Rainer Bonhorst / 03.05.2018 / 13:00 / Foto: Pixabay / 6 / Seite ausdrucken

Wenn die Heimat Fußball heißt

Ich weiß, die Achse ist kein Fußball-Blog. Aber ab und zu sollte auch das Kicken, das im deutschen Bewusstsein so prominent verortet ist, hier ein Plätzchen finden. Natürlich nicht als Spielbericht, sondern als gesellschaftspolitisches Phänomen. Dies wiederum nicht in der ganzen Breite. Vielmehr möchte ich das hochaktuelle Thema „Heimat“ im Spiegel des Profi-Fußballs betrachten. Und damit keine falsche Fährte entsteht: Es soll nicht um die vielen Spieler mit ausländischen Pässen gehen, sondern um die Heimatgefühle der Fans, ihre Heimatfreude, ihr Heimatleid.

Oft, aber nicht immer, ist die Heimat der Fans nicht nur geografisch sondern auch sozial bestimmt. Während sich die einen bei einem Lackschuh-Club zu Hause fühlen, suchen andere die menschliche Wärme der kickenden Arbeiterklasse.

Das eklatanteste Beispiel bietet München mit seinen feinen und vermögenden Bayern einerseits und den armen Löwen, die es der SPD gleichtun und ganz unten, in der Regionalliga, einen Neustart versuchen. Was aber skandiert der klassenstolze 1860er? Ich glaube, ungefähr dies: „Lieber ein Verlierer sein, als ein dummes Bayernschwein.“ So ist das in München. Klare Verhältnisse und eine bayerisch-deftige Ausformung der gegensätzlichen Heimatgefühle innerhalb einer einzigen Stadt.

Heimat als eng begrenzter Gäu findet auch am nördlichen Ende der Republik statt. Dort, in Hamburg, sind die Heimaten zwar auch in Klassen zu unterscheiden, allerdings liegen sie fußballerisch viel näher beieinander. Ja, es droht ein knochenharter Zusammenprall der Klassen, ein Krieg der Kulturen.

Herrensöhnchen mit Schmuddelkindern?

Noch ist es nicht so weit. Der Hamburger SV klammert sich in höchster Absturzgefahr verzweifelt am äußersten Rand der Bundesliga fest. Sollte das aber misslingen, so würde dies nicht nur den Abstieg in die zweite Liga bedeuten. Viel entscheidender ist, dass die etwas besseren Hamburger Herrschaften dann mit den bunten Vögeln von St. Pauli in einer Klasse spielen müssten. Herrensöhnchen mit Schmuddelkindern. Zweimal käme es in der neuen Saison zum unmittelbaren Kontakt, was man im Alltag unter allen Umständen meidet.

Wer sozialen Frieden und Ruhe an der norddeutschen Heimatfront wünscht, der kann nur hoffen, dass die beiden Hamburger Vereine weiter in einer Zwei-Klassen-Situation ohne direkte Berührung verbleiben.

Etwas großzügiger, aber nicht weniger dramatisch, sind die Heimatzonen entlang der Rheinschiene gezogen. Und hier erleben wir die Mutter aller Tragödien, hervorgerufen durch den Fußball und von einer Wucht, die tief in die Herzen der verschiedenen rheinischen Heimatgruppen greift. Kurz und bündig gesagt: Köln steigt aus der Bundesliga ab, Düsseldorf steigt in sie auf.

Was so nüchtern klingt, jagt in Wahrheit Schockwellen die Rheinschiene hinauf und hinab. Köln und Düsseldorf – das ist wie Katalane und Kastilier, wie Donald Trump und Hillary Clinton, wie Markus Söder und Kardinal Marx. Oder, etwas einfacher ausgedrückt: Köln und Düsseldorf sind wie Hund und Katz. Medienhauptstadt gegen Landeshauptstadt, linksrheinisch gegen rechtsrheinisch, cool gegen chic, alaaf gegen helau, schwul gegen japanisch.

Ekstase und Tränen. Heimat verpflichtet

So schlimm es für die Kölner gewesen wäre, zu den Düsseldorfern abzusteigen: Dass die Düsseldorfer im Fahrstuhl an den Kölnern vorbei nach oben gleiten, während diese nach unten verfrachtet werden, ist der rheinische Super-Gau.

