Henryk M. Broder / 10.01.2019 / 14:55 / Foto: achgut.com / 80 / Seite ausdrucken

Wer Hass streut, der erntet Hass

Die Umkehr von Opfer und Täter, wie wir sie derzeit im Falle des Bremer AfD-Politikers Magnitz erleben, der vermutlich so lange gegen eine Wand gelaufen ist, bis er so aussah, als wäre er überfallen worden, ist kein neues Phänomen, sondern deutsche Tradition. Nach dem letzten Krieg, der eindeutig zu Ungunsten von Deutschland ausging, war lange von der "Siegerjustiz der Alliieren" die Rede, als wäre Justiz nicht grundsätzlich "Siegerjustiz" und als hätten die Angeklagten, die in Nürnberg und später in Frankfurt und auch andernorts vor Gericht standen, nichts verbrochen. Sie waren die Opfer der Geschichte, der Umstände und – natürlich – der Rache der Sieger.

Bei den Juden galten dagegen andere Maßstäbe. Infamer als die expliziten Holocaust-Leugner waren die Relativierer. Sie bestritten nicht, dass die Juden im Dritten Reich "furchtbar gelitten" hatten oder dass ihnen "Schreckliches widerfahren" ist, sie stellten nur in aller Unschuld die Frage, welchen Anteil die Juden daran hatten, was ihnen angetan wurde. Prototypisch war des Brief eines SPIEGEL-Lesers auf eine Geschichte über die Kontinuität des Antisemitismus: "Seit 2000 Jahren verfolgt und immer ohne Grund?" Noch heute wird in der Berichterstattung sauber zwischen "schuldigen" und "unschuldigen" Opfern unterschieden. "Unschuldig" mögen die Toten und Verletzten vom Breitscheidtplatz sein, die Opfer der 9/11-Anschläge gehörten dagegen einem Kollektiv an, das sich schuldig gemacht und deswegen eine Strafe verdient hatte.

Nehmen Sie sich bitte 10 Minuten Zeit und lesen Sie diesen inzwischen 7 Jahre alten Text über die Reaktionen deutscher Intellektueller auf 9/11. Einige von ihnen schweben inzwischen auf Wolke 7, andere sind noch immer im Kulturbetrieb aktiv und streiten für eine bunte, offene und tolerante Gesellschaft. Etliche haben sich als „Experten" etabliert und erklären, warum die Amerikaner an allem schuld sind, auch am Islamismus und Terrorismus, während die arabischen Massen sich nichts sehnlicher wünschen als Frieden und Freiheit.

Und nun erfahren wir in der Tagesschau, die Geschichten gerne von hinten aufzäumt, es gebe "Empörung über (einen) Angriff auf (den) Bremer AfD-Politiker Magnitz". Zu den "Empörten" zählt auch die schmallippige Co-Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock. "Gewalt", sagt sie, habe "in einer Demokrarie nichts zu suchen, deswegen verurteilen wir jede Form von Gewalt". Und wer diese subtile Andeutung nicht verstanden hat, dem hilft sie mit ihrem nächsten Satz auf die Sprünge: "Wer Haß streut, der erntet Haß..." (Hier bei 1:54)

Das meint auch eine Gruppe, die sich "Der Antifaschistische Frühling Bremen" nennt in einem Eintrag auf indymedia, den man trotz Löschung immer noch im Netz finden kann: "Wer Hass sät, wird Gewalt ernten". 

Das ist die bunte, offene und tolerante deutsche Gesellschaft im Jahre des Herrn 2019. 

"Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen, ich bin der Antifaschismus." Dieser Satz wird dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone zugeschrieben. Egal, vom wem er stammt, Silone, Don Camillo oder Cicciolina, nie war er aktueller und richtiger als heute.

Foto: achgut.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

alexander meyer / 10.01.2019

Josef Bachmann schoß vor 51 Jahre Rudi Dutschke in den Kopf ! Wir sind wieder auf dem Weg,nur diesmal umgekehrt : Repräsentanten des rechten Lagers benötigen heutzutage Polizeischutz,Synagogen u bekannte,liberale Muslime schon längst. Mögen die Betroffenen standhaft bleiben !

yvonne Flückiger / 10.01.2019

Leider ist die Täter-/Opfer-Umkehr kein neues -oder gar seltenes Phänomen, wie einige vergewaltigte Frauen, die es wagten Anzeige zu machen; vor Gericht sehr hautnah erleben durften/-und immer noch dürfen. Plötzlich ist die Tat kein Thema mehr und nur noch ihr “Lebenslauf, ihre Kleidung und ihre Gepflogenheiten"stehen im Fokus der Untersuchung und Verurteilung. Und: Selbstverständlich ist schlussendlich SIE schuld, (warum auch immer, vermutlich weil sie Frau ist), während ER, der Arme, Missverstandene höchsten einen “Bedingten” fasst. WENN überhaupt. So war es bis jetzt für Frauen. Jetzt fängt dies auch noch (wieder?) bei Männern an. Gute Nacht! Grausame Vergangenheit, ich hör Dir tapsen.

