Peter Grimm / 28.02.2024 / 11:00 / Foto: Pixabay / 73 / Seite ausdrucken

Wenn der Verfassungsschutz ruft, folgt der Journalisten-Verband

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) ruft dazu auf, die eigene Berichterstattung unkritisch und unhinterfragt an die jeweils aktuellen Bewertungen des Bundesamts für Verfassungsschutz anzupassen. 

Jüngeren Lesern muss man es vielleicht erklären: Es war früher einmal in der vergleichsweise freiheitlichen Bundesrepublik so, dass Journalisten in den allermeisten Medien den Anspruch hatten, der Regierung und den Staatsorganen kritisch auf die Finger zu schauen. Hat eine staatliche Behörde in einem politisch relevanten Bereich etwas entschieden, so war ein anständiger Journalist zuerst einmal misstrauisch. Da wollte er alles hinterfragen und sich nach eigener Recherche ein eigenes Bild machen. Insbesondere Aussagen von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten galt sein kritischer Blick. Und wenn es dann mal Ärger gab, dann wusste man seinen Journalistenverband an seiner Seite. 

Nur den Eindruck zu erwecken, man würde hackenschlagend vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz strammstehen und geloben, dessen Bewertungen unhinterfragt in die eigene Berichterstattung zu übernehmen, war undenkbar. Es hätte unter Kollegen und Medienkonsumenten als Gipfelpunkt möglicher beruflicher Peinlichkeiten gegolten. 

Dies muss man vielleicht vorausschicken, um verstehen zu können, welchen Kulturschock die folgende Meldung trotz all der Erfahrungen der letzten Jahre bei einem in diesen alten Zeiten geprägten Journalisten immer noch auszulösen vermag.

Richtschnur ist die offizielle Position des Verfassungsschutzes

Bei kress.de hieß es gestern:

„Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Medien dazu auf, ihre Berichterstattung über die sogenannte Alternative für Deutschland neu zu justieren. Vorausgegangen ist ein Bericht der Süddeutschen Zeitung, demzufolge es fortgeschrittene Überlegungen im Bundesamt für Verfassungsschutz gibt, die gesamte AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“ einzustufen. Bislang wird die Partei als Verdachtsfall des Rechtsextremismus geführt.“

Also wenn die Süddeutsche Zeitung berichtet, was der Verfassungsschutz wie einstufen könnte, dann ruft der Journalistenverband in vorauseilendem Gehorsam schon einmal dazu auf, die Berichterstattung entsprechend neuer Verfassungsschutzbewertungen anzupassen? Habe ich das jetzt richtig verstanden?

„‚Wenn das zur offiziellen Position des Verfassungsschutzes wird, können wir Journalistinnen und Journalisten die AfD nicht mehr als eine Partei von mehreren beschreiben‘, sagt DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster. Vielmehr müsse in der Berichterstattung kontinuierlich auf die extremistischen Absichten dieser Partei hingewiesen werden. Beuster: ‚Das muss wie ein unübersehbarer Warnhinweis wie auf Zigarettenschachteln in unseren Artikeln auftauchen.‘“

Und welchen Warnhinweis sollte man allen Publikationen beifügen, die dem Ansinnen des DJV-Vorsitzenden folgen, deren Berichterstattungsrichtschnur die „offizielle Position des Verfassungsschutzes“ ist? Vielleicht analog zu Warnungen für Allergiker: „Dieser Artikel kann Propaganda oder Spuren von Propaganda enthalten“? Das wäre ja sinnvoll, bevor Propaganda-Allergiker Redaktionen mitfinanzieren, die ihrer Gesundheit nicht zuträglich sind.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Pixabay