Gerade dieses rheinische Beispiel zeigt, wie schön und wie schwer Heimat sein kann. Ekstase und Tränen. Heimat verpflichtet, in guten wie in schlechten Zeiten.

Aber selbst im Fußball kann Heimat auch ein flexibler Begriff sein. Sie kann klein wie beschrieben, aber auch so groß wie ganz Deutschland sein. Wenn die Nationalmannschaft international auftritt, dann gibt es keine Bayern und keine Sechziger mehr, keine HSVler und keine St. Paulianer, keine Kölner und keine Düsseldorfer. Dann gibt es auch keine Dialekte mehr. Dann brüllen alle in einer Sprache, in einer Art Fußball-Knappdeutsch. Abseits! Hand! Elfer! Tor!

So geht die kleine, enge Fußball-Heimat einen Sommer lang in der großen deutschen Fußball-Heimat auf. Bis zur neuen Liga-Saison im Herbst; dann wird’s wieder kleinkarierter.     

Foto: Pixabay

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Leserpost

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B.Klingemann / 03.05.2018

Der Stolz auf den regionalen Verein ist Ersatz für den fehlenden Nationalstolz. Letzterer wird immer mal wieder vorübergehend durch “Die Mannschaft” künstlich evoziert - politisch korrekt, moderat und immer sportlich fair. Doch er ist nur ein billiges, aufgeblasenes Plagiat, das nach den Turnieren zerplatzt - wie ein Jahrmarktgewinn, der zwei Tage nach der Kirmes kaputtgeht. Aber schön war’s, und wir haben gewonnen! Für die Deutschen heißt es dann: Schnell weiter arbeiten und auf die Anerkennung der Anderen hoffen. Aber was bleibt, wenn “Die Mannschaft” mal verlieren sollte…?

Helmut Bühler / 03.05.2018

Köln und Düsseldorf sind mir wurscht, aber HSV gegen Sankt Pauli, das muss! Wir beten für den seit Jahren verdienten Abstieg des HSV in die zweite Liga.

Volker Kleinophorst / 03.05.2018

Nationalmannschaft? Da sind Sie nicht auf dem Laufenden: Es heißt offiziell nur noch “Mannschaft”. Und genau deswegen ist es auch nicht mehr meine. Da bin ich in meinem Umfeld nicht der Einzige.

Werner Arning / 03.05.2018

Ich kann bezeugen, dass Fußball und Heimat sehr viel miteinander zu tun haben können, wenn nicht sogar alles andere überragen können. Als Jugendlicher ging ich Mitte der 70er zu den Heimspielen des SC Preußen Münster. Wer in Münster erinnert sich nicht an das 4:1 gegen Borussia Dortmund anno 1975? Und bis heute hänge ich an dem Verein. Gehe mit ihm durch alle Niederungen des Fußballs, denn es sollte nichts werden mit einem dauerhaften Erfolg, wie er anderen Vereinen beschieden war. Und trotzdem, wenn mich heute einer fragen würde, was bedeutet für dich Heimat, dann würde ich auf den SCP verweisen. Vielleicht liegt es daran, dass Erlebnisse in Kinder- oder Jugendjahren prägend sind. Man kommt von ihnen nicht mehr los, selbst wenn man wollte. Und so freue ich mich, oder besser leide eher jedes Wochenende mit meinem Verein, obwohl räumlich schon lange getrennt. Aber Heimat ist nun mal Heimat und nichts kann mir das Wochenende erfolgreicher versüßen als ein Sieg meiner Mannschaft. Und keine Hoffnung ist beständiger als die, dass es irgendwann mit dem Verein einmal aufwärts geht.

Kai Söller / 03.05.2018

Sehr schön… Kölsch und Alt bitte nicht vergessen…

Anton Geiger / 03.05.2018

“Herrensöhnchen mit Schmuddelkindern”: In der Ablehnung von AfD-Anhängern und anderen konservativen Zeitgenossen sowie in der Unterstützung der globalistisch-universalistischen All-Refugees-Welcome-Ideologie werden diese beiden Gruppen sicher ein verbindendes Element finden :) .

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