Wolfgang Röhl / 18.04.2019 / 06:29 / Foto: Kevin Collins / 50 / Seite ausdrucken

Wenn die Moni mit dem Schorsch. Zum Stand der Staatsmedien-Gesellschaft

Die Verzahnung des halbamtlichen („öffentlich-rechtlichen“) Rundfunksystems mit regierungsaffinen linken Privatmedien macht Fortschritte. Vorreiter des Leuchtturmprojekts ist der 2014 gestartete „Rechercheverbund NDR, WDR und ‚Süddeutsche Zeitung’“. Sobald der Verbund irgendetwas ausgebuddelt hat, und sei es auch nur ein so gut wie folgenloses Panama-Aufregerchen, läuft das Zitierkartell des Staatsfunks zur Hochform auf. 

Tage-, manchmal wochenlang wird dann auf einschlägigen Sendern der vermeintliche Scoop ausposaunt. Leiter des Verbunds ist Georg Mascolo, einer aus der mittlerweile schwer überschaubaren Riege geschasster „Spiegel“-Chefs. Er bringt das Kunststück fertig, ohne einen Lachanfall zu bekommen, in die Kamera zu gucken und dem Zwangsgebührenzahler zu erzählen, er, Mascolo, sei recht eigentlich im Auftrag des Geschröpften unterwegs.

Spitzeninvestigator Mascolo traf sich kürzlich mit der Kulturstaatsministerin Monika Grütters zum einvernehmlichen Gespräch für „Schwarzrotgold“, eine vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegebene Propagandabroschüre. Sie liegt unter anderem der aktuellen Ausgabe des „Stern“ bei.

Von Grütters wurde unlängst ihre freimütig geäußerte Ansicht bekannt, das Internet biete „mehr Freiheit als die Demokratie verträgt“, ein kaum kaschiertes Bekenntnis zur Zensur schuftiger Inhalte. Was allen, denen es ums betreute Denken durch gesinnungsfeste Volksnannys zu tun ist, runter ging wie Arganöl.

Da saßen zwei beisammen, in denen es sorgt. Um den „unabhängigen Journalismus“, „die demokratischen Strukturen“, ja, um die  „Einhaltung der Grundrechte“ an und für sich. Konkret kam beim Phrasenpingpong („Demokratie lebt vom Zuhören“) zwischen Mascolo und Grütters ungefähr so viel heraus wie weiland beim Empfang des DDR-Journalistenverbandes durch den Staatsrat der DDR. 

Harmonisches Kamingeplauder

Bemerkenswert hingegen, wie selbstverständlich sich Journalisten mit Politikern gemeinmachen, von denen sie nach dem Kodex ihrer Zunft etwas Abstand halten sollen. Letzteres war nicht zu verspüren, im Gegenteil. Das Netz als Speicher mannigfaltigen Übels (Grütters über das Internet: „Wir müssen wieder lehren und lernen, misstrauisch zu sein“), diese Nummer war eine Steilvorlage für Mascolo. 

Er: „Das Wort (gemeint war „Lügenpresse“, WR) ist eine Unverschämtheit.“ Grütters hatte zuvor mal wieder die Fake News bemüht, der Begriff „Lügenpresse“ habe „seinen Ursprung im Nationalsozialismus“. Selbstredend korrigierte der Schorsch die Moni mit keinem Wörtchen. Kurz, harmonischer dürfte nicht mal ein Kamingeplauder zwischen dem legendären Schauspielerehepaar Nadja Tiller und Walter Giller verlaufen sein.

Dazu passt, dass in Zeiten schrumpfender Auflagen die branchenintern diskutierte Frage, „Stütze vom Staat für ‚systemrelevante’ Medien?“ in Medienkreisen zwar noch auf einiges Geziere stößt. Doch hier und da wagt sich schon mal ein Blatt aus der Deckung und fordert, was in Österreich, Schweden und anderswo längst üblich ist: Staatsknete für prekäre private Medien (allerdings sind Schwedens „Hassmedien“ seit einigen Jahren von Förderung ausgeschlossen). 

Was in Europa staatlicherseits bereits so alles zwecks „Erhaltung der presserechtlichen Meinungsvielfalt“ unternommen wird, hat ein Saarbrücker Professor detailliert (und grundsätzlich affirmativ) aufgeschlüsselt. Es ist in der Tat beachtlich. In Deutschland erhält eine staatlich erwünschte Sprachpolizei, der Verein „Neue deutsche Medienmacher*innen“, jährlich fast 2,4 Millionen Euro aus Steuereinnahmen. Und dem linken Rechercheportal „Correctiv“ steckte die „Bundeszentrale für politische Bildung“ 83.000 Euro zu, wie Correctiv stolz meldete. 

