Wenn man gezwungen wird, feige zu lügen

Anfang des Jahres hatte die kanadische Psychologie-Aufsichtsbehörde College of Psychologists of Ontario Jordan B. Peterson aufgefordert, sich aufgrund seiner politischen Äußerung einer „Umschulung“ zu unterziehen. Ansonsten würde er seine Zulassung als Psychologe verlieren. Jordan B. Peterson ging gerichtlich dagegen vor, der Oberste Gerichtshof Ontarios entschied jedoch zu seinen Ungunsten. Hier seine Reaktion.

Der Oberste Gerichtshof Ontarios, bei dem wir die Forderung des College of Psychologists of Ontario (Aufsichtsbehörde für Psychologen und psychologische Fachkräfte im kanadischen Bundesstaat Ontario, Anm. d. Red.) haben überprüfen lassen, hat nach meinem Verständnis entschieden, dass das College befugt sei, mich davon abzuhalten, irgendeine politische Meinung zu vertreten. Das Gerichtsurteil beginnt mit einem Plädoyer für die grundlegende Realität der Redefreiheit für die Bürger Kanadas, fährt dann jedoch mit einem „Aber“ fort. Das ist immer ein schlechter Anfang, wenn es um die Redefreiheit geht.

„Aber“ das College hat offenbar das Recht, zu entscheiden, dass ich gezwungenermaßen umerzogen werden kann, mit dem Risiko, meine Zulassung als Psychologe zu verlieren, weil ich politische Äußerungen getätigt habe, mit denen die Mitglieder des College nicht einverstanden sind. Diese Äußerungen beinhalten die zweimalige Kritik an unserem Premierminister Justin Trudeau, eine Kritik an seinem Stabschef, eine Kritik an einem Stadtrat Ottawas sowie meinen Widerspruch im Podcast von Joe Rogan gegen die klimaapokalyptische Panikmache, die idiotische Tyrannen der Bevölkerung aufzwingen.

Das alles macht mich also unprofessionell und zu einer Schande für den Berufsstand, sodass mich das College weiterhin zwingen kann, mich einem Umerziehungsprogramm mit ihren sogenannten „Social-Media-Experten“ (ein Beruf, der übrigens gar nicht existiert) zu unterziehen, bis ich meine Lektion gelernt habe, worin diese auch immer besteht und egal wie lange diese ihrer Meinung nach dauern wird. Oder sie können mir meine Zulassung als Psychologe entziehen.

Verfassung ist nichts wert

Das Gericht erklärt mir also, dass ich selbstverständlich Redefreiheit besäße. Aufgrund meiner Profession sei ich jedoch an meinen Berufsverband gebunden. Und dieser wiederum scheint dem Grundrecht der Redefreiheit nicht verpflichtet zu sein, obwohl er größtenteils eine staatliche Organisation ist.

Der Vorgang zeigt allen Kanadiern sowie allen anderen, die das lesen und sich noch so wenig für Kanada interessieren mögen, wie wenig unsere Verfassung wert ist. Und wenn die Kanadier so blöd sind, dies im Moment nicht für ein Problem zu halten, dann werden sie wohl innerhalb der nächsten 15 Jahre noch darauf kommen. Dafür gibt es absolut keine Entschuldigung.

Ich sage mir: Das College of Psychologists of Ontario ist hinter mir her, ich bin gerichtlich dagegen vorgegangen, die Richter haben entschieden, dass ich mich irre. Irre ich mich also? Ich denke, dass ich die politische Stimmungslage zum Ausdruck gebracht habe, ich bin gut informiert und kann absolut nicht erkennen, was daran falsch sein soll. Ich finde, ich habe die Verantwortung, zu sagen, was ich denke, und ich glaube, viele stimmen dem zu. Und ich glaube, die weltweite Folge dieser meiner Meinungsäußerungen war für viele Leute von großem Nutzen.

