Gastautor / 08.12.2018 / 12:00 / Foto: Tomaschoff / 12 / Seite ausdrucken

Wenn der Einheitsbrei umkippt

Von Wilbert Lanowski.

In letzter Zeit war viel los in den Medien. Empörungen gab es tagtäglich und permanent wird an die „nicht Instrumentalisierung“ appelliert, weil irgendwo ein Verbrechen passierte, was den Rechten politisch nutzen könnte. Eine objektive Betrachtung der aktuellen Situation findet medial kaum statt. Es gibt nur alternativloses Schwarz-Weiß und nichts hat mit nichts zu tun. Im Ausland ist man da weiter. Zuletzt gab Hillary Clinton zu, dass ihre Politik den Rechten beziehungsweise Trump zum Wahlsieg verholfen hat und man in Europa die Flüchtlingskrise in den Griff bekommen sollte, weil die Politik der offenen Grenzen den Populismus fördert.

Es ist schwierig geworden ungefärbte Berichte in Medien zu finden. Mittlerweile taucht bei Googles Sucheingabe von „Trump pos...“, automatisch „Trump positive Nachrichten“ auf. Das heißt, dass viele Menschen diese Worte googlen, weil die Suchmaschine das sonst nicht automatisch ergänzen würde. Warum die Engländer den Brexit und die US-Bürger Trump gewählt haben, ist in deutschen Medien kaum nachvollziehbar. Subjektive Kommentare, die beschreiben, was gut und schlecht ist, mutieren zu einer Einheitsmeinung.

Passend dazu meldet das heute-journal vom 5. Dezember, dass der Digitalpakt gescheitert ist. Die Länder möchten für den Digitalpakt der Schulen nicht gleich viel Geld ausgeben wie der Bund. Offiziell heißt es, die Kompetenzen der föderalen Ordnung werden damit eingeschränkt. Das genau diese Bildungspolitik mit ihren Ideologien überhaupt erst eine Situation verursachte, die einen Digitalpakt notwendig werden lässt, weil Deutschland in der Digitalisierung hinterherhinkt, steht merkwürdigerweise nicht zur Debatte.

Wenn Meinungen sich anders entwickeln, als es Medien lieb ist

Diese Überanpassung der Meinung, wie sie tagtäglich fabriziert wird, kann dafür sorgen, dass das gesellschaftliche Verhalten und Denken sich komplett anders entwickelt, als es überangepassten Medien lieb ist. Dazu gibt es in der künstlichen Intelligenz und entsprechenden Computermodellen den passenden Begriff des „Overfittings“. Damit beschreibt man die Überanpassung von Algorithmen an die Trainingsdaten, die zum Beispiel beim maschinellen Lernen verwendet werden.

Dabei werden Daten in eine Trainings- und Testmenge aufgeteilt. Kurz gesagt, dient das Training dazu, einen geeigneten Algorithmus zu bestimmen. Danach verwendet man den trainierten Algorithmus auf die Testmenge. Bei einer zu starken Anpassung an die Trainingsdaten, steigt die Fehlerklassifikationsquote in der Testmenge. Die Daten sind zu angepasst, um daraus eine vernünftige Vorhersage entwickeln zu können.

Mit dem Overfitting lässt sich auch die heutige Medienwelt beschreiben, die tief im Overfitting fest steckt. Ein Donald Trump hat unglaublicherweise die US-Wahlen gewonnen. Selbst Ralf Stegners persönliche Wahlkampfunterstützung für Hillary Clinton in Cleveland, einschließlich der Begleitung durch das deutsche Staatsfernsehen, konnten an dem Wahlausgang nichts ändern. Beim Brexit geschah auch das unmögliche, was in Medien und bei allen Politikgrößen in ihrer jeweiligen Weltanschauung niemals hätte passieren dürfen.

Wenn Überanpassung nach hinten los geht

Overfitting auf die Gesellschaft betrachtet, könnte bedeuten, dass eine Überanpassung gesellschaftlich überhaupt nicht das ausführt, wofür sie ursprünglich gedacht war, nämlich die totale Angleichung der Meinung, sondern sich komplett unterschiedliche Meinungen entwickeln. In der Vergangenheit sind Gesellschaften, in der sich jedes Individuum durch zu starken öffentlichen Druck und Gewalt überangepasst hat, gescheitert. Die DDR und das Dritte Reich mit Ihrer totalen Anpassung an ihren Ideologien sprechen für sich. Die teilweise absurde Tendenz zu einer Überanpassung zeigt sich beispielsweise hier.

Auffällig an der einheitliche Meinung heutzutage ist, dass nur noch nach Max Webers Gesinnungsethik diskutiert wird. Um es in Webers Worten auszudrücken: Gefühlt lässt sich einen Eindruck ermitteln, in der es nur eine Meinung geben darf und jeder, der eine andere Meinung vertritt, wird als „rechts“ gebrandmarkt. Das erfahren inzwischen sogar Politiker wie Boris Palmer und Sarah Wagenknecht, die aus eigentlich sakrosankten politischen Sphären stammen. Die Empörung über den "Verrat" tritt an die Stelle der Diskussion über das Problem.

Um das "Overfitting" zu vermeiden, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine sehr einfache ist, die Überanpassung an die Trainingsdaten zu verhindern und verschiedene Daten zu verwenden. Im übertragenden Sinne könnten verschiedene in den Medien wiedergegebene Meinungen weiterhelfen, einen richtigen Trend aufzuspüren, so dass es nicht, wie in der Vergangenheit beim Brexit, der Wahl des US-Präsidenten und vielleicht bei zukünftigen Stimmenverlusten der Volksparteien, zu einer medialen Verwunderung über den Wahlausgang kommen sollte.

Der Autor ist Student im Bereich IT.

Foto: Tomaschoff

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Leserpost

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Nina Herten / 08.12.2018

Was können denn Personen, denen jeglicher gesunde Menschenverstand abgeht und für die alles, was mit Digitalisierung zusammenhängt, ‘Neuland’ ist (und auf ewig bleiben wird), mit ‘Künstlicher Intelligenz’ anfangen? Es kommt nicht von ungefähr, dass die Industrie, das Bildungswesen, etc. mit Vollgas an die Wand gefahren werden. Macht aber alles nix, solange ‘der Strom aus der Steckdose und das Geld aus dem Automaten kommt’.

Thomas Taterka / 08.12.2018

Entwarnung kann nicht gegeben werden. Wenn die Nachrichtendarsteller begreifen,  daß der “Laden” nicht läuft, werden sie nur bösartiger und lügen noch mehr. Schließlich geht es um sehr viel Geld, das ihnen entrissen würde. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, daß alles, wirklich alles dem Geschäft gehorcht. Lebensnotwendige Simplifikation! Man schaut in die Welt und fragt: Wer macht hier die Geschäfte und warum?

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