Gastautor / 11.01.2014 / 02:45 / 5 / Seite ausdrucken

Wenn es dem Sandmann zu bunt wird

Ulrich Sahm

Kritik ist völlig legitim, allerdings hat mich in Israel noch niemals ein Kritiker in die Nähe von Holocaustleugnern gerückt, wie es Henryk M. Broder in Deutschland nach der Veröffentlichung meines Buches «Die Erfindung des Landes Israel» tat.

Was entgegnen Sie darauf?

Henryk M. Broder ist weder Israeli, noch hat er für Israel gekämpft und sein Leben riskiert wie ich als junger Soldat.

Das ist der Schlussakkord eines dilettantischen, geschmacklosen, von keinerlei Sachkenntnis getrübten Interviews mit dem israelischen Historiker Shlomo Sand, das in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen ist.

Ob tatsächlich niemand in Israel den schrägen Professor in die Nähe der Holocaustleugner gerückt hat, müsste man noch prüfen. Doch was hat das mit Broder zu tut? Hat Broder jemals behauptet, ein Israeli zu sein? Und falls er die israelische Staatsangehörigkeit erworben haben sollte, wäre das seine private Angelegenheit. Seit wann sind Kritik, Meinungen oder Ansichten vom Pass abhängig?

Aber Sand treibt es noch bunter. “Henryk M. Broder ist weder Israeli, noch hat er für Israel gekämpft und sein Leben riskiert wie ich als junger Soldat.” Ist jemand etwa nur Israeli, wenn er für das Land kämpft und sein Leben riskiert? Das möge Sand mal seinen arabischen und palästinensischen Freunden mit israelischer Staatsangehörigkeit erklären, für deren Gleichberechtigung im Staat Israel er doch kämpft, indem er Israel “entjuden” möchte, weil es ja kein jüdisches Volk gibt. Die meisten Araber Israels sind bekanntlich vom Militärdienst befreit.

Wenn Sand also Broder das Recht abspricht, ihn zu kritisieren, da Broder kein Israeli ist, weil er für Israel weder als Soldat gekämpft noch sein Leben riskiert hat, hat dieser Spruch nicht nur für Broder weitreichende Folgen. Sondern auch für Deutsche.

Nur Deutsche, die weit über 70 Jahre alt sind, können von sich behaupten, für Deutschland gekämpft und ihr Leben riskiert zu haben (von ein paar Bundeswehrsoldaten in Somalia, im Kosovo und heute in Afghanistan mal abgesehen). Wie viele Deutsche leben noch, die aktiv in der Wehrmacht oder bei der SS für Deutschland gekämpft haben? Und wie viele leben noch, die ihr Leben im Feuersturm von Hamburg oder während des „Bomben-Holocaust“ in Dresden ihr Leben riskiert haben?

Als Nachkriegsdeutscher hatte ich keine Chance, mich als Soldat zu beweisen. Ich habe mein Leben bestenfalls im Straßenverkehr   riskiert. Ich bin also laut Shlomo Sand kein richtiger Deutscher. Da die meisten Deutschen, die heute in Deutschland leben, nach 1945 geboren wurden, will Sand wohl nicht nur das jüdische, sondern auch noch das deutsche Volk abschaffen.

Broder empfehle ich, sich eine neue Identität zu suchen. Jude ist er nicht, weil es kein jüdisches Volk gibt. Israeli ist er nicht, weil er kein Soldat war, und Deutscher kann er auch nicht sein, weil die Deutschen soeben von Sand ebenfalls abgeschafft worden sind.

PS. Falls Sie sich fragen sollten, wer bei diesem Selbstgespräch der andere Irre ist, dann schauen Sie bitte hier:der rasende Reporter RS, in Berlin für seine überfallartigen Besuche bei Politikern bekannt, die er mit seinen investigativen Fragen so lange quält, bis sie alles sagen, was er hören möchte. Auch die “Sondermeldungen”, die er hinterher absetzt, sind extrem lesenswert:

Ramon Schack beglückwünschte Herrn Edathy zu dieser längst überfälligen Initiative und erkundigte sich nach dem aktuellen Stand der Dinge. Sebastian Edathy versicherte , der eingeleitete Maßnahmenkatalog, gegen die erwähnte Website, bzw. deren Betreiber, Gründer und Autoren, sei schon in die Tat umgesetzt worden. Die mehrstündige Unterredung ergab eine vollständige Übereinstimmung, zwischen Ramon Schack und dem führenden Innenpolitiker Sebastian Edathy, bei der Beurteilung und Einschätzung dieser Website. Beide Gesprächspartner kamen zu der Einsicht, gegenüber dieser virtuellen Gruppierung, darf es jetzt keine falsche Toleranz mehr geben…. Zum Abschied vereinbarten Ramon Schack und Sebastian Edathy- für die Zukunft- eine enge und intensive Zusammenarbeit, auf diesem Gebiet…

Seit diesem Gespräch hat Sebastian Edathy die Tür zu seinem Büro mit zusätzlichen Schlössern gesichert und sein Vorzimmer angewiesen, rasende Reporter an die Erste-Hilfe-Stelle im Bundestag zu verweisen.

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Leserpost

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Dr. Nathan Warszawski / 11.01.2014

Juden, die in Israel nicht leben, haben kein moralisches Recht, Israelis als Antizionisten zu beschimpfen.

