Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 10.08.2007
Wir machen uns allmählich Sorgen um die Gesundheit der deutschen Bauern: Sie klagen nicht! Kein Jammern über schlechtes Wetter, unfaire Preise oder Freihandel. Nach einem halben Jahrhundert Planwirtschaft entdecken die 350 000 landwirtschaftlichen Betriebe plötzlich den Markt. Die Nachfrage übersteigt das Angebot und die Preise für landwirtschaftliche Produkte klettern. Sogar die Globalisierung, die noch vor kurzem als Hauptfeind des deutschen Landmannes ausgemacht wurde, wird plötzlich in einem milderen Licht gesehen: Sind es doch gerade Inder und Chinesen deren gesteigerter Appetit auf Milch oder Fleisch die Preise nach oben treibt. Die dort rasant wachsende Mittelschicht schätzt europäische Lebensmittel. Mehr als eine Million Chinesen hat bereits ein Einkommen von über 100 000 Dollar und über 100 Millionen Chinesen können sich schon ausländische Lebensmittel leisten. All dies heitert das Gemüt des deutschen Bauernstandes auf.
Die Agrarwende ist da, allerdings ganz anders als noch vor wenigen Jahren prophezeit wurde. Erinnert sich jemand noch an den Slogan „Klasse statt Masse“? Erinnert sich noch jemand an die BSE-Krise und die damit verbundenen Diskussionen, in deren Verlauf man den Eindruck gewinnen konnte, die Zukunft liege im romantischen Rückschritt zum selbstgenügsamen und möglichst wenig technisierten bäuerlichen Familienbetrieb? Erinnert sich noch jemand an zeternde Bauernfunktionäre, die mit dem Ende der Milchquote den Untergang des Abendlandes im Allgemeinen und der Almwirtschaft im speziellen an die Wand malten?
Das alles scheint unendlich weit weg. Seit bei Aldi oder Lidl die ersten Hamsterkäufe bei Butter oder Milch beobachtet wurden, steigt das Sozialprestige des deutschen Bauern ganz von selbst und sogar die viel gescholtene Turbokuh gilt als deutscher Leistungsträger erster Ordnung. Schon fordern viele Bauern die Abschaffung der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA), die mit gesetzlich verordneten Zwangsbeiträgen den Absatz landwirtschaftlicher Produkte ankurbeln soll - was aber gar nicht mehr nötig sei.
Die Kraft des Faktischen entfaltet ihre wunderbare Kraft und lässt Ideologen und Bürokraten plötzlich ganz alt aussehen. Und diese Fakten lassen sich auf eine ziemlich einfache Formel bringen: Standen 1950 auf der Welt noch 5000 Quadratmeter pro Kopf für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung, so wird es Schätzungen zufolge 2050 für jeden Menschen nur noch eine Fläche von 1750 Quadratmetern sein. Und das bei steigenden Ansprüchen und verstärkter Nachfrage nach Eiweiß haltigen Lebensmitteln. Diese „Next Food Revolution“, wird die Nahrungsmittelproduktion mindestens so revolutionieren, wie in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die „Grüne Revolution“, als neue Pflanzensorten die Ernährung der schnell wachsenden Weltbevölkerung sicher stellten.
Um auf der vorhandenen Fläche die steigenden Bedürfnisse zu befriedigen, werden sich hoch technisierte und innovative Produktionsweisen durchsetzen - die Gentechnik eingeschlossen. Die effizienten und rentablen Großbetriebe, die in Deutschlands Osten aus ehemaligen LPG’n hervorgingen, zeigen wohin die Entwicklung gehen wird. Die künftige bäuerliche Großfamilie heißt wohl nicht Müller oder Maier, sondern GmbH. Und dies muss auch für die Umwelt und die Tiere kein Nachteil sein. Die entsprechenden Investitionen für umweltfreundliche Techniken oder artgerechte Tierställe fallen finanzstarken Agro-Unternehmen leichter. Nicht die Größe eines Betriebes sondern die Produktionsweise entscheidet über die Umweltverträglichkeit. Landwirtschaft wird wieder wirtschaftlich. In einer solchen Situation treten Unternehmer auf den Plan und Innovationen setzen sich durch - wenn man sie denn lässt. Wenn die europäische Politik klug ist, nutzt sie die Gunst der Stunde und beendet die Agrar-Planwirtschaft so schnell es geht.