des Verstandes.

Marc Blenk / 25.09.2023

Lieber Herr Grimm, seit Corona werden weit mehr Briefwahlstimmen abgegeben als davor. Eigentlich war einmal die Briefwahl als Ausnahme vorgesehen. Auch wegen der Gefahr von Manipulationen. Es scheint wohl so zu sein, dass es zwischen Wahlstimmen und Briefwahlstimmen in Nordhausen einen großen Unterschied vom Ergebnis her gibt. Es wird nicht die letzte Wahl sein, wo die Auszählung der Briefwahl die Wende bringt. Ich bin überzeugt, dass man rund um Wahlen so ziemlich alles versucht, um die Schwefelpartei zu verhindern. Wenn man beobachtet, in welchem Ausmaß sie verteufelt wird, wäre es geradezu ein Wunder, wenn es anders wäre. Wohl viele werden sich im Recht wähnen, wenn man dran dreht.

Lutz Liebezeit / 25.09.2023

“Unsichere Briefwahl und Wahlbetrug im Altenheim 17. August 2017 Immer wieder erhalten wir Hinweise aus Kommunen und Altenheimen, dass es gerade bei der Briefwahl Ungereimtheiten und Betrugsverdachtsfälle gibt. Einmal wählt ein ganzes Pflegeheim mit dem gleichen Kugelschreiber CDU, ein anderes Mal sind zu viele Stimmen in der Briefwahlurne, die wochenlang unbeobachtet im Rathaus stand. .. Auch aus Kommunen melden Beobachter und Unterstützer immer wieder Fehler und Vorfälle. Die Wahlurnen stehen wochenlang in den gemeindeeigenen Räumlichkeiten, oft nicht ausreichend gesichert, und können daher manipuliert werden. Vorzeitige Öffnungen der Urnen, verschwundene Stimmzettel oder zu viele Umschläge in den Wahlurnen sind keine Seltenheit.”

Silas Loy / 25.09.2023

Sie atmen auf. Warum? Hauptsache die AfD verhindern, auch wenn man selbst schon aus dem Rennen geflogen ist. Das aber ist kein politisches Konzept, das ist eine Kapitulation aus den Off an der Seitenlinie. Genauso wie die Dämonisierung und Verleumdung, die asoziale und antidemokratische Ausgrenzung eines politischen Wettberwerbers. Sie wollten ihn argumentativ stellen, sie haben versagt, nun schlagen sie um sich. Warum? Weil sie es nicht können. Auch das neueste Geraune von Bischof Bätzing gegen die AfD ist da keine Hilfe und führt nicht weiter. Wenn das Land eine Zukunft haben soll, müssen die Debatten geführt werden, wie im Übrigen in Europa sonst ganz selbstverständlich.

T. Weidner / 25.09.2023

Nur komisch, dass Prophet vorne lag - bis die Briefwahlstimmen ausgezählt wurden…

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