Anabel Schunke / 01.02.2019 / 06:22 / Foto: Achgut.com / 141 / Seite ausdrucken

Wenn deine Meinung einsam macht

Im Oktober 2018 las ich hier auf der Achse einen Beitrag von Wolfgang Meins über die psychischen Folgen der Migration bei Deutschen. Der Neuropsychologe stellte fest, dass keinerlei Forschung existiere, die sich mit den psychischen Auswirkungen der unkontrollierten Migration auf die einheimische Bevölkerung befasst. Wie fühlt sich der zurückgedrängte alteingesessene Bürger in bestimmten Vierteln von Berlin, Duisburg oder Salzgitter? Und was ist mit der Familie, vor deren Eigenheim plötzlich ein Flüchtlingsheim gebaut wird und das so rapide an Wert verliert? 

Viele meiner eigenen Texte seit 2016 stellten Versuche dar, das Gefühl des Heimatverlusts durch die Migration und den zunehmenden Einfluss der islamischen Kultur Ausdruck zu verleihen. Die große Resonanz auf diese Essays bestätigte mich immer wieder darin, dass eines der größten Probleme, das viele Deutsche mit der Einwanderung haben – das Gefühl der kulturellen Entfremdung – in der öffentlichen Debatte nur unzureichend Erwähnung findet. 

Denn wenn öffentlich über die Ängste bezüglich der Migration gesprochen wird, dann reden wir über die Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg oder das gesunkene Sicherheitsempfinden. Die Angst vor dem Heimatverlust, der kulturellen Entkernung stellt allenfalls eine von der Linksbourgeoisie in den Talkshows belächelte Randnotiz dar. Wann immer das Thema zur Sprache kommt, weht ein Hauch von Pegida durch die Fernsehstudios dieses Landes. Für Menschen, die sich ob Innenstädten voller Kopftücher und Shishabars kulturell entfremdet fühlen, ist in der „progressiven“ linken Welt von heute kein Platz. Sie gelten im harmlosesten Fall als ewiggestrig. Im schlimmsten als völkisch und als Nazi. Kulturerhaltung ist und bleibt in Deutschland eben ein Exklusivrecht für Einwanderer. 

Die Auseinandersetzung mit diesem Thema wird auch vermieden, weil das Thema „Kulturverlust", insbesondere für Multi-Kulti-Ideologen, wenig fassbar ist und sich daher nur sehr schwer Argumente dagegen finden lassen. Kann man zu wirtschaftlichen Aspekten und Sicherheitsbedenken alle möglichen Studien heranziehen (über die Richtigkeit dieser Studien lässt sich freilich auch diskutieren), handelt es sich bei dem Gefühl des kulturellen Heimatverlustes um etwas, das den Menschen nicht einfach ausgeredet werden kann. Was der eine unter kultureller Bereicherung und Folklore verbucht, ist für den anderen längst islamische Monokultur.

Kummerkasten und Psychotherapeut

Würde man dieses Thema ernsthaft diskutieren und nicht ins Lächerliche ziehen, müsste man sich letztlich auch mit Lösungsansätzen wie einem Migrationsstopp und konsequenter Rückführung von Asylbewerbern aus dem islamischen Kulturkreis befassen. Doch das darf in der öffentlichen Diskussion nicht einmal in Ansätzen angesprochen werden. Die Wahrnehmung des Verlusts der eigenen Kultur wird öffentlich so lange in die lächerliche Pegida-Nazi-Ecke befördert, bis sich niemand mehr traut, über diese Folge der Migration zu sprechen. 

Ich denke – und das ist der Grund, weshalb ich mich an den Text von Wolfgang Meins erinnerte – dass der Teil der Gesellschaft, der die aktuelle Asylpolitik und den Umgang mit dem Islam hierzulande kritisiert, sich nicht einfach über Dinge, die schief laufen „aufregt“. Nicht einfach wütend ist oder irrational ängstlich, sondern dass der bunte Mix aus Wut, Verzweiflung, Angst, Tabuisierung, Ausgrenzung und Zwangsverortung auch eine psychologische Dimension aufweist, die dem gesellschaftlichen Frieden gefährlich wird.

Diese psychologische Dimension setzt sich aus vielen Bausteinen zusammen, die noch weit mehr umfassen, als die von Meins genannten Beispiele. Das Schlimmste an all dem ist, dass man als normaler Bürger oft nicht einmal mehr darüber reden kann. Nicht nur, weil sich niemand in der Forschung oder öffentlichen Debatte dafür interessiert, sondern weil ein gesellschaftliches und privates Klima geschaffen wurde, das jedem, der es wagt, aus dem politisch korrekten Korridor auszubrechen, mit gesellschaftlicher Ächtung droht. Wie gut das noch immer funktioniert, hat kürzlich erst wieder der Fall von Stefan Kretzschmar belegt. Bleibt die Frage: Wohin mit all den Gedanken, Sorgen und Nöten, die man augenscheinlich nicht mehr haben darf?

Als Autor, der sich kritisch mit den Themen Asyl und Migration auseinandersetzt, konnte man in den letzten Jahren einen guten Einblick in die Seele derer bekommen, die das Gefühl haben, in ihrem privaten Umfeld, unter Freunden, Familie und Kollegen niemanden mehr zu haben, dem sie ihre politischen Ansichten und die damit verbundenen Sorgen mitteilen können. Mehr denn je, so auch die Erfahrung einiger Kollegen, ist man nicht nur Autor und Journalist, sondern auch Kummerkasten und Psychotherapeut für all jene, die im Zuge der Politik der letzten Jahre politisch vereinsamt sind. 

„Geistige Brandstiftung“, die unsereinem gerne vorgeworfen wird, sieht anders aus, es handelt sich, unter diesem Aspekt betrachtet, häufig um genau das Gegenteil. Artikel, Facebook- und Twitterseiten, Kommentarspalten bilden längst ein Ventil für jene, die in ihrem Umfeld sonst keines mehr haben. Die erleichtert sind, wenn sie feststellen, dass sie nicht alleine mit ihren Gedanken sind und das Spektrum derer, die zunehmend politisch vereinsamen eben nicht aus Rechtsextremen, sondern aus ganz normalen Bürgern besteht. Also aus dem, was man vor nicht allzu langer Zeit noch die "gesellschaftliche Mitte" nannte. Ein gesellschaftliches Auffangbecken für jene, die durch das öffentlich-mediale Korsett so voneinander isoliert wurden, dass sie gar nicht realisieren, dass sie die eigentliche Mehrheit sind. 

Das letzte bisschen Selbstwertgefühl nehmen

Dennoch glaube ich, dass auch diese Auffangbecken allmählich nicht mehr kompensieren können, was täglich an Wahnsinnsmeldungen auf die Menschen einprasselt. Dabei geht es nicht einmal vordergründig nur um die tägliche Gewalt, die Messerattacken, die sexuellen Übergriffe und die sonstigen absurden Auswüchse des deutschen Asylsystems. Es geht um den ganzen Strauß an linksideologischem Schwachsinn, mit dem man mittlerweile tagtäglich und hochkonzentriert von Politik und Medien zugemüllt wird, der nichts mit der Lebensrealität und den Bedürfnissen der meisten Menschen zu tun hat.

Während das halbe arabische Mittelalter unter Federführung der „progressiven“ Linken einwandert – Meldungen über Ehrenmorde, Polygamie und Zwangsbeschneidung inklusive – wird parallel unermüdlich daran gearbeitet, dem einheimischen Bürger auch noch das letzte bisschen Selbstwertgefühl zu nehmen, indem man wahlweise seine „toxische Männlichkeit“, seine „rassistischen“ Ansichten oder schlicht seine „privilegierte Stellung“ als weiße Person und die eigenen Werte an sich kritisiert und infrage stellt. 

Wann genau diese Fixierung auf die Empfindungen von jeder einzelnen, noch so kleinen gesellschaftlichen Minderheit überhand genommen hat, lässt sich rückwirkend schwer sagen. Jedenfalls hat diese einseitige Fokussierung das Land nicht liberaler und weltoffener gemacht, sondern zu einer Ansammlung von immer kleiner werdenden gesellschaftlichen Gruppen geführt, die gegeneinander ausgespielt werden und einen übergeordneten gesellschaftlichen Zusammenhalt unmöglich machen. 

Alles und jeder fühlt sich mittlerweile durch irgendetwas angegriffen und die einzigen, die ganz offensichtlich keine Lobby mehr für ihre Sorgen und Ängste haben, sind jene, die sich keiner dieser Minderheiten zuordnen lassen, aber für alles, was jenen Minderheiten an vermeintlichen Ungerechtigkeiten widerfährt, verantwortlich gemacht werden. Dass der Völkerrechtler Frank Schorkopf im Zuge der Debatte um den UN-Migrationspakt darauf hinweisen musste, dass Bürger in den entsprechenden Zielländern auch Menschenrechte hätten, sagt alles über den Zustand dieser Gesellschaft aus. 

Die Frage, die sich unweigerlich daraus ergibt, ist: Wie lange kann man einen beachtlichen Teil der Bevölkerung schikanieren und herunterputzen, bis das Fass überläuft? Bis Kommentarspalten im Netz nicht mehr reichen, um den seelischen Ballast loszuwerden und die Leute den Anspruch erheben, dass auch ihre Menschenrechte wieder Beachtung finden? 

