Ulrike Stockmann / 24.06.2019 / 16:00 / Foto: Ross Halfin / 6 / Seite ausdrucken

“Wenn Rocker über Politik sprechen, wird es furchtbar”

Die Band „Hollywood Vampires“ – bestehend aus den Rocklegenden Alice Cooper und Joe Perry sowie Hollywood-Star Johnny Depp – feiert die Veröffentlichung ihres soeben erschienen Albums „Rise“. Vergangenen Donnerstag stellte die Band ihr Cover des Bowie-Songs „Heroes“ in der Jimmy-Kimmel-Show vor – erstmals mit Johnny Depp am Mikrofon. Der Song wurde in den Hansa Studios aufgenommen, demselben West-Berliner Studio, das Bowie im Sommer 1977 für die Produktion des Songs benutzt hatte.

In einem Interview, das von der Plattenfirma earMUSIC zur Verfügung gestellt wurde, geben die drei Showbiz-Größen über ihre Arbeit und ihr Selbstverständnis Auskunft – und wie sie es mit der Politik halten. In einem Interview mit dem Guardian im vergangenen Dezember hatte Cooper bereits geäußert, es sei ein „Machtmissbrauch“, wenn Musiker ihren Fans raten würden, wen sie wählen sollen. „Damit erklärt man seinen Fans, dass sie nicht für sich selbst denken sollen, sondern so wie Du. Im Rock’n Roll geht es um Freiheit – und das ist keine Freiheit.“  

Die „Hollywood Vampires“ gründeten sich 2015 in Gedenken an Rock-Größen, die in den 1970er Jahren ihrem Exzess erlagen. Dementsprechend bestand ihr erstes Album „Hollywood Vampires“ größtenteils aus Covern der Rockgeschichte. Der Name der Band bezieht sich auf den gleichnamigen Trinkclub, den Alice Cooper in den 70er Jahren ins Leben gerufen hatte. Mitglieder waren damals unter anderem Elton John, John Lennon, Janis Joplin und Keith Moon. Die meisten der berühmten Trinkfreunde Coopers starben früh, sodass der Bandname „Hollywood Vampires“ buchstäblich für die Wiederauferstehung toter, aber zugleich unsterblicher Rockstars steht.

Alice Cooper hat seine schwere Alkoholsucht 1984 überwunden, nachdem er eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse entwickelt hatte und der Arzt ihm nur noch zwei Wochen zu leben gab. Auch Aerosmith-Gitarrist Joe Perry sammelte einschlägige Drogen- und Alkoholerfahrungen. Johnny Depp sprach vergangenes Jahr in einem Rolling-Stone-Interview von seinem Alkoholproblem, das ihm zu diesem Zeitpunkt besonders zu schaffen machte. Damals half ihm die Tour mit den „Hollywood Vampires“, um auf andere Gedanken zu kommen.    

Johnny Depp weigerte sich zu singen

Das zweite Album „Rise“ enthält vordergründig eigenes Material. Drei Coverversionen sind jedoch auch dieses Mal dabei – neben dem erwähnten Bowie-Tribut gibt es Versionen von „People Who Died“ der Jim Carroll Band und Johnny Thunders „You Can't Put Your Arms Around A Memory“, gesungen von Joe Perry.

„Ich hatte einfach das Gefühl, dass wir diesen Song machen sollten“, erzählt Depp über das Bowie-Cover. „Der Titel hat mir immer viel bedeutet. Vor allem in den letzten Jahren. Ich wollte ursprünglich, dass Alice ihn singt.“ „Ich kannte Bowie ziemlich gut“, ergänzt Cooper. „Aber ich hatte keine emotionale Verbindung zu ihm, wie Johnny sie hat. Er sagte: ‚Du singst es.‘ Und ich sagte: ‚Nein, Du singst es.‘ Und er darauf: ‚Ich singe nicht.‘ Und ich dann: ‚Aber Du hast doch Sweeney Todd gemacht.‘ Er singt den Song besser, als ich es je gekonnt hätte.“

„Den Titel in den ehemaligen Hansa Studios, in diesem riesigen, wunderschönen, verzierten Raum (dem ehemaligen Tonstudio 2, dem heutigen Meistersaal, Anm, d. Red.) aufzunehmen, war einfach unglaublich“, schwärmt Depp. „Das Besondere an diesem Studio war, dass sie dort Vinylschnitte machen, wir den Song also auch direkt auf Vinyl aufgenommen haben. Das habe ich vorher noch nie gemacht“, erzählt Perry. Leider – typisch chaotische Rockstars – ist diese kostbare Vinyl-Version des Titels verschollen.

Warum haben sich nun aber drei erfolgreiche Showgrößen im fortgeschrittenen Alter, die scheinbar schon alles erreicht haben, zu einer neuen Bandformation zusammengefunden? Einerseits aus Spaß an der Freude und andererseits aufgrund der künstlerischen Freiheit: „Es sollte auf keinen Fall wie ein Alice-Cooper-Album oder ein Aerosmith-Album klingen. Viele unserer Texte stammen aus Johnnys Tagebuch. Manchmal sehr surrealistisch, manchmal sehr ergreifend. Für mich war es toll, nicht nur meine eigenen Ideen zu singen“, erzählt Cooper. Und: „Wo ich normalerweise sagen würde: ‚Lasst uns den Song um die Hälfte kürzen‘, haben wir es gelassen wie es ist.“ Sie hätten sich also entgegen ihrer Erfahrung in der Platten-Produktion dafür entschieden, den Dingen ihren natürlichen Lauf zu lassen. Das mache den Sound so ursprünglich.

