Peter Grimm / 26.08.2021 / 11:00 / Foto: Jmorenov / 85 / Seite ausdrucken

Wer glaubt an den Scholz-Flug?

Es ist schon bemerkenswert, welche Erfolge die SPD gegenwärtig in Umfragen feiert. Zuerst konnte sie die CDU bundesweit knapp überholen, wenn man den entsprechenden Meinungsforschungsinstituten glauben darf. Streng genommen hat zuletzt nicht die SPD die CDU überholt, sondern die CDU hat sich hinter die SPD zurückfallen lassen. Trotzdem überschlugen sich die Kollegen Journalisten, den Aufstieg der totgesagten Partei zu begründen und zu erklären. Da war natürlich viel von der staatsmännischen Ausstrahlung von Olaf Scholz die Rede. In der Tat ist Scholz in dieser Darstellungsform seinen Mitbewerbern überlegen. Wer niemals lacht, vermeidet die Gefahr, auch mal am falschen Ort zu lachen.

Außerdem wird der Aufwind für die zuvor abgeschriebene SPD gern damit erklärt, dass es ihr derzeit gelingt, die vielen Irrlichter in der Parteiführung zum Schweigen zu zwingen. Von Saskia Esken oder Kevin Kühnert, die es schon mit einem gesprochenen Satz schaffen, potenzielle Wähler zu vergrämen, ist seit Wochen nichts zu hören. So optimistische Erscheinungen wie Ralf Stegner scheinen sich in die Zeitgeschichte verabschiedet zu haben. Karl Lauterbach mag seine Aufnahme in den Reigen der apokalyptischen Reiter von Corona ursprünglich dem Umstand verdanken, von der SPD zu deren Gesundheitsexperten ernannt worden zu sein. In der öffentlichen Wahrnehmung ist er längst mehr eine Art Chef-Propagandist einer überparteilichen Corona-Junta als ein Vertreter seiner Partei. Insofern denken wahrscheinlich auch die wenigsten der 23 Prozent der befragten Wahlberechtigten, die jetzt SPD wählen würden, daran, dass ihre Stimme dem Genossen Lauterbach den Weg ins Bundesgesundheitsministerium ebnet.

Ein Problem auch ohne Kausalzusammenhang

Da gerade wieder der Corona-Ausnahmezustand mit weitgehenden Ermächtigungsregeln, insbesondere für den Gesundheitsminister, verlängert wurde, sollte man diesen Umstand bei der Stimmabgabe nicht vergessen. Denn im Falle eines Falles könnte der Genosse Lauterbach die Maßnahmen, über die er bislang nur drohend fabulieren konnte, dann eigenhändig verordnen.

Aber man kann dem Genossen Karl nicht vorwerfen, dass er zum neuen Umfrageglück wirklich etwas beigetragen hätte.

Eine Erklärung kommt den meisten Kollegen nicht in den Sinn, wäre für sie wahrscheinlich auch nur eine Verschwörungstheorie. Doch es könnte im Ernstfall auch einen kleinen Einfluss auf das veröffentlichte Bild der SPD haben, dass der Partei mit der DDVG eine große Medienholding gehört. Mehr über das „rote Medien-Imperium“ mit seinen vielen Beteiligungen können Sie hier lesen. Natürlich, so dürfte nach der ersten lauten Andeutung eines solchen Zusammenhangs aus allen Redaktionen mit DDVG-Beteiligung unüberhörbare Empörung zu vernehmen sein: Man bekomme keine Direktiven der Partei. Und selbstverständlich gibt es solche nicht. Zu glauben, Beeinflussung würde so plump funktionieren, wäre ebenso naiv, als würde man darauf vertrauen, dass es für eine Redaktion völlig ohne Belang ist, wem der Arbeit und Geld gebende Verlag gehört.

Nein, hier soll kein konkreter Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit der SPD als Medienhaus und ihrem gegenwärtigen kleinen Aufschwung behauptet werden. Aber es ist ein Anlass, diesen, in einer Demokratie bedenklichen, Umstand wieder zu erwähnen, dass eine Partei, die Geld vom Steuerzahler bekommt, gleichzeitig als Medienunternehmer agiert. Dazu ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder berichtet worden, doch – wenn überhaupt – währte die Empörung nur kurz. Schnell wurde der Skandal wieder vergessen und es blieb alles beim Alten. Da selten nennenswert Neues zu berichten war, blitzten Kollegen, die das hochproblematische Medien- und Partei-Konglomerat thematisieren wollten, bei Redakteuren oft ab. Es war und ist ja im Prinzip alles bekannt. Man hat sich an den Missstand gewöhnt. Auch hier wurde eigentlich schon alles gesagt. Deshalb ist das aktuelle SPD-Hoch ein Anlass, einmal wieder auf diesen Missstand hinzuweisen.

Der Höhenflug der Frau Ex-Doktor

Zu der einen Umfrage-Spitzenposition ist nämlich am Mittwoch eine weitere hinzugekommen. Laut einer neuen Insa-Umfrage für „Bild“ und „B.Z.“ verbesserten sich die Sozialdemokraten in der Sonntagsfrage für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus auf 22 Prozent und verwiesen die bislang in Berlin in den Umfragen führenden Grünen mit 18 Prozent auf Platz zwei.

Kann man das wirklich glauben? Frau Ex-Doktor Franziska Giffey, die nach der Plagiatsaffäre um die Doktorarbeit nun auch unter Verdacht steht, schon Jahre zuvor bei ihrer Masterarbeit abgeschrieben zu haben, könnte Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden? Gut, berauschend ist ein Umfrageergebnis von zweiundzwanzig Prozent für eine einstige Volkspartei wahrlich nicht. Und in einer Stadt, in der ein so ausdrucksarmer Mann wie Michael Müller Regierender Bürgermeister werden konnte, muss man sich über nichts mehr wundern. Dort muss man die eigene Medienholding wahrscheinlich wirklich nicht bemühen, um an die Spitze zu gelangen.

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Dietrich Herrmann / 26.08.2021

Sind 23% tatsächlich ein Höhenflug? Diese Formulierung ist einfach nur dumm.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com