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Gudrun Meyer / 28.02.2024

Über die AfD wurde noch nie so berichtet, als wäre sie “eine Partei von mehreren”. Wenn als Folge, aber gleichzeitig auch als Voraussetzung der “Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistischer Partei” die eng miteinander verzahnten, aber nicht einheitlich organisierten Qualitätsredaktionen in Deutschland einem einzigen Wahrheitsministerium untergeordnet werden, kann mir persönlich das egal sein, ich sehe nicht mehr fern. Aber warum muss ich dann immer noch Steuern an das Wahrheitsministerium PLUS eine Demokratieabgabe an einige seiner Unterabteilungen zahlen? Wäre nicht eine einzige Demokratieschutz-Abgabe im Quartal sinnvoller? - Worin besteht der Rächzextremismus der AfD? Auch Höcke und der Flügel verlangen nicht die Verstaatlichung der Banken und Schlüsselindustrien, streben keinen Eroberungskrieg an, vertreten keine rassistische oder antisemitische Ideologie (Rassismus ist nicht die Ablehnung einer Masseneinwanderung, sondern der Glaube, Menschen bestimmter Gruppen seien wesensmäßig höher- oder minderwertig. Antisemitismus ist Judenhass. Er liegt nicht vor, wenn Politiker die Globalisierung misstrauisch sehen (“raunen”’) oder von einer woken Staatsreligion sprechen).  Auch Höcke und der Flügel fordern kein totalitäres Gesellschaftsmodell. Worin soll der “Rechtsextremismus” der AfD oder auch des Flügels bestehen, egal wie gerne man dort mit einem DEFENSIVEN, nicht aggressiven, Nationalismus kokettiert? Dass Höcke & Co. bei jeder Gelegenheit “deutsches Volk” statt “Menschen in Zusammenland” sagen, mag man unzeitgemäß finden, aber auch im GG ist von diesem dt. Volk und von Deutschland als dem Land der Deutschen die Rede, nicht von Zusammenland.  Rechtsextremistisch im Sinne von rechts-totalitär und damit verfassungsfeindlich sind auch die zweifelhafteren Politiker der AfD nach jeder vor-woken Definition nicht.

B. Zorell / 28.02.2024

Es ist ein Fehler im Artikel 5 GG: (1) 1Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. 2Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. 3Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (3) 1Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. 2Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Im Absatz 1 werden “Meinungsfreiheit” und “Pressefreiheit” gesondert neben einander aufgelistet. Dabei nimmt die “Pressefreiheit” eine Sonderstellung ein. “Pressefreiheit” ist die Freiheit der Presse. Liest sich, wie wenn die “Presse” eine besondere Stellung im GG hat. Wenn gilt, daß “Pressefreiheit” und “Meinungsfreiheit” die beiden Seiten einer Medaille sind, dann heisst diese Medaille “teile und herrsche”. Und so wird das seit 50 Jahren gehandhabt. Beide weden gegeneinander ausgespielt. Die “Presse” schleimt sich zu Füssen des Bundeskanzlers Scholz. Der freut sich, daß er solch einen bereitwilligen Sekundant gegen die “Meinungsfreiheit” hat. Deshalb gehören Dinge, die die Pressefreiheit betreffen aus dem Absatz heraus, und eine Stärkung der “Meinungsfreiheit” hinein. Besonders dadurch, daß nur sie explizit erwähnt wird.

Bernd Keseler / 28.02.2024

Der DJV sollte ein Siegel “Journalist mit gesichert gefestigtem Klassenstandpunkt” entwerfen lassen, mit dem seine Mitglieder ihre Beiträge zu zeichnen haben.

Torsten Hopp / 28.02.2024

Unglaublich. Deshalb hier der Aufruf, alle/s was und die mit DJV zu tun hat zu meiden. Das ist der einzigartige Offenbarungseid einer heruntergekommenden und vor den Hund gehenden miesen Schreiberlingenbande.

Gregor Waldersee / 28.02.2024

Ich erinnere mich an einen Verbands Journalisten, der auf einer Demo einem rechten Übeltäter das Bein stellte und ihn der Polizei auslieferte. Übelkrähende Tasten-Stasi wie sie leibt und lebt. Hochmoralgeborene Esel, die kein Mensch mehr braucht. Meine Güte, ist das billig.