Emma Kustner / 10.01.2019

Der neue Faschismus ist ganz der Alte geblieben, er war schon immer der Sozialistische. Ob National-Sozialismus oder International-Sozialismus bleibt unbedeutend. Also währet den Anfängen ??? ... Der Anfang: Andersdenkende, später auch Schuldige für das eigene Versagen (sobald sich die ideologischen Heilsversprechen erkennbar nicht erfüllen werden) werden unter einem Begriff zusammengefasst und vom Staat/Öffentlichkeit wird Schritt für Schritt die Menschlichkeit, die gleiche Rechte, etc. zunächst in Frage gestellt und später direkt abgesprochen (das kommt erst noch). Jetzt werden erstmal Zweifel gesät, ob dieses “Pack, Nazis, Rechtspopulisten” etc. überhaupt einen Platz in der (Volks)gemeinschaft verdienen, die Antwort wird am Ende NEIN lauten.  Das Konzept lautet ENTMENSCHLICHUNG des Gegners. Dieses Konzept ist von den Deutschen erprobt worden und hat sich bewährt: psychisch normale, liebende Familienväter und -mütter wurden und werden damit in die Lage versetzt, grausam und organisiert-industriell den definierten Gegner (egal ob Alte, Frauen, Kinder, Babys) z.T. mit eigener Hand und ohne Mitgefühl “auszumerzen”, wie Tiere eben. Alles eine Frage der Definition. Und so werden die Opfer am Ende sogar selbst Schuld sein und nur ihre “gerechte Strafe” erhalten. Ein geniales Konzept für National-Sozialisten und auch International-Sozialisten - wir sind einfach nur wieder am Anfang. Aber diesmal können wir nicht sagen, wir hätten es nicht kommen sehen.

Okko tom Brok / 10.01.2019

Der bevorzugt von Linksextremisten zitierte Satz ist ja nicht grundsätzlich falsch: Hass erzeugt tatsächlich oft Gegenhass. Falsch ist jedoch die pauschale Unterstellung, jegliche von der AfD seit 2013 artikulierte Kritik am offensichtlich grob fehlerhaften Regierungshandeln sei „Hass“ (vgl. dazu den gestrigen Leitartikel in der NZZ). Und unverständlich ist ferner, dass Linksextreme mit ihrem ganz unverhohlenen Hass auf „Rechte“ (einschließlich solcher, die nur sie dafür halten!) sich nicht fragen, ob der Satz auch auf ihr eigenes Handeln und die entsprechenden Konsequenzen zutreffen könnte… Herrn Broder ist im Übrigen in allen Aspekten zuzustimmen.

Jagiello Johanna / 10.01.2019

Als ich vor ein paar Tagen den barmherzigen Satz von Anna-Lena hörte, der genauso gut von der Antifa kommen könnte, dachte ich: Warum reagiert keiner? Auf Sie kann man sich immer verlassen, lieber Herr Broder!

Marc Blenk / 10.01.2019

Lieber Herr Broder, liest man allein die Twittermeldungen unserer siegheiligen grünen und linken Politdarsteller, kann man zu keinem anderen Schluss kommen, als dass diese Leute die Gestade der Demokratie, des Rechts, des Rechtsstaates längst verlassen haben. Solche menschenverachtenden Zuschreibungen wie bspw. die von Özdemir, der dem Opfer bildlich gesprochen im Fallen noch einen Tritt mit gibt und ihn zu einem Menschen abstempelt, der hasst und ohnehin ein Nazi wäre, sind Volksverhetzung. Özdemir gehörtdafür angezeigt.  Im übrigen: Wer gegen heutig lebende den Begriff #Nazi gebraucht, ist intellektuell nicht satisfaktionsfähig, ein Verharmloser geschichtlicher Tatsachen und ethisch auf dem Niveau eines Tierquälers. Eine ganze Generation von gewohnheitsmäßigen Politikern ist gerade dabei, unsere Demokratie zu schänden. Wenn in dieser Republik überhaupt irgendwer politisch hasst, dann sind es die Politiker aus den Parteien SPD, Linke und den Grünen (Gruppierungen, denen ich bis vor ein paar Jahren selbst noch nahestand) , die denken, ihnen gehöre nun der Staat und sie bräuchten keine Regeln mehr zu beachten. Ja noch nicht einmal die Regel der körperlichen Unversehrtheit gilt ihnen wirklich irgendwas. Sonst hätten sie ganz auf Zuschreibungen des Opfers und seiner parteilichen Zugehörigkeit verzichtet. Der faschistische Geist ist schon vor langem in das linksgrüne Milieu eingefahren und fängt nun an, sich nach außen zu materialisieren. In einem historischen Moment, wo sich die Politschlaraffen oben wähnen bei gleichzeitiger Angst vor dem jähen Abstieg und dass die Allparteienharmonie bald ein Ende haben könnte, sind sie offensichtlich bereit, die Grundlagen unserer Demokratie einzureißen. Die Verbindungen zur Antifa sind geknüpft.  Sie ist die neue alimentierte Angstmachertruppe, der man sich gerne bedient und die, wie das gut in Sure 3, Vers 15 beschrieben wird, in die Herzen der Ungläubigen Schrecken werfen soll.

Dr. Andreas Kleemann / 10.01.2019

Eine Art neuer Hexenwahn hat sich hier in Deutschland etabliert, und das mitten im 21. Jahrhundert. Und viele Medien helfen dabei mit, anstatt gegenzusteuern. Ich empfehle hier deshalb einen außergewöhnlich beindruckenden Film, den jeder an Herrschaftstechniken Interessierte sich mindestens einmal ansehen sollte: “The Village”.

Gisela Horn / 10.01.2019

Auf den Punkt, Herr Broder ! Wir als “Nazis” sollten uns den Faschisten stellen !

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 03.04.2024 / 12:00 / 120

Kein Freibrief von Haldenwang

Von „Verfassungshütern“ wie Thomas Haldenwang geht die größte Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie in unserem Land aus. Wenn die Bundesrepublik eine intakte Demokratie wäre, dann…/ mehr

Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com