Erstens denke ich also „Was ist hier los?“ und zweitens „Weiter geht's, mal gucken, was passiert!“ Ich werde jedes Detail dieser Angelegenheit auf eine Weise öffentlich machen, die sich das College und das Gericht nicht einmal vorstellen können.

(...)

Aus meinen zahlreichen Gesprächen mit Medizinern, Anwälten und Psychologen weiß ich, dass vermutlich niemand außer mir in Kanada sich in einer Position befindet, um sich gegen solcherlei zur Wehr zu setzen. Das ist wirklich surreal. Denn es ist unglaublich teuer, ich habe keine Ahnung, ob meine Versicherung den Vorgang bezahlt, es ist stressig, komplex, zeitintensiv, und es könnte zum Verlust meiner Zulassung führen. Nicht zuletzt kann mir jedoch nichts geschehen, was mich wirklich bedrohen würde: Ich arbeite schließlich nicht mehr als Therapeut und habe keine Praxis mehr.

Ich glaube, den Kanadiern ist überhaupt nicht klar, in welchem Ausmaß bestimmte Berufsstände nun gezwungen sind, nicht mehr zu sagen, was sie denken oder zu lügen. Therapeuten sind nun also etwa gesetzlich gezwungen, über die Geschlechtsidentiät Minderjähriger zu lügen. Wenn man als Therapeut von seinem Berufsverband und per Gesetz gezwungen wird, feige zu lügen, kann man es eigentlich gleich sein lassen. Denn als Therapeut bleibt einem nur die Ehrlichkeit. Nichts ist heilsamer als Ehrlichkeit.

(...)

Warum gibt es denn die freie Rede? Weil es keinen Unterschied zwischen freier Rede und freiem Denken gibt. Keinen Unterschied zwischen freier Rede und Dialog. Keinen Unterschied zwischen freier Rede und Problemlösung und Verhandlung. Wenn man das beseitigt, können die Menschen nicht länger denken, sich entwickeln und miteinander verhandeln. Sie können sich eigentlich gar nicht mehr in der Welt orientieren.

(...)

Was fange ich nun an? Ich werde in Berufung gehen und das ganze vor den Obersten Gerichtshof von Kanada bringen. Ich glaube nicht, dass irgendein Richter die Weisheit oder den Mut besitzt, die Sache ordentlich zu verhandeln, es sei denn, man zieht vor das höchste Gericht Kanadas. Aber auch hier bin ich nicht besonders optimistisch.

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Anna Hegewald / 30.08.2023

Großartiger Beitrag. Danke für die Veröffentlichung. Der Mann hat Mut. Ich bin gespannt, wie das weiter geht und wünsche ihm nur das Beste.

Paul Ehrlich / 30.08.2023

Die Alten haben ihr Leben gelebt. Sie haben Erfahrungen gesammelt. Manche sogar in mehreren Systemen. Die werden für die neue Welt nicht mehr gebraucht. Die können weg. Die Zukunft liegt in der Jugend und die wird maximal für die Elite erzogen. Nicht umsonst hat Scholz gesagt,daß er die Lufthoheit über die Kinderbetten erringen will. Ich habe damals meinem Opa auch nicht geglaubt.

Lutz Liebezeit / 30.08.2023

Er könnte als Scharlatan arbeiten? Scharlatan ist kein geschütztes Berufsbild. Wunderheiler, Schamane, Druide, Medizinmann, am Ende kommt es nur drauf an, ob der Klient seine Krücken wegschmeißt. Wichtiger als das Diplom ist die Mundpropaganda. Oder man geht einmal übers Wasser. Dann ist das Wartezimmer auch voll. Der eigentlich Bock ist, daß man den Leidensdruck bei jemandem mit einer Neurose, Depressionen, Soziopathie, Borderlinersyndrom, Schizophrenie nicht wegkriegt. Politisch korrekt ist die Krankheit. Auch die USA und Kanada sind Angstgesellschaften. Im Grunde gehörten da die Psychologen auf die Couch. Und nicht nur die.