Das sind aber Peanuts gegen die Summen, mit denen der Staat auserlesene Medien durch Schaltung von Anzeigen beglückt. 60 Millionen Euro verballert das Bundespresseamt allein für die Selbstdarstellung diverser Ministerien. In Publikumszeitschriften finden sich regelmäßig eingeheftete Beilagen mit Regierungswerbung. Um diesen Kuchen zankt die Medienmeute heftig. Vor allem Lokal- und Regionalmedien bejammern, nichts davon abzubekommen.

Mainstreammedien mehr oder minder unter Staatskuratel  

Für eine Prognose muss man daher nicht sehr verwegen sein. Also, in zehn Jahren oder so – auf jeden Fall bei der nächsten großen Wirtschaftskrise – wird sich in den meisten Verlagen die schon heute prekäre Erlössituation ins Dramatische drehen. Einnahmen aus digitalen Feldern werden die Verluste des Holzgeschäfts nicht auffangen, abgesehen vom schon jetzt weitgehend digital aufgestellten, kaum noch auf klassisch-journalistische Produkte setzenden Springer-Konzern. Auch immer neue „Sparrunden“ und das Kegeln von weiteren Mitarbeitern werden den drohenden Kollaps von Verlagen nicht abwenden können. 

In dieser Situation wird das Zaudern von Teilen der Journalistenschaft, sich an die Zitzen des Staates zu schmeißen, natürlicherweise dahinschmelzen wie Eis im Sonnenschein. Der Staat seinerseits dürfte sich die Chance kaum entgehen lassen, als Weißer Ritter aufzutreten. Er wird potenzielle Kritikplattformen freundlich übernehmen, indem er ihnen steuerliche und andere Wohltaten angedeihen lässt. Und er wird dies als Rettung von systemrelevanten Leitmedien verkaufen, welche unsere Demokratie unabdingbar als Vierte Gewalt benötigte. 

Fortan werden auch die privaten Mainstreammedien mehr oder minder unter Staatskuratel stehen. Und zwar nach einem Muster, das die SPD bei ihren zahlreichen Medienbeteiligungen praktiziert hatte. Wie sagte Inge Wettig-Danielmeier, einst Bundesschatzmeisterin der Partei und Kontrolleurin des SPD-Pressekonglomerats DDVG: „Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben, kann in der Regel nichts ohne uns passieren.“ 

Finstere Aussichten? Ach was! Auch der SPD hat ihr Medienwust letztlich nicht viel genützt. Sie hängt fast überall in den Seilen, trotz des Einflusses auf viele regionale und lokale Blätter und Onlineportale. Informationen, Analysen und Meinungen transportiert zunehmend auch das Netz, im Schlechten wie im Guten. 

Visionär gegen die unerträgliche Freiheitlichkeit des Netzes

Könnte man Grütters’ eingangs erwähnten Satz, das Internet böte mehr Freiheit, als die Demokratie vertrage, nun als Ankündigung lesen, bald würden noch mehr Daumenschrauben angezogen? So, wie es Jean-Claude Junckers in einem berühmten Spruch formulierte: 

Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt. 

Waren etwa auch das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ und die sogenannte „Urheberrechtsreform“ im Kern visionäre Maßnahmen gegen die unerträgliche Freiheitlichkeit des Netzes? Andererseits, ist deutschen Politikern, die von einer versemmelten Wende in die nächste schliddern, die keine Vorstellung von den Folgen ungezügelter Einwanderung besitzen, die in 13 Jahren einen Flughafen nicht hinkriegten, der in China nach drei Jahren betriebsbereit gewesen wäre – wäre solch traurigen Vollpfosten eine strategisch raffinierte, ja nachgerade souveräne Denkweise überhaupt zuzutrauen?

Ach, lassen wir das. Man gelangt da schnell in die Abteilung Verschwörungstheorie.

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Leserpost

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Martin Landvoigt / 18.04.2019

Soll man den ÖR überhaupt ‘Lügenpresse’ nennen, bloß weil da die Falschmeldungen mittlerweile Standard wird? Oder ‘Lückenpresse’, weil die Auswahl der Meldungen leicht erkennbar politischem Kalkül folgt? Ich denke jeweils nein, denn der Unsinn hat mittlerweile die Glaubwürdigkeit nachhaltig zerstört. Man sollte diese Medien nur mit spitzen Fingern anpacken. Beispielsweise, um zu sehen, wodurch sich die unkritischen Massen noch lenken lassen. Ansonsten ist man besser informiert, wenn man auf die Desinformation verzichtet.

R. Schröder / 18.04.2019

Die Linke mit ihrer Sturmtruppe Antifa hat doch längst mehr Freiheiten als die Demokratie verträgt. Oder sollte ich mich da täuschen? Auch bei der Fridays for Future-Bewegung will man scheinbar gar nicht wissen wer sie sponsert. Aber alle hohlen Kartenhäuser stürzen irgendwann ein. Wenn die Links-Presse keine Abnehmer mehr findet, laufen auch die Anzeigen und Beilagen ins Leere.