Denn es ist demütigend, an Einwanderer keine Ansprüche stellen zu dürfen. Mitzubekommen, wie wir für unsere Gutmütigkeit und Naivität von jenen ausgelacht werden, denen wir mit unseren Steuergeldern ein Leben hier finanzieren. Es ist verletzend, als Nazi bezeichnet zu werden, weil man die derzeitige Asylpolitik für falsch erachtet. Es ist kränkend, kein Gehör in der öffentlichen Debatte zu finden. Als ewiggestrig angesehen zu werden, während ausgerechnet die junge Frau mit Kopftuch als modernes Gesicht des Feminismus gefeiert wird. Und es ist vor allem gefährlich, wenn man über all diese Gefühle nicht reden soll und die Gedanken im eigenen Kopf nicht verschwinden. 

Es war der Kriminologe Hans-Dieter Schwind, der nach dem mutmaßlich fremdenfeindlichen Anschlag von Bottrop darauf hinwies, dass er so etwas schon viel früher erwartet hätte. „Es brodelt in den Leuten“, so der Kriminologe. Dieses Brodeln erfahre ich tagtäglich seit mehr als drei Jahren. Bei mir. Bei Lesern. Bei den Menschen auf der Straße, mit denen man spontan ins Gespräch kommt. Nicht jeder steigt zum Glück in ein Auto und überfährt Menschen. Die Frage, wie lange man das, was einmal politische Mitte war, noch als rechts brandmarken will, muss dennoch gestellt werden. Wie viel psychischen Druck auf jene, die den Laden hier am Laufen halten, verträgt eine Gesellschaft, bis der Unfriede sich endgültig Bahn bricht? Der Deutsche leidet lange und still. 

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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toni Keller / 01.02.2019

wenn ich die Leserbriefe auf der Achse lesen, wenn ich Kommentare selbst im Spiegel lese, dann denke ich, wir sind gar nicht die Vereinzelten mit der seltsamen Meinung. Seit dem Herbst 2015 schreiben überall dort wo noch kommentiert werden kann, die Leute durchaus klug und nachvollziehbar gegen den Irrsinn an, aber irgendwie scheint der alte Kalauer “Der Klügere gibt nach, deshalb regieren die Dummen die Welt!” einfach wahr zu sein. Es ist die alte Nibelungentreue, wo die Protagonisten von Anfang an ahnen, später spüren, nach später wissen, es kann nur schief gehen und dennoch, obwohl es alle wissen, laufen sie dem Gunter hinterher, der seineseits wieder genau weiß es ist verkehrt und dennoch auf den Hagen von Tronje hört. Eine besondere Parallele bietet das Nibelungenlied auch, weil die eh schon starke Frau den noch stärkeren Mann, der sie gar nicht will, weil sie ihm viel zu emanzipiert ist, unbedingt haben will und genau deshalb bei dem Softie unter landet, aber genau damit gar nicht umgehen kann, und totunglücklich damit ist, auch hier drängen sich Vergleiche geradezu auf.

E.Höfler / 01.02.2019

Ich wollte nur kurz auf einige Autoren hinweisen, die eine theoretische und philosophische Grundlage und damit eine Terminologie bieten, die in der Diskussion sehr nützlich sein kann (H.Broder hat diese ja schon vorbildlich reflektiert). Davon abgesehen darf man bei uns (noch) alles thematisieren. Allerdings muss man - wie bekannt - mit Konsequenzen rechen. Als ich gestern ein Aufsichtratsmitglied der ja eher konservativen GEMA darauf hinwies, dass ihre “Stellungnahmen” zur Rede von H.Broder vor der AFD Fraktion Hassreden gleichkommen - und zudem sexistisch und rassistisch sind - wurde natürlich versucht mir den Mund zu verbieten. Diese Reaktion stereotyp. Ich rate gerne dazu folgende Autoren im Blickfeld zu haben (leider vieles auf Englisch, da diese Diskussion in den USA schon wesentlich heftiger und länger geführt wird - und es wie Ben Shapiro auch hervorragende Debattenredner gibt). Ich empfehle: 1. Stephen Hicks zur Analyse des Postmodernismus und Neomarxismus als Grundlage linker Theorie (auch auf Youtube) 2. Jorden B.Peterson - einfach alles, Bücher und Youtube. Sehr wichtige und verständliche Vorlesungen an der Universität von Toronto, alles Online gestellt. 3. Stephen Crowder, Komiker, und seinen YT Channel LouderwithCorwder, der die Social Justice Warrior enttarnt 4. Ben Shapiro, Bücher und Youtube (Vorsicht - Suchtgefahr) 5. Dave Rubin etc. 6. Christine Hoff Sommers, eremitierte Professorin und Feministin, Debra Soh - ebenfalls Psychologin etc. Sie bieten tiefere und logisch, wissenschaftlich und statistisch fundierte Antworten auf die Fragen im Text, Herkunft und Bedeutung von Heimat etc, die bis in die archetypischen Dispositionen des Menschen gehen.

