Wenn der Inlandsgeheimdienst sich als Richter aufspielt

Wenn ein Geheimdienst entscheidet, wie weit der Diskurs reichen darf, sagt die Demokratie leise Servus.

Kann die Demokratie in Deutschland überleben? Für viele im politischen Establishment offenbar nur mit massiven staatlichen Eingriffen – insbesondere, wenn es darum geht, die populistische Welle zu brechen, die sie so sehr fürchten.

Vergangene Woche stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein. Dies markiert zweifellos eine weitere Eskalation im zunehmend verzweifelten Versuch des Establishments, eine Partei zu neutralisieren, die bei der Bundestagswahl im Februar über 20 Prozent der Stimmen erhielt. Die Angst, die AfD könnte bei der nächsten Wahl zur stärksten Kraft aufsteigen und womöglich die Regierung stellen, dominiert seit Wochen die politische Debatte.

„Die AfD ist eine Bedrohung für unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt“, erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Er kündigte an, prüfen zu wollen, „welche politischen und juristischen Konsequenzen“ sich aus der BfV-Einstufung ergeben. Die Botschaft ist eindeutig: AfD-Sympathisanten im öffentlichen Dienst droht die Entlassung – und viele sehen nun den Weg für ein mögliches Parteiverbot geebnet.

Dem Verfassungsschutz geht es nicht darum, Wähler zu überzeugen

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Der Journalist Oliver Maksan von der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) etwa spricht von einer massiven Intervention in die Demokratie – ein Schritt, der das Land in eine politische Sackgasse führen könnte, aus der es womöglich nie wieder herausfindet. Dass es in der AfD Mitglieder gibt, die sich einer provokanten und teils aufstachelnden Rhetorik bedienen, ist unbestritten. 

Manche in der Partei provozieren gezielt – etwa mit dem Ruf „Alice für Deutschland“, einer Anspielung auf das auch als NS-Parole genutzte „Alles für Deutschland“. Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke wurde wegen der Verwendung dieser Parole verurteilt – und führte seine Partei dennoch zum Wahlsieg in Thüringen.

Doch dem BfV geht es nicht darum, Wähler zu überzeugen, sondern darum, sie einzuschüchtern – und die viel beschworene Brandmauer gegen rechts aufrechtzuerhalten. Niemand glaubt ernsthaft, dass sich AfD-Wähler von der neuen Einstufung abschrecken lassen. Sie sind es gewohnt, diffamiert und als rechtsextrem gebrandmarkt zu werden. Dass die Bekanntgabe der neuen Einstufung durch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nur vier Tage vor ihrem Ausscheiden erfolgte – nachdem ihre Partei die Wahl verloren hatte – dürfte den Zynismus vieler Wähler eher verstärken als mildern.

Tiefes Misstrauen des Staates gegenüber seinem Volk

Ironischerweise setzt der Vorstoß des BfV weniger die AfD unter Druck als vielmehr die neue Bundesregierung – und insbesondere die CDU. Dass Faesers Bekanntgabe möglicherweise eine Reaktion auf Jens Spahns kürzliche Forderung war, den Umgang mit der AfD im Parlament zu normalisieren, liegt nahe. Nun steht die neue Koalition vor einer Entscheidung: Ignoriert sie die Einschätzung des eigenen Inlandsgeheimdienstes – oder eskaliert sie weiter und leitet ein Parteiverbotsverfahren ein, mit all den politischen und rechtlichen Risiken, die ein solcher Schritt mit sich bringt?

In gewisser Weise bringt die Intervention des BfV zumindest eines auf den Punkt: Sie macht deutlich, wo die Frontlinien im Kampf gegen den eigenen Souverän – den Wähler – verlaufen. Der Verfassungsschutz war von Anfang an Ausdruck des tiefen Misstrauens des Staates gegenüber seinem Volk.

Gegründet wurde die Behörde nach dem Zweiten Weltkrieg unter alliierter Besatzung – mit dem erklärten Ziel, das Wiedererstarken des Nationalsozialismus zu verhindern. Eine verständliche und legitime Sorge. Doch rasch wurde der Dienst zu einem Instrument, das politische Dissidenten jeglicher Richtung ins Visier nahm. Während des Kalten Krieges überwachte man Kommunisten und Mitglieder der DKP; in den 1980ern wurden Teile der neu gegründeten Grünen Partei beobachtet. Später gerieten führende Politiker der Linkspartei ins Fadenkreuz – darunter sogar Bodo Ramelow, der spätere Ministerpräsident Thüringens.

Die AfD ist keine faschistische Partei

Früher war es selbstverständlich, dass Linke und Linksliberale das BfV als autoritäres Relikt kritisierten, das sich demokratischer Kontrolle weitgehend entzieht. „Schafft den Verfassungsschutz endlich ab!“, forderte etwa der 2022 verstorbene Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der der Behörde ein „Totalversagen“ attestierte. Heute hingegen sind es viele Linke, die lautstark ein AfD-Verbot bejubeln. Es ist eine kaum zu überbietende Ironie, dass ausgerechnet Politiker wie Heidi Reichinnek und Jan van Aken sich nun als Vorkämpfer eines Parteiverbots profilieren. Ihr Argument: Als das BfV uns beobachtete, war das schlecht – wenn es gegen „die Faschisten“ geht, ist das gut.

Doch die AfD ist keine faschistische Partei – auch wenn sie Mitglieder hat, die mit radikalen Positionen provozieren. In der Pressemitteilung zur Begründung der Hochstufung heißt es etwa:

Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.

Kein Fall für geheimdienstliche Repression

Der vollständige Bericht des BfV ist – ganz im Geiste Franz Kafkas – geheim. Einige Beispiele für angeblich „völkische“ Rhetorik wurden jedoch bekannt, etwa eine Aussage des Brandenburger AfD-Abgeordneten Dennis Hohloch:

Vielfalt bedeutet Multikulti. Und was bedeutet Multikulti? Multikulti bedeutet Traditionsverlust, Identitätsverlust, Verlust der Heimat, Mord, Totschlag, Raub und Gruppenvergewaltigung.

Solche Aussagen klingen zweifellos hysterisch, in Teilen auch geschmacklos. Doch wenn Millionen von Menschen – nicht nur die AfD-Wähler – Sorgen über Masseneinwanderung, Multikulturalismus und die von der letzten Regierung beschlossenen vereinfachten Einbürgerungsgesetze teilen, dann gehört das zum legitimen politischen Diskurs – kein Fall für geheimdienstliche Repression.

Die eigentliche Bedrohung für die Demokratie geht von einer Entwicklung aus, bei der ein nicht gewählter Nachrichtendienst sich zum Richter darüber aufschwingt, welche politischen Positionen noch als „demokratisch“ gelten dürfen. Wenn die neue Regierung den autoritären Impulsen, die aus dem jüngsten BfV-Vorstoß sprechen, nicht widersteht, steht Deutschland wahrlich eine harte Zukunft bevor.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

 

Sabine Beppler-Spahl ist Diplom-Volkswirtin, Deutschlandkorrespondentin des britischen Online-Magazins Spiked sowie Vorsitzende des Vereins Freiblickinstitut e.V. Sie ist Herausgeberin des Sammelbandes „Cancel Culture und Meinungsfreiheit“.

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Werner Brunner / 07.05.2025

Jetzt mal Butter bei die Fische ! Seit wann leben wir in einer Demokratie ? Wer bringt denn solch einen Unsinn unter die Leute ? Denkt denn keiner mehr nach , bevor er losquatscht ? Ist es vielmehr nicht so , dass sich eine Clique von merkwürdigen Juristen , die sich in Parteien organisiert haben , und oftmals korrupten Journalisten diesen Staat unter den Nagel gerissen haben ? Dann kann man auch gleich alles ” Demokratie ” nennen ! Siehe auch Schröder : Putin ist ein lupenreiner Demokrat !

