Chaim Noll / 15.06.2018 / 12:30 / 22 / Seite ausdrucken

Wenn Medien ihre Kunden Pöbel nennen

„Ein Mädchen wird getötet“, begann Spiegel Online dieser Tage ein Artikel über den Mord an der vierzehnjährigen Susanna aus Mainz. Um dann programmatisch fortzufahren: „Doch darum geht es vielen längst nicht mehr. In Mainz und Wiesbaden lässt sich beobachten, was passiert, wenn ein Mord politisiert wird.“

Bereits diese Aussage ist falsch. Der Mord an Susanna muss nicht „politisiert“ werden, er war politisch von Anbeginn an. Ein in Deutschland lebendes jüdisches Mädchen von vierzehn Jahren lässt sich ein auf die Annäherungsversuche eines illegal im Lande weilenden „Flüchtlings“ aus dem Irak und wird von ihm ermordet. Diesen Vorfall muss man nicht „politisieren“ oder „politisch instrumentalisieren“, er spricht für sich, enthält in symbolischer Verdichtung die Misere der in Deutschland lebenden Juden, der illegal im Land lebenden Muslime, der Politiker, der Polizei, der Justiz-Vollstreckung und des ganzen Landes.

Dem Täter war von einem deutschen Gericht schon lange vorher der Flüchtlingsstatus aberkannt worden, daher die Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland. Das Gericht glaubte nicht, was Ali Bashar behauptete: Er hätte vor politischer Gewalt aus Kurdistan fliehen müssen. Doch wie in so vielen Fällen war das deutsche Gerichtsurteil völlig bedeutungslos, weil dieser Staat nicht mehr imstande oder willens ist, sein Recht in die Tat umzusetzen.

Das Problem mangelnder Durchsetzung des Rechts ist auch in anderen westlichen Staaten bekannt, im Englischen oder Amerikanischen spricht man von lack of law enforcement. Ein Rechtsstaat taugt so viel, wie er imstande ist, seine Grundsätze durchzusetzen. Der Rest ist Heuchelei. In die Falle dieser Heuchelei ist die vierzehnjährige Susanna getappt. Nicht nur sie. Im Grunde geht es uns allen so, wenn wir der Sicherheit eines Rechtsstaates vertrauen, der sich in eine Attrappe verwandelt hat.

„Der Pöbel nennt sich jetzt ‚Öffentlichkeit‘“

Politiker, die law enforcement tatsächlich von der Exekutive einfordern, werden von den Medien gern als „rechts“ oder „Hardliner“ bezeichnet – eine Form des Verrats gegenüber dem Rechtsstaat, an die wir uns gewöhnt haben. Einige Journalisten gehen noch weiter. Sie assoziieren law enforcement mit niederen Regungen, mit den blutrünstigen, rachsüchtigen Aufwallungen des „Pöbels“.   

Eine Kolumnistin von stern online, Sylvia Margret Steinitz, sorgte sich anlässlich der Geschichte von Susanna um die Toleranz der Deutschen gegenüber „Asylbewerbern“. Frau Steinitz ist, wie die stern-Website mitteilt, bekennende „Feministin“. Scherzhafter Zusatz: „Aber sagen Sie ruhig Emanze zu ihr.“ Das selbst verliehene Etikett hat sie dringend nötig, so anti-feministisch, ja frauenfeindlich, wie ihr Text in Wahrheit ist. Schon lange erleben wir, wenn es um muslimische Männer geht, den verstohlenen Übertritt von „Feministinnen“ zu Fürsprecherinnen eines militanten Männlichkeitswahns.

In ihrer jüngsten Kolumne („Der Fall Susanna: Die große Show“) fürchtet Frau Steinitz Überreaktionen der deutschen Bevölkerung und erwartet „einen Wendepunkt im öffentlichen Umgang mit den Schwachpunkten des Asyl- und Justizsystems.“ Sie ergänzt: „Diese Wende ist wichtig, besonders im Sinne der Asylwerber, die als erste die Wut des Pöbels – Pardon: der Öffentlichkeit – zu spüren bekommen.“ Und damit dem Leser diese Nuance nicht entgeht, wird die Aussage wiederholt: „Der Pöbel nennt sich jetzt ‚Öffentlichkeit' (...)“

Zweimal wird in diesem Text eine Synonymisierung von „Öffentlichkeit“ und „Pöbel“ vorgenommen. Öffentlichkeit, Transparenz, ist eine der Säulen des demokratischen Systems. Nun erleben wir, wie man sie delegitimiert. Immer dort, wo sie nicht dem Willen der Politiker entspricht. Bisher haben sich Medien wie der stern als Teil der „Öffentlichkeit“ verstanden. Da ihnen die Kontrolle entgleitet und die Öffentlichkeit eigene, von der Linie der Leitmedien abweichende Wege geht, distanzieren sie sich von ihr und schlagen sich auf die Seite der Macht.