Philip Stühler-Walter / 11.01.2014

Broder kann sich doch noch auf sein Polnischsein zurückziehen ... ach nee ... die Polen haben auch schon seit geraumer Zeit keinen Krieg mehr führen müssen ... oder zählen die Niederschlagung des Ungarnaufstandes 1956 und das Kriegsrecht 1980 mit? Aber da war er ja auch nicht beteiligt .... bitter ...

Markus Weber / 11.01.2014

Noch dem Ex- und Urkanzler aller Deutschen, Helmut Schmidt, habe die NZZ als verlässlichere Informationsquelle zu internationalen Angelegenheiten gedient als so manches tendenziöse Gestümper, womit ihn die Geheimdienstadlaten täglich bewerfen wollten. Kann man mal sehen, wie weit es mit dem Goldenen Blatt der Konservativen gekommen ist. Ach, je, und Sie machen das jetzt auch noch publik! Ob das Interview dilettantisch ist, kann ich nicht beurteilen, dazu bin ich zuwenig Journalist. Ob es geschmacklos ist, ist wahrscheinlich Geschmacksache. Und an Profit orientierte Presseblätter schreiben nach Zeitgeschmack. So ist das zuweilen leider. Es soll schon Wahrheiten gegeben haben, die hatten so einen üblen Geschmack, dass es einem für eine ganze Weile den Appetit verschlagen hat. Nur weil’s geschmacklos ist, muss es nicht unwahr oder einer Diskussion unwert sein. Shlomo Sand ist Historiker und bringt seine Recherche-Arbeit damit auf den Punkt, dass der heutige Staat Israel mehr ein Kunstprodukt der Nachkriegsgeopolitik der Mächtigen und der üblichen Verdächtigen ist als die längst überfällige Wiedererstehung eines gottgewollten Reiches der ausgehenden Antike. Auch wird es nicht bevölkert von lauter Nach-Hause-Gekommen, die endlich zwei Jahrtausende der Vertreibung und Ausgrenzung hinter sich bringen wollten. Aber ist das schlimm? Tut das der Daseinsberechtigung des Staates Abbruch, so dass man als Bürger von dort nicht sich unter Waffen stellen lassen und mit Gewalt ebenso gewaltsame Angriffe von außen abwehren können sollte? Nein! Der Verweis auf die im Holocaust erlittenen Peinigungen und die weitreichende Vernichtung hat geopolitisch dem Entstehen dieses Staates wahrscheinlich starken Vorschub geleistet. Zu sagen, der Staat sei ein Kunstprodukt, ist meilenweit weg von der Behauptung, der Vertreibungs- und Ausrottungsfeldzug gegen alles Jüdische habe nie stattgefunden. Herr Broder kann Herrn Sand kritisieren, genauso wie Herr Sand Herrn Broder kritisieren kann. Free Speech! Meinten Sie das? Wahrscheinlich nicht ganz. Irgendwie betrachten wir nämlich Kritik immer wieder mit der Erwartung, dass sich der Kritisierte etwas von ihr annimmt, im Bestfall sogar sein Verhalten oder seine Ansichten im Sinne der Kritik zurechtrückt. Das werden weder Herr Sand noch Herr Broder tun, solange es sich “nur” um die Kritik aus Herrn Broders oder eben Herrn Sands Warte handelt. Dass Herr Sand dazu für einen Augenblick den Hauptmann von Köpenick mimt (“Se hamm ja nich mal jedient!”), wäre nicht nötig gewesen, und ist albern. Letztlich läuft es doch einfach darauf hinaus: Herr Broder nennt - durchaus schlüssig - jeden, der Israel delegitimiert, einen Antisemiten. Herr Sand scheint zu sagen: Was interessieren mich Leute, die sich mit Legitimität aufhalten? Existenz ist das Zentrale und muss das real Machbare bleiben. Wenn einer kommt, und sie physisch anficht, bekommt er, was er verdient: eine auf den Deckel. Gemeinsam und gleichberechtigt Steuern und Sozialbeiträge zahlen, Parlamente wählen, eine für alle geltende Rechtsordnung etablieren und respektieren, an der Bildung teilhaben, Wehrdienst leisten, Infrastruktur für alle aufbauen, mit den Preisen an den Zapfsäulen, in den Supermärkten und auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt und dem Markt für Rohstoffe, Produktiosnmittel und Land leben, einander in der Vielfalt respektieren; das ist Nation. Das muss reichen. Ob dazu ein Gott und eine Bestimmung gebraucht werden?

Werner Hansen / 11.01.2014

Aber Sand treibt es noch bunter. “Henryk M. Broder ist weder Israeli, noch hat er für Israel gekämpft und sein Leben riskiert wie ich als junger Soldat.” Ist jemand etwa nur Israeli, wenn er für das Land kämpft und sein Leben riskiert? ———————————————————————- Da hat aber jemand Problem mit dem Leseverständnis.  Oder interpretieren sie Schlams Aussage absichtlich falsch? Der zitierte Satz impliziert in keiner Weise, dass nur Menschen die den Militärdienst geleistet haben, Isrealis sind.

Christoph Salopard / 11.01.2014

Ich verstehe das Problem nicht. Sands Broder-Bemerkung passt zu seiner These. Er wäre vermutlich auch für einen Militärdienst aller Israelis, wenn man ihn danach fragen würde. Sahms Idee, dass jeder Mensch eine Identität hat, ist idiotisch. Sahms Idee, dass jeder Mensch eine Identität hat, die mit seiner Abstammung zusammenhängt, ist psychotisch.

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