Hjalmar Kreutzer / 01.02.2019

Verehrte Frau Schunke, liebe Achse-Redaktion, allein anhand der Zahl der Leserbriefe ist zu sehen, wie groß auch die seelische Not ist und wie bitter notwendig für das eigene Volk solche Medien und Foren, wie dieses hier sind. Dank und Anerkennung und bitte weitermachen!

Bechlenberg Archi W. / 01.02.2019

Vor längerer Zeit schrieb ich zum gleichen Thema für die Achse meinen Text “Sag mir, wo die Freunde sind.” Das fragte ich mich damals tatsächlich, hatte ich doch geglaubt, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis würde es ausschließlich intelligente Menschen geben, die frei von einer Neigung zu schlichtem Weltbild waren, einem Weltbild, in dem es nur Floskeln und oberflächliches Denken gibt. Auch waren die meisten der mir näher stehenden Mitmenschen weitgehend befreit von Gottesfurcht und sollten milde über die Angst anderer lächeln, dereinst im Woelkikuckucksheim auf einen glühenden Speer gesetzt zu werden, wenn sie nicht das letzte Hemd und die letzte Backe hingehalten hatten, also dem leuchtenden Vorbild der Kirchen folgten . - Ich habe mich damals gründlich geirrt, was den Geist der Meisten anging und blickte bei Gesprächen und Diskussionen erschrocken in einen Abgrund von Bessermenschlichkeit. Die pflegt, so habe ich damals gelernt, der säkulare Humanist noch biedermeierlicher als der Gläubische. - Nach einer gewissen Phase des Verstehenwollens - damals entstand der oben angesprochene Text - sah ich ein, dass ich froh darüber sein kann, diese Leute hinter mir gelassen zu haben. Man kann ein totes Pferd nun einmal nicht mit Heu füttern, und bessermenschliche Gutmenschen nicht mit Argumenten. Sollte der Eine und Andere von selber drauf kommen: fein. Wenn nicht: schade, aber für ihn. Ich habe keinen Ehrgeiz, Andere vor der kommenden Hölle auf Erden zu warnen. Das Predigen liegt mir nicht, auch wenn mir manche der Leute früher einmal wichtig gewesen sein mögen. Jeder kann seine Augen aufhalten und seinen Kopf, das sollte reichen, um ins Grübeln zu geraten über das, was auf uns zukommt. - Übrigens: Um die Jahreswende schwächelte ich kurz, da blätterte ich durch mein elektronisches Adressbuch und staunte über manchen Namen, und dann schrieb 22 Personen daraus einen Neujahrgruß. Niemand hat geantwortet.

Jutta Schäfer / 01.02.2019

Die kommenden Wahlen werden ein Stimmungsbild abgeben. Vielleicht ist das unsere letzte Gelegenheit. Gilt natürlich nur sofern sie nicht manipuliert werden. Aber auch das ist wohl im Deutschland des Jahres 2019 nicht mehr ausgeschlossen. Die schweigende und zum Schweigen gebrachte Mehrheit möge bitte entsprechend wählen. Zahlreich!

M.Friedland / 01.02.2019

@Zornmüller: die Aussage, daß “Revolutionen ..von jungen Menschen…gemacht” werden, nicht von 50-60jährigen, war früher richtig. Heute wollen die “jungen”, daß alles so bleibt wie immer und sich niemand bewegt; eine Revolution findet statt im Weißen Haus durch einen 72-jährigen, der liebgewordene gutgeschmierte Strukturen und Mechanismen über den Haufen wirft und deshalb angefeindet wird.

Jochen Rettev / 01.02.2019

@Zornmueller: Betreffs der Analyse zur Wahrscheinlichkeit einer Revolution haben Sie völlig recht und genau diese Schlussfolgerung war es, die mich zu meiner eigenen Konsequenz brachte: dieses Land zu verlassen. Aber eine Frage sei erlaubt: wann waren Sie das letzte Mal in Rumänien ? Sie sollten mal die Städte in Siebenbürgen (Hermannstadt, Kronstadt, Schäßburg) besuchen und dann nochmals über Ihre Bemerkung nachdenken :-)

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