Wenn Bücher brennen

„Und nicht wenige, die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre Zauberbücher herbei und verbrannten sie vor aller Augen.“ Auf diesen Bibeltext beriefen sich religiöse Fanatiker, wenn sie in den folgenden 2.000 Jahren unliebsame Schriften den Flammen übergaben. Seit der Antike werden missliebige Schriften öffentlich verbrannt, manchmal zusammen mit ihren Verfassern.

Um 1193 fackelte der islamisch-türkische Eroberer Bakhtiyar Khilji die buddhistische Nalanda-Universität ab, ab dem 4. Jahrhundert loderte die religiöse Pyromanie der römisch-katholischen Kirche, die Inquisition war der vorläufige Höhepunkt.

Der Wahn infizierte alle Kontinente. Der Bischof Diego de Landa ließ in Yucatan fast alles vernichten, was in Maya-Schrift verfasst war. Nach den Bücherverbrennungen der Nazis verbrannten die Roten Khmer 1975 in Kambodscha Bibliotheken, im Bosnienkrieg fackelten serbische Nationalisten über eine Million Bücher ab, im März 2001 wurden während eines Gottesdiensts im US-Bundesstaat New Mexico „Harry Potter“-Romane wegen angeblicher Hexerei verbrannt.

Jungsozialist Timo Räbsamen sitzt im Stadtparlament von Wil SG. Im Februar 2019 schrieb er in einem mittlerweile gelöschten Instagram-Post: „Heute brennt die Weltwoche, morgen dann Roger Köppel“ – und illustrierte die Zeilen mit einem Foto, das einige Geschichtslose beim Abfackeln einer „Weltwoche“ zeigt.

Hätten junge SVPler getextet: „Heute brennt die Wochenzeitung, morgen dann die Chefredaktoren“ – es hätte Nazikeulen geregnet. Leider gibt es in den Redaktionen immer mehr „Influencer“, die sich als publizistischen Arm eines totalitären Mobs verstehen und zweierlei Maß anwenden.

ARD-Journalist Hanns Joachim Friedrichs (1927–1995) sagte einst: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache. Auch nicht mit einer guten.“

Alle zu den Wahlen zugelassenen Parteien haben ihre Berechtigung, sie repräsentieren einen Teil der Bevölkerung. Kontroverse Meinungen und zivilisierte Debatten sind die Vitamine einer gesunden Demokratie.

Doch heute gilt: Was von rechts kommt, ist Faschismus, was von links kommt, war bloß Satire. Heinrich Heine (1797–1856) prophezeite: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen.“

Diese Kolumne erschien zuerst im Schweizer BLICK.

 

Claude Cueni (64) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Soeben erschien im Verlag Nagel & Kimche sein Thriller „Genesis – Pandemie aus dem Eis“.

Foto: Sebastian Magnani CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Jochen Brühl / 18.10.2020

Bitte immer daran denken, dass wir lt. unserem Bundespräsidenten im besten Deutschland leben, das es jemals gab. Vielleicht hilft das ja Monika Maron etwas über die Verlagskündigung hinweg. Immerhin hat das der Bundespräsident gesagt. Dann muss es doch stimmen.

Hans-Peter Dollhopf / 18.10.2020

Herr Kirchner: “Die gesamte Weltliteratur hat vermutlich auf ein paar Festplatten Platz.” Aber bitte nur verschlüsselt für den Fall, dass sie dem Feind in die Tentakel fallen, wegen Verleumdungsklagen, Copyrightverletzungen und so.

Dr Stefan Lehnhoff / 18.10.2020

Nicht jeder, der als Rechter tituliert wird, ist ein vernünftiger oder anständiger Mensch, aber jeder vernünftige und anständige Mensch wird heute als Rechter bezeichnet.