Medien, die sich abgrenzen gegen die Öffentlichkeit und stattdessen als Teil einer den „Pöbel“ verachtenden, Transparenz-scheuen Machtelite verstehen, verraten ihre eigentliche Funktion in der Demokratie. Sie sind mutiert. Zu Instrumenten der Manipulation.

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Leserpost

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Andrée Bauer / 15.06.2018

Ich versuche wirklich meinen eigenen „ filter bubble „ zu überwinden und ein relativ breites Spektrum an Nachrichten zu lesen. Allerdings gestehe ich, kann ich das inzwischen nur noch sehr begrenzt ohne, dass ich mich unglaublich aufrege . Ich überfliege Artikel in FAZ UND WELT zumeist nur noch und lese mit mehr Interesse die Kommentare. SPON , HuffPost , SZ etc tue ich mir nicht mehr an, da ich anschließend meine Familie mit Zorn Tiraden nerve. Das Gleiche gilt für ÖR TV Sender und n-tv. Früher sah ich CNN und las noch die NYT oder WaPo. Inzwischen habe ich geswitcht zu WSJ und The Times. Trotzdem bemühe ich mich immer noch, nicht komplett in meiner Meinungsblase zu leben, allerdings wird auch der Austausch immer schwieriger , die Auseinandersetzung immer derber. Danke solchen Plattformen wie AchGut , dass Sie zahlreiche Medien scannen und auch Artikel verlinken, welche ich so niemals lesen würde.

Gudrun Meyer / 15.06.2018

Die Medien waren mal eine, wenn auch schlecht funktionierende, Institution, die die Transparenz konkret umsetzte und damit die herrschende Clique nicht ganz aus der Zone des Rechtsstaates entkommen ließ. Ihr innerer Umbau zu reinen Propagandatröten erfolgte langsam - und je genauer ich mich an die Zeit erinnere, in der ich jung, desto mehr komme ich zum Schluss, dass diese Entwicklung schon vor 30 Jahren ziemlich fortgeschritten war oder, in ehrlicheren Medien, zumindest eingesetzt hatte. Damals bedeutete “Transparenz”, trotzdem noch, dass Abläufe hinter dem Vorhang - Bestechungen, andere Formen der Einflussnahme, allzu unüberlegte oder allzu genau überlegte und hinterhältige Entscheidungen - veröffentlicht wurden. Heute bedeutet “Transparenz” eher “offen aussprechen, was alle wissen, was aber weltanschaulich inkorrekt ist und dem, der es sagt, in einem weniger ausgeglichenen Moment die Personalbeschreibung “RÄCHZ!” einbrächte”. Diese Art von “Transparenz” kennzeichnet lichte Momente in halbtotalitären Systemen. So war es im nach-stalinistischen Russland und seinen Vasallenstaaten, so ist es jetzt in D, wobei hier immerhin die Schweizer Presse und kritische Internetseiten legal sind (aber vergessen Sie nicht, dass die Stasi-Stiftung “achgut “und “tichys” Einblick als “Nazi”-Seiten finanziell ruinieren wollte). Der Rechtsstaat ist bereits untergraben. Jetzt beginnt der Zahltag, und in ein paar Jahren werden noch weit mehr völlig wehrlose Susannas tot sein. Steinitz aber, die weiß, wer bereits das Sagen hat, wird dieses arme Kind sehr schnell vergessen und sie wird auch beim nächsten Fall für unpolitisch halten, dass der Mörder ohne die große Grenzöffnung gar nicht nach D gekommen wäre.