Martin Müller / 28.02.2024

Der Verfassungsschutz liefert mit Frau Faeser die quasi jutiziable Vorlage, damit Medien und NGOs ungehemmt gegen die AfD hetzen und Hasspredigen können….Im nächste Schritt werden dann AfD,-Wähler politisch kriminalisiert und für vogelfrei erklärt….Erinnert mich fatal an die DDR. Sogar Gesetze werden jetzt kreiert, die im Wortlaut und in der Inhaltlichen Funktionalität an DDR-Gesetze angelehnt sind. Die Demokratie wird von denen demontiert, die am lautesten Schreien, sie wären die Verteiger der Demokratie. Auch das erinnert mich an die DDR, die sogar den Etikettenschwindel in Staatsnamen führte.

Karsten Dörre / 28.02.2024

Da deutsche Journalisten nicht selbst Entscheidungen, Zusammenhänge und Informationen einordnen können, muss der DJV seine Journalisten dahingehend betreuen bzw. briefen. Steht so nicht in der Satzung des DJV, aber wen kümmern schon Verbandssatzungen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 18.07.2025 / 16:05 / 22

Merzomat scholzelt sich ins Sommerloch

Der Bundeskanzler schien in seiner Sommerpressekonferenz das Publikum mit Schönreden in einen Dämmerschlaf versetzen zu wollen. Es war fast ein bisschen wie bei Olaf Scholz. Im…/ mehr

Peter Grimm / 17.07.2025 / 12:00 / 39

Thüringens beleidigte Brombeer-Regierung

Die AfD-Opposition hat behauptet, dass die CDU-SPD-BSW-Landesregierung ihr versprochenes 100-Tage-Programm nicht erfüllt hätte. So etwas macht eine Oppositionspartei eben. Doch die Landesregierung zieht deshalb vor…/ mehr

Peter Grimm / 14.07.2025 / 12:00 / 55

Genossen gegen Gewissen

Bundeskanzler Friedrich Merz hätte in seinem gestrigen Sommerinterview gern das Gute-Nacht-Märchen vom Land auf gutem Weg erzählt, dessen Regierung nur nebenbei Konflikte hat. Doch seine…/ mehr

Peter Grimm / 12.07.2025 / 12:00 / 74

Höhepunkte deutscher Spezialdemokratie

Eine Verfassungsrichterwahl scheitert, weil sich zu viele Abgeordnete nicht an Hinterzimmerabsprachen der Fraktionsführungen gebunden fühlten. Und jetzt? Jetzt droht demnächst die Wiederholung der gleichen Abstimmung,…/ mehr

Peter Grimm / 11.07.2025 / 12:00 / 110

Verfassungsrichter-Wahl: Die Staatstheater-Regie ist gescheitert

Kanzler Friedrich Merz und sein Union-Fraktionsvorsitzender Jens Spahn haben es nicht geschafft, die Unions-Abgeordneten zur geschlossenen Zustimmung zu den umstrittenen SPD-Verfassungsrichter-Kandidatinnen zu drängen. Jetzt sitzt…/ mehr

Peter Grimm / 11.07.2025 / 06:15 / 55

Heute im Parlament: Die Stunde der Sterbehelfer

Heute sollen zwei Juristinnen ideologischer Prägung ins Bundesverfassungsgericht gewählt werden, während gestern angekündigt wurde, Mitglieder der größten Oppositionspartei mit einer Art Berufsverbot im öffentlichen Dienst…/ mehr

Peter Grimm / 08.07.2025 / 10:00 / 46

Deutsches Staatstheater um die Verfassungsrichter-Wahl

Es ist eine Premiere: Noch nie war in der Bundesrepublik eine Verfassungsrichter-Wahl so spannend wie diese. Bislang war die Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts in…/ mehr

Peter Grimm / 08.07.2025 / 06:00 / 59

Gehören Anschläge auf die Bahn jetzt zum Alltag?

Voraussichtlich für knapp eine Woche ist gerade eine der wichtigsten Bahnlinien Deutschlands durch einen Brandanschlag lahm gelegt, doch in der Medienzunft herrscht nur gedämpftes Interesse. Weil…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com