Manfred Haferburg / 13.02.2019 / 12:00 / Foto: Sanofi / 43 / Seite ausdrucken

Wen interessiert schon die Physik, „wir müssen es wollen“

Kanzlerin Merkel wird kurzzeitig von Energiewende-Selbstzweifeln befallen. Sie soll zum Thema Kohleausstieg gesagt haben: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir scheiternWir müssen es wollen.“ Recht hat sie, es kann einem schon bange werden. Verteuern, verbieten, aussteigen – das sind seit vielen Jahren die Grundlagen deutscher Regierungspolitik. Ob Diesel, Glyphosat, Gen, CO2, Strom, abweichende Meinung  –  es wird verteuert, verboten und ausgestiegen, als gäbe es kein morgen. Es wird gewendet, was das Zeug hält – Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Wohnen, Ernährung – die Kulturrevolution war ein Klacks dagegen. 

Zum Kernenergieausstieg kommt jetzt der Kohleausstieg. Deutschlands Regierung beschließt – natürlich nicht freiwillig, sondern von einer Expertenkommission alternativlos dazu gezwungen – den Ausstieg aus allen beiden wichtigsten Standbeinen der elektrischen Grundlastversorgung eines Noch-Industriestaates, ohne eine Idee zu haben, wie die Versorgungslücke zu schließen wäre. 

Fritz Vahrenholt sagte dazu auf der Achse:

Die Bundesregierung hat die Ergebnisse der Kohlekommission begrüßt und wird diese umsetzen. Danach werden bis zum Jahre 2022 Kohlekraftwerke mit 12.700 Megawatt stillgelegt, bis 2038 insgesamt 52.100 MW (einschl. Kernkraftwerke). Die heutige Höchstlast beträgