Tamara Wernli / 03.08.2017 / 17:59 / Foto: Daniel Ogren / 19 / Seite ausdrucken

Wenn das Gute böse wird

Vergangene Woche fuhr eine der berühmtesten Frauen der Welt eine öffentliche Schmierkampagne gegen einen der berühmtesten Männer der Welt. Millionen Menschen wurden dabei Zeugen eines Angriffs, bei dem Meinungen und Gefühle mehr wert sind als Fakten. Kaum ein Medium berichtete anfänglich darüber – das Thema war unter dem Moralaspekt nicht sehr ergiebig: Bei der Dame handelt es sich um J. K. Rowling, Harry Potter-Autorin, politische Aktivistin, Frontkämpferin für Flüchtlinge und Bedürftige. Beim Verleumdeten um Donald Trump.

Die Attacke begann damit, dass Rowling ein Video auf Twitter postete, das den US-Präsidenten zeigt, wie er Leute begrüsst und dabei einen kleinen Jungen im Rollstuhl übersieht. Rowling schrieb ihren 11,3 Millionen Followern: "Wenn dir jemand zeigt, wer er ist, glaube es - Maya Angelou." Dann reichte sie eine Reihe wütender Tweets nach: "So, ja. Dieser Clip von Trump, der absichtlich ein behindertes Kind übersieht, seine ausgestreckte Hand ignoriert, das berührte mich zutiefst." Und: "Wie schrecklich, dass Trump sich nicht überwinden kann, die Hand des kleinen Jungen zu schütteln, der ja nur den Präsidenten berühren möchte." Sie nannte ihn ein narzisstisches Monster.

Digitale Räume wie Twitter sind unzweifelhaft eine Plattform für schäumende, frustrierte Seelen, ein Ventil, Dampf abzulassen und sich derweil die Bestätigung von Gleichgesinnten einzuholen. Bei einer Millionen-Followerschaft rasen solche Vorwürfe schneller um den Globus als Harry Potter auf seinem Besen durchs Quidditchspiel – Rowling erhielt für ihr Trump-Bashing in kurzer Zeit eine Rekordzahl von fast einer halben Million Likes.

Die britische Phantastin verbreitete eine Lüge

Das Problem ist, die britische Phantastin verbreitete eine Lüge. Rowling dachte offenbar, dass Trump in zu wenige Fettnäpfchen tritt und erfand noch eins dazu: Der Clip, den sie postete, war irreführend geschnitten worden. In einer längeren Version sieht man, wie Trump bei Betreten des Raumes zuerst auf das Kind zugeht, sich zu ihm hinunterbeugt, mit ihm spricht – länger als mit allen anderen im Raum.

Nun kann man Trump ja einiges vorwerfen und manches davon zu Recht. Und ja, es kann auch mal vorkommen, dass man etwas postet, das sich im Nachhinein als falsch erweist. Zahlreiche ihrer Follower wiesen Rowling auf das gefälschte Video hin – tagelang. Ihre Verachtung für Trump muss aber grösser sein als ihr Sinn für Gerechtigkeit: Während all der Zeit entschuldigte sie sich weder für den Lügentweet noch stellte sie ihn richtig, sie löschte ihn auch nicht. Die Botschaft: Auch wenn Trump vielleicht keinen Fehler machte, so bleibt er trotzdem ein Ungeheuer – ihre Verleumdung dient offensichtlich einem höheren Zweck. Erst als die Mutter des Jungen am Montag klarstellte, ihr Sohn sei gar nicht von Trump ignoriert worden, entfernte Rowling die Tweets und entschuldigte sich bei Mutter und Sohn. Nicht aber bei der Person, die sie diskreditiert hatte.

Dass eine reiche, berühmte Frau die sozialen Medien missbraucht, um den verhassten Präsidenten zu diffamieren, ist das eine. Dass die Mainstream-Medien, die ja ansonsten schnell sind beim Beklagen des Niedergangs der Fakten, das Thema erst in Folge ihrer Rechtfertigung aufgriffen, und selbst dann nicht Rowlings Denunziation, sondern die "Entschuldigung" zur Schlagzeile machten, zeugt von einem verschrobenen News-Verständnis.

Wenn das Gute auf einmal böse wird, bleiben es eben Geschichten aus Hogwarts.

Tamara Wernli arbeitet als freischaffende News-Moderatorin und Kolumnistin bei der Basler Zeitung. Dort erschien dieser Beitrag auch zuerst.

Foto: Daniel Ogren CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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M. Haumann / 03.08.2017

Diese hochaggressive Moralpredigern hat mit ihrem empörten Dauergetweete vermutlich auch ihren bescheidenen Anteil zum Brexit beigetragen. Jedes Mal, wenn vor dem Referendum in GB ein superreicher und deshalb von Alltagsproblemen unbetroffener Humanitätsforderer von Obama über Clooney zu Beckhams und zahlreichen anderen Prominenten den Briten vorschreiben wollte, wie sie zu leben und zu denken haben, wurde eine nicht unerhebliche Zahl von ihnen richtig bockig. Cameron hatte wohlweislich Frau Merkel von jeglicher Stellungnahme abgehalten, denn die hätte vermutlich noch ein paar Millionen mehr für den Austritt mobilisiert, indem sie zur Abstimmung in England nur den Mund aufmacht. Nicht wenige Briten sind da anders als die vielen deutschen Schäfchen, die nur zu gern von oben vordenken lassen.

Stefan Lanz / 03.08.2017

Es ist das schlechte Gewissen, das das Gehirn viele Leute nicht mehr funktionieren lässt… Wieviel derer, für die sie sich stark macht, wohnen denn bei ihr Zuhause? Wie hoch ist ihre monetäre Unterstützung, wenn sich diese nicht mehr steuerlich positiv auswirkt und ihr Vermögen reduzieren würde? Aber mit vollen Hosen ist gut stinken… PS: Ich denke, sie hat auch schon den einen oder anderen Bedürftigen/Behinderten/Geflüchteten bei einer ihrer Auftritte oder Signierstunden übersehen…

Werner Arning / 03.08.2017

Solange Trump “gebasht” wird, gibt es kein Falsch und keine Lüge. Trump-Bashing geht immer, passt immer und lässt die Gemeinde der politisch Korrekten frohlocken. Kann denn Hass Sünde sein? Doch nicht, wenn es denn den Richtigen trifft. Trump ist doch die unumstrittene Nummer eins derjenigen, die ohne Gefahr gehasst werden dürfen. Selbst Erdogan, Putin, Orban, Höcke oder Petry müssen sich da schon hinten anstellen.

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