Sabine Schönfeld / 30.08.2023

Das Grundproblem dieses offensichtlich totalitären Verständnisses des College of Psychologists of Ontario über den Meinungskorridor, den ein Psychotherapeut nicht verlassen darf, ist wohl die Vorstellung, es gäbe eine absolute Wahrheit, die für alle Menschen gilt und zu gelten hat. Wenn ich diese Vorstellung nicht habe, dann kann ich anderen nicht ihr Denken und ihre Äußerungen vorschreiben, denn ich könnte mich ja ebenso im Irrtum befinden. Jetzt finde ich diese Form der Hybris generell schon faszinierend, aber wie kann das einem Verband von Psychologen passieren? Die Relativität und Subjektivität der Wahrnehmung müsste eigentlich ein Grundzug des Denkens von jedem sein, der sich mit der menschlichen Psyche befasst, niemand ist verschiedener als zwei Menschen. Jetzt gibt es natürlich gewisse Außengrenzen, die nicht überschritten werden sollten, wenn es beispielsweise die Menschenrechte betrifft. Hätte Jordan B. Peterson jetzt beispielsweise Eltern geraten, schwere Prügelstrafe als sinnvolles Erziehungsmittel einzusetzen, hätte ich das im Hinblick auf seinen Status als Psychologe schon problematisch empfunden, aber seine Äußerungen waren offenbar allgemeiner politischer Art. Jeder Berufstätige ist auch privat Bürger seines Staates und ist selbstverständlich berechtigt, als diese natürliche Person politische Äußerungen zu tätigen, in meinem Demokratieverständnis besteht sogar eine gewisse Verpflichtung dazu im Sinne des Gemeinwohls. Üble Entwicklungen spüre ich auch in Deutschland, hier will man uns offenbar aufzwingen, den Islam gut zu finden - einen Islam, der schon in seiner Urschrift militant und frauenfeindlich auftritt. Wie kann ich das also gut finden, wenn diese Haltungen ganz offensichtlich unserem Grundgesetz widersprechen? Weil irgendjemand Linkstotalitäres und Halbgares jetzt glaubt, er hätte die Wahrheit zu allen Themen für sich gepachtet, am besten bis ans Ende der Zeit? Wieso sollten die Klugen die Vorstellungen der - pardon - Dummen übernehmen??

Michael Eiber / 30.08.2023

Selbst wenn Peterson verliert, gewinnt die Wahrheit. Die primitive Maßregelung des Verbandes wird alle Angehörigen des Berufsstandes in die nötige Aufmerksamkeit versetzen. Zwar wird die Fraktion der “immer vorauseilenden Heuchler” nicht erreichbar sein. Im Idealfall kommt es aber zu einer SCHWEIGESPIRALE, und zwar im positiven Sinne. Die grandios-selbstmitleidige Tour der Verbände und Selfmade-Unternehmer wird mehr und mehr aus der Öffentlichkeit verschwinden. ANGST fressen auch Sympathisanten auf. Und voilà! Das Schweigen ist die beste Antwort auf jenes prätentiöse Begehren, der faszinierendste und bemitleidenswerteste Mensch auf der ganzen Welt zu sein. Narzissten muss man austrocknen. Sie sind antisozial bis auf die Knochen! - - Go Jordan!

Udo Gerschler / 30.08.2023

Wer Demonstranten die Konten sperrt und einen Psychologen umerziehen möchte dem traue ich auch zu Menschen in Schutzhaft zu nehmen.

Thomas Schmied / 30.08.2023

Warum macht Peterson sich nicht einen Spaß daraus, seine Umerziehung zu filmen? Er könnte die Lektionen, wie man die richtige Meinung äußert, auch direkt streamen. Man müsste dabei ja nicht die Gesichter seiner regierungsamtlichen Umerzieher sehen. Natürlich würden sie das trotzdem ablehnen. Auf die Begründung wäre ich allerdings ebenfalls gespannt. Alternativ könnte Peterson auch mal bei dem superreichen Elon Musk anfragen, der ja in Fällen von Verletzung der Meinungsfreiheit gerne mal Hilfe anbietet.

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