Der Schweizer Klimaaktivist Max Voegtli wird bei einem Urlaubsflug nach Mexiko von einem veritablen Shitstorm verfolgt. Dabei kann er gar nichts dafür. Man müsse streng zwischen dem „Großen und Ganzen“ und einer „Privatreise“ unterscheiden.
Die Flippers sangen in einer inoffiziellen Mexiko-Hymne: „Wo der Condor fliegt übers weite Land und die Sonne leuchtet wie Gold... Mexico und ich träume mit dir in einer warmen Sommernacht... Mexico wenn Gitarren erklingen hab ich nur an dich gedacht". Ja, nun isser halt in Mexiko, der Schweizer Klimaretter Max Voegtli und damit im klimatischen Übermorgenland der höllischen Temperaturen und Wüsten und all dem. Und er habe sich das auch reiflich überlegt, sagt er! Der Max ist schließlich ein CO2-fühliges Wesen, das seinen Fußabdruck mit Bedacht setzt. Er weiß um die Gigatonnen toxischen Killergases, die beim Langstreckenflug nur seinetwegen in die Luft geblasen werden. Er kennt (und bekämpft) die perfiden Lobbyisten der Ölindustrie, die jetzt nur durch ihn mindestens um eine Milliarde reicher werden. Vielleicht hat er auf seinem Langstreckenflug ostentativ auf Tomatensaft verzichtet oder bei Ecovadis einen Ablassbrief gekauft und wird sich künftig noch fester auf die Straßen Europas kleben. Aber die Spötter mögen doch bitte endlich die Backen halten!
„Für die, die wissen möchten. Ja, ich bin in Mexiko, um 2 Monate im Mittel Amerika zu reisen. Die Privilegien, die ich hier ziehe, sind mir klar und es war nicht eine einfache Entscheidung. Alternative Anreisemöglichkeiten hatte ich recherchiert, aber es war wenig zu finden.“
Ich sagte doch, der Max hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht! Und so viele wie den Max gibt es ja auch nicht, die für zwei Monate durch Mittelamerika reisen – die meisten stehen schon am Mittelmeer und haben keine Mittel mehr! Und Max ist ein verständiger Mensch, er hat recherchiert, bevor er sich für eine Flugreise entschied. Der Max ist ja nicht wie unsereiner, der achtlos und ohne ökonomisches Kalkül das CO2 nur so raushaut. Wir fliegen, weil wir gerade Japp auf Tomatensaft haben, und unser Keller ist ein moralfreier Swingerclub für Öl- und Gasheizungen. Klar, dass wir gestoppt werden müssen, während der Max eben keine Alternative hatte. Er ist das Opfer in dieser Geschichte!
Fürs „große Ganze“ sei seine eine kleine private Reise doch völlig unerheblich! Man sollte sich nur besser nicht dabei erwischen lassen, meinen seine Aktivistenkollegen, weil das für die unverständigen Massen sonst wieder Wasser auf Mühlen ist.
„Finde es auch ungeschickt, wenn Klimaaktivisten fliegen statt bahnfahren, aber wer nicht unterscheiden kann zwischen dem grossen Ganzen und einer Privatreise, wirkt halt etwas simpel gestrickt. Ich bin gerade in Asien und kann trotzdem pro Umweltschutz sein. Da staunste, was.“
Und sie sind doch so wenige!
Ein Missgeschick, nichts weiter! Es kommt eben auf das „große Ganze“ an, nicht auf einen Max aus der Schweiz. Oder die Schweiz überhaupt, mit ihren schlappen 0,1 Prozent am weltweiten anthropogenen CO… ohkeeh, das ist jetzt gerade nicht der passende Vergleich. Aber Sie verstehen schon, worauf es wirklich ankommt, liebe Leser: Die paar Mäxe aus der Schweiz und Luisen aus Deutschland machen ja den Kohl nicht fett, wenn sie – mit schlechtem Gewissen und mangels Alternativen – um die Welt fliegen müssen. Und sie sind doch so wenige!
Viel zu wenige sogar! Flögen mehr Mäxe und Luisen um die Welt, die frohe Botschaft im Gepäck, um wie vieles geretteter wäre das Klima heute! Wichtig ist nur, dass die Pedros, Maria Fernandas und Alejandros aus Mexiko nicht nach Zürich fliegen, um für zwei Wochen die Mittelschweiz zu bereisen. Deshalb ist der Max ja gerade in Mexiko, damit die Mexikaner nicht auf die Idee kommen, zum Max reisen zu wollen. Und sei es nur einmal privat.
Ich wünsche Max Voegtli – und das meine ich im vollen Ernst – wirklich alles Gute in Mittelamerika. Es ist gut, dass er dorthin gereist ist, ich habe ihm nichts vorzuwerfen. Ich hätte nur eine Bitte an ihn: Er möge die Mexikaner, Guatemalteken, Nicaraguaner, Honduraner und all die anderen Mittelamerikaner fragen, ob sie sofort davon ablassen werden, danach zu streben, so wie Max zu leben und versprechen, künftig ein CO2-freies Leben zu führen. Im Großen und Ganzen wie privat. Die Antworten muss der Max dann nur noch in seinen Aktivismus einarbeiten.
Roger Letsch, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog "Unbesorgt", auf dem dieser Beitrag zuerst erschien.