Persiflage als Marschlied

„Bei mir vollzog sich ein gewisser Wandel, als ich die Riffs zu den Songs schrieb“, berichtet Perry. „Als ich mit Tommy (Henriksen, der das Album mitproduzierte, Anm. d. Red.) an den Gitarrenparts arbeitete, sind definitiv Dinge entstanden, die ich bei Aerosmith nicht machen würde und die zu dieser Band gehören.“ Einige der Gesangsspuren haben die „Hollywood Vampires“ in Hotelzimmern eingesungen, während sie auf Tour waren. „Mit der heutigen Technik ist das möglich. Dazu braucht man nicht mehr unbedingt ein Studio“, so Cooper. Die Experimentierfreude und Gedankenlosigkeit, mit der sie an die Produktion herangegangen sind, merkt man dem Album in jedem Fall positiv an. Die Songs sind wohl am besten als roher und etwas rotziger Rock’n Roll zu beschreiben.

Wie viele andere Musiker in der heutigen Zeit fühlten sich auch die „Hollywood Vampires“ berufen, sich politischen Inhalten zu widmen. Dies geschah in ihrem Song „We gotta rise“. In dieser Persiflage, die als Marschlied konzipiert ist, ruft Alice Cooper als US-Präsident dazu auf, to „rise above the lies“. Der Text drückt im Grunde auf anarchische und zugleich etwas ratlose Weise das Unbehagen über das Spiel der Politik aus: „Ich glaube nicht, dass man ohne Satire als Rocker über die amerikanische Situation oder irgendeine politische Situation sprechen kann. Wenn man es mit Ernst tut, wird es furchtbar. Wir sind keine Politiker“, erklärt Cooper. Wenn sie 2020, dem Jahr der nächsten US-Wahl, auf Tour gehen, freuen sie sich besonders darauf, „We gotta rise“ live zu performen. „Wir ziehen keinen Kandidaten dem anderen vor, denn wir sehen sie alle als denselben Kerl an. Sie sind alle derselbe Kerl. Bis jemand sich als anders herausstellt“, so Cooper. Belanglose politische Korrektheit? Vielleicht auch weise Vorsicht. Siehe oben das Interview mit dem Guardian.  

Das Album „Rise“ von den „Hollywood Vampires“ ist bei earMUSIC erschienen. Ab sofort im Handel und auf allen Streaming-Plattformen erhältlich.

Foto: Ross Halfin

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Leserpost

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Gabriele Schulze / 24.06.2019

Der Überschrift bzw. dem Zitat ist zuzustimmen. Gerne kann auch “Rocker” durch andere Berufsbezeichnungen ersetzt werden. Darauf einen Dujardin.

Christian Feider / 24.06.2019

Natürlich sind alle Berufspolitiker gleich…das kommt vom “Beruf” diesen Gestalten liegt nur Ihre Karriere am Herzen,Waehlerwille oder anliegen stören da nur. das die Demokratie so entarten konnteliegt nur am Parteien/Listen/ und indirektem Wahlsystem,was Blankoschecks auch für die grössten Nullen verteilt,solange sie nur die Kunst des Hochbeissens beherrschen

Martin Rühle / 24.06.2019

Furchtbar wird es nicht erst, wenn Alice Cooper und andere “Überlebende” über Politik fabulieren. Wie soll man es finden, wenn ein über 70 jähriger bei nahezu jedem Auftritt über den letzten Schultag vor Ferienbeginn röhrt, vor einer Anhängerschaft, die in ihrer Mehrzahl auch einige Dekaden von selbigem entfernt sind?  Peinlich, zum Fremdschämen oder einfach nur kommerziell leidlich erfolgreich…??? School’s Out Forever ...!

Thomas Taterka / 24.06.2019

Als ” Beute” aus diesem Artikel nehm’ ich mir ‘mal die Jimmy - Kimmel Show mit. Unter gutem ” Rock ” verstehe ich heute nur noch, was meine Frau fallen läßt.

Eugen Karl / 24.06.2019

Er soll endlich selbst kandidieren. Seit er 1972 “I wanna be elected” sang, warte ich darauf.

Hjalmar Kreutzer / 24.06.2019

„es sei ein „Machtmissbrauch“, wenn Musiker ihren Fans raten würden, wen sie wählen sollen.“ Was für ein Kontrast zu unseren öffentlich-rechtlich abhängigen Künstlern mit „Haltung“. Da darf der Zuhörer sich schon mal von einem Sänger, der einen gar nicht kennt, pauschal als ...loch beschimpfen lassen, wenn man eine bestimmte Partei gewählt hat. Konzerte und Tonträger kann man boykottieren, Rundfunk-„Beitrag“ wird einem trotzdem abGEZwackt.

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