Mathias Rudek / 07.05.2025

Liebe Frau Beppler-Spahl, ihre Rettung der “Demokratie” und der AfD in Ehren, aber die kritischen Punkte an der AfD müssten substanzieller sein. Und im Übrigen “verstärkt es auch den Zynismus der Wähler nicht”, weil sie weiter die AfD wählen. Diese Partei ist die Opposition! Die Zyniker saßen in der alten und sitzen in der Regierung.

Josef Gärtner / 07.05.2025

Leute! Seh ich das richtig? In den 1100 Seiten des Verfassungsschutzes steht nichts amderes, als eine Sammlung von Zitaten nach dem Motto: “Der AfD’ler hat da und dort mal +Zigeunerschnitzel+ gesagt, und das belegt eindeutig ein “gesichert rechtsextrem” und seine finstere Einstellung zur Verfassung”! Man versucht also eine gefühlte “Gesinnung” zu stigmatisieren, nichts anderes! Die Frage ist, wenn man das alles, was man aus gutem Grund für abgedeckt durch Meinungsfreiheit werten kann mal abzieht, was bleibt von diesen 1100 Seiten an REALEN Beleg für Rechtsextremismus? Also per Definition für etwas, was in der Tat am Bestand unserer Demokratie und unser Grundordnung rüttelt? Für mich wäre das so etwas wie (real nachgewiesene!) Pläne oder Absichterklärungen etwa für die Unterwanderung und dann Einsatz von Soldaten und Polizei Richtung Berlin/Bundestag,  Forderungen eines Dreiklassenwahlrechts, Abschaffung des Föderalismus, Monarchie, Rückgabe der deutschen Ostgebiete, usw.  und so so fort. Wenn nicht IRGENDETWAS in dieser Richtung aufgeführt und belegt wird, dann ist das Ganze für mich nur eine Farce! Eine noch nicht mal gut gemachte Propaganda-Aktion von Leuten, die sich in ihr links-grün-wokes Hemdhöschen machen, wenn jemand eine andere politische Meinung als die ihre hat. Erbärmlich!!!!

Dirk Jungnickel / 07.05.2025

Dieser Staat desavouiert sich täglich selbst. Schon die Idee des AfD - Verbots verrät die üble Heuchelei in Sachen Demokratie. Leider liegt es den Vernünftigen / Konservativen nicht, auf die Barrikaden zu gehen… Bürgerkrieg kann eben auch keine Lösung sein ......

Franz Klar / 07.05.2025

Der “Inlandsgeheimdienst” kann sich gar nicht als Richter aufspielen , da er keine exekutiven Befugnisse hat . Der führt nur eine amtliche Aphorismensammlung . Oder stürzen hierzuschlande etwa AfDler aus Fenstern wie die Prigoschins vom Himmel ? Da muß eine Verwechslung vorliegen ...

s.donner / 07.05.2025

Aha. Die Deutschen sollen sich also als Volk irgendwie schuldig fühlen. Am III. Reich und generell. Da ist der ethnische Volksbegriff anscheinend ok. Gilt die Volksschuld eigentlich auch für jeden nach drei Jahren eingebürgerten Migranten? Müsste man dann mal kommunizieren oder ? Mit der Einbürgerung kommt nicht nur das tolle Sozialsystem sondern auch eine Lebenslange Schuld. ist das ihre Logik Frau Autorin?

Uwe Krahmer / 07.05.2025

Lutz Hermann. Was bitte ist ein Zoni?? Sie verwechseln dieses Wort doch bestimmt mit verblödeten Wessis. Sie, Herr Hermann haben doch jetzt die perfekte Volkskammer bekommen.

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