Rüdiger Kuth / 15.06.2018

„Der Pöbel nennt sich jetzt ‘Öffentlichkeit‘ (...)“ Wow, dann gehöre ich auch zum “Pöbel”. Ich bezahle seit Jahrzehnten hier im Land pünktlich und gewissenhaft meine Einkommensteuer, GEZ Gebühren, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Pflegeversicherung und noch vieles mehr. Außerdem arbeite ich 30 bis 40 Stunden im Monat ehrenamtlich für einen gemeinnützigen Verein, trage nie ein Messer oder andere Waffen bei mir - Gewalt gegen Mitmenschen lehne ich grundsätzlich ab. So, das ist dann die Einschätzung für Spezies wie mich aus Sicht eines Schreiberlings/ingin: Menschen, die als Gegenleistung Verlässlichkeit von dem von ihnen getragenen Staat fordern = PÖBEL. Vielen Dank!

Andreas Rühl / 15.06.2018

Ich habe ein Problem mit dem Begriff “Manipulation”. Denn, wer Menschen manipulieren will, geht doch (so mein Vorverständnis) im Regelfall subtil vor. Allerdings ist dem zuzugeben, dass die Manipulation - oder “Steuerung” - der öffentlichen Meinung in der Geschichte oft genug mit dem Holzhammer versucht wurde, allerdings in totalitären Staaten, in denen die öffentliche Meinung durch Gleichschaltung der Medien als einzige Informationsquelle der Bevölkerung leicht von der Macht zu kontrollieren war. Hier erleben wir gleichwohl keine Manipulation, sondern auf den ersten Blick als solche erkennbare, grotesk plumpe Fälschungsversuche. Wer fällt auf so etwas herein, wer glaubt solchen Unfug? Nun, nur diejenigen, die in derselben von einer weltfremden Ideologie geschaffenen Scheinwelt leben. Es wird nicht manipuliert, sondern es findet Selbstvergewisserung durch Wiederholung in reinen Echoräumen statt. Ähnliches kann man beim Thema AfD übrigens leider auch auf der Achse beobachten und daher waren und sind die Versuche zu loben, der Echoraumbildung hier entgegen zu wirken. Mich machen diese ideologischen Selbstvergewisserungspredikten einfach nur müde. Sie gehen mir am A…. vorbei. Gäbe es die Achse nicht, würde ich davon nichts erfahren. Mein Problem ist: Gehe ich den Echoräumen aus dem Weg, bin ich schon bald im Niemandsland; der Manichäismus unserer Tage, die Likes and Hates der sozialen Medien dominieren die gesamte öffentliche Diskussion. Schweigeminuten von Rednern des deutschen Bundestages gehören im übrigen auch dazu, ebenso wie die Reaktion von Frau Roth auf die Anfeindungen, die sie als öffentliche Personen mit “klarer Kante” einfach hinzunehmen hat statt rumzuheulen. Meine Welt ist das eine so wenig wie das andere und ich merke von Tag zu Tag, wie meine Welt immer kleiner und kleiner wird.

Frank Irle / 15.06.2018

Bei Journalisten wie Frau Steinitz muss ich immer an den Adel der Vergangenheit denken: maximal eingebildet, aber gebildet höchstens im Sinne einer ausgereiften Fachidiotie; nie verlegen um herablassende Bemerkungen gegenüber vermeintlich niederrangigen Personen, aber tief gekränkt, wann immer diese sich nicht demütig und unterwürfig verhalten; und stolz auf angeblich überragende Geistesleistungen, die doch niemals mehr sind als wichtigtuerisches Nachgeplapper in der eigenen Kaste gerade kursierender Phrasen. Inwiefern all das auf sie zutrifft, kann ich natürlich nicht beurteilen. Ihre albernen Posen allerdings deuten auf starke Übereinstimmungen hin und haben mit seriösem, glaubhaftem Journalismus nicht das Geringste zu tun.

Volker Kleinophorst / 15.06.2018

Wer ihren selbstgefälligen Chefredakteur kennt, der übrigens Pächter eines Hotel in Marrakesch/Marokko (kann man leicht googeln) ist, wundert sich nicht, was mittlerweile für Islamversteher beim Stern schreiben.

Frank Meier / 15.06.2018

Es gibt keine Hinweise darauf, daß die Religion des Opfers eine Rolle bei der Tat spielte. Abgesehen davon: d’accord.

Dietmar Blum / 15.06.2018

Wer andere Pöbel schimpft, ist tiefste Schublade, ist Pöbel². Ich frage mich immer, woher solche Schreiberlinge die Chupze nehmen, Menschen zu beurteilen.

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