Hjalmar Kreutzer / 18.04.2019

Der Steuerzahler / Zwangsbeitragszahler soll also per ordre de Mutti Medien bezahlen, gleichgültig, ob er diese ansonsten auch kaufen würde oder nicht? “Der Staat” entscheidet, welche Medien der Steuerzahler zu fördern hat? Und das Ganze heißt dann “Gewährleistung der Pressefreiheit” ? Keine weiteren Fragen, Euer Ehren!

Martin Stumpp / 18.04.2019

Manchmal erscheinen selbst die crudesten Verschwörungstheorien weitaus realistischer als die offiziellen Verlautbarungen und Erklärungen der Regierenden. Wie sagt Sherlock Holmes (Arthur Conan Doyle) so schön: Wenn man das unmögliche ausschließt ist das was übrig bleibt, so unwahrscheinlich es auch sein mag, die Wahrheit.

M. Schneider / 18.04.2019

Das Irrenhaus Deutschland ist nur noch mit Zynismus und Ironie auszuhalten, der Humor ist einem größtenteils schon abhanden gekommen. Politik und Mediengefolgschaft mit ihren Netzwerken arbeiten mit einer solchen Raffinesse und Durchtriebenheit zusammen, dass es jedem kritischen und an der Politik interessierten Menschen glatt die Sprache verschlägt, die anderen aber in Gläubigkeit verharren und von der Richtigkeit aller Maßnahmen überzeugt sind oder sich gar keine Gedanken machen.  Dem Beitrag ist m. E. in jeder Hinsicht zuzustimmen.

Martin Lederer / 18.04.2019

Ich stimme Ihnen komplett zu. Aber zu einem möglichen Aufwachen des Publikums wird es nicht kommen, weil diese oder jene Geschichte doch zu unglaubwürdig klingt, sondern weil die wirtschaftliche Situation schlechter wird. Beim eigenen Geldbeutel hört das Mitlaufen mit dem Gutmenschentum auf.

Heiko Engel / 18.04.2019

Liebe Frau Schönfelder, Dank für Ihre wunderbar treffenden und ergänzenden Worte zum Text. Solche Flöten wie Mascolo, deren Demokratieverständnis sich auf Untergrasnarbenniveau befindet, wenn es sich überhaupt irgendwo befindet, mag man entgegen rufen was einer der Angeklagten Täter vom 22.07.1944 Freisler im Prozess entgegen rief: Heute mögen Sie uns verurteilen; binnen Jahresfrist werden wir die Plätze getauscht haben. Er behielt recht. Dauerte nicht mal ein Jahr.

Sebastian Bremer / 18.04.2019

Hallo Herr Röhl, die Abteilung „Verschwörungstheorie“ ist die einzige mediale Abteilung, die überhaupt noch denkt, noch hinterfragt, noch Fakten nennt und daraus Schlüsse zieht, die vielleicht nicht jedem gefallen mögen, aber die Kritik daran wiederum auch zulässt. Nun gehöre ich noch zu den Hartgesottenen, die morgens dem öffentlich rechtlichen Staatsfunk lauschen, da es dort eine an sich sehr hörenswerte Morningshow im Programm gibt, die zwar leider halbstündlich von den neuesten Nachrichten über die in 80 Jahren verschwundenen Gletscher und zunehmender rechter Gewalt unterbrochen werden, aber ansonsten von zwei durchweg sympathischen Typen moderiert wird. Gern wird in den News auf Recherchen der „Recherchekooperation NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung“ Bezug genommen. Das hat immer etwas Staatstragendes und soll einem durch ein Prüfsiegel bestätigten 100%igen Wahrheitsgehalt suggerieren. Heute Morgen kam im Hinblick auf die bevorstehenden Ostertage und die damit einhergehenden überall stattfindenden Osterfeuer abseits der News und nach zu kurzer Vorwarnung ein Abgeordneter der GrünInnen aus Schleswig-Holstein zu Wort, der angesichts der „bedenklich“ ansteigenden Feinstaubwerte für ein Verbot der Osterfeuer plädierte. Selbstredend wurde nur die Aussage des Abgeordneten gesendet, ohne ihm weitere Fragen zu stellen. Im Anschluss erwähnte der Moderator lediglich, dass Wetterexperten die Osterfeuer weniger kritisch sähen. Dies veranlasste mich zu der per Chat möglichen Frage, warum nicht auch einer dieser Wetterexperten zu Wort käme. Folgende Antwort erhielt ich: „Vielen Dank für dein Feedback und deine Anregung. Ich habe es an die verantwortlichen Kollegen (kein „Innen“!) weitergeleitet. Viele Grüße“. Noch Fragen…?

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