Hans-Peter Dollhopf / 18.10.2020

Frau Walter, Sie weisen auf einen Herrn Steffens hin, der beim ZDF wohl einen lukrativen Posten als “Erklärer” besetzt hält. Ich höre zum ersten Mal von dem Mann, was daran liegt, dass ich mit dem ZDF nur zu schaffen habe, wenn die Geld von mir wollen. Ich habe also in das besagte FOCUS-Interview hineingelesen, aber mir wurde das sinnfreie Lamentieren dieses Steffens nach wenigen Absätzen so langweilig, dass ich sein Gestotter wieder weglegte. Ich danke der Verschwörungstheorie im Himmel, dass ich mir einst die Zeit nahm, Wissenschaftstheorie zu studieren und dadurch nicht in die Lage geraten kann, solchen Trotteln auf diesem Gebiet Respekt für nichts zollen zu müssen, so wie seine armen Bewunderer vor der Glotze. Arme ZDF-Konsumenten, lasst euch von solchen Steffens warnen vor Klimaleugnern, Coronaleugnern, Deutschland ist Scheiße-Leugnern, FCK AFD-Leugnern, Bunt ist beautiful-Leugnern, Organspendepflicht-Leugnern, Refugee Welcome-Leugnern, Erdkugelleugnern, wir werden alle gleich sterben-Leugnern, Mainstreammedien-Leugnern, GEZ-Leugnern, EU-Leugnern, Bad Man Orange-Leugnern, Gendersternchen-Leugnern, Hassenichgesehn-Leugnern ... Merkel mus-s weg-Leug ... oh, jetzt bin ich wohl falsch abgebogen!

Gerhard Hotz / 18.10.2020

@Daniel Kirchner: Wenn Bücher nicht mehr gelesen werden, nützt es auch nichts mehr, diese zu speichern (ob in Papierform oder elektronisch ist egal). Sie verschwinden dann einfach im Nichts, weil sie in den Köpfen der Leute nicht mehr vorhanden sind.

Raymond Walden / 18.10.2020

Aus meinen “Sequenzen von Skepsis”: 553 Vergrabene Bücher brennen nicht. So macht man das heute.

E. Meierdierks / 18.10.2020

Das Werk war noch nicht vollendet, wir hatten nur ein bißchen Pause.

Ralf Pöhling / 18.10.2020

Bücher sind, wie auch Statuen, Skulpturen, Gemälde oder jedes andere denkbare Kunstwerk, die Speichermedien einer Gesellschaft. Der kreative und wissenschaftliche Output eines jeden individuellen Denkers und Gestalters, wird darin festgehalten und für alle anderen Teile der Gesellschaft durch den möglichen Zugriff auf diese Speichermedien ebenfalls verfügbar. Individuelle Sichtweisen, wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Ideen werden so auch denen zuteil, die selbst zu so etwas mangels begrenzter Lebenserfahrung oder begrenzter Denkleistung gar nicht fähig sind. Direkt ausgedrückt: Gäbe es keine Bücher, gäbe es auch keine Möglichkeit, das erlangte Wissen einer Generation an die nächste Generation weiterzugeben, damit diese ihre Existenz auf bereits bestehenden Erkenntnissen aufbauen und sich von da aus weiterentwickeln kann. Bücher sind, wie eben auch jede Form der Kunst, das konservierte Substrat einer Kultur, einer Nation, eines Volkes. Wer eine Kultur, eine Nation, ein ganzes Volk auslöschen will, der löscht das Volk also nicht nur physisch aus, sondern mit ihm ebenso sein gespeichertes Wissen. Wer Statuen niederreißt, Kunst, Kultur und Literatur auf dem Scheiterhaufen verbrennt, der begeht Völkermord. Eine prosperierende, sich gesellschaftlich und technologisch weiterentwickelnde Gesellschaft ist ohne konservative Elemente überhaupt nicht denkbar. Denn eine Gesellschaft ohne jeglichen Konservativismus, muss mit jeder neuen Generation ganz von vorne anfangen und entwickelt sich so unweigerlich zurück zu einer Gesellschaft tribalisierter Neandertaler, wo sie dann stecken bleibt. Also genau das, was wir derzeit in seiner Entwicklung sehr gut beobachten können. Tribalisierte Neandertaler sind gegenüber Konservativen intellektuell und technologisch unweigerlich im Nachteil. Wer der westlichen Welt ihren Konservativismus austreiben will, macht sie also zur leichten Beute der Konservativen anderer Gesellschaften. Und auch das, ist gerade sehr gut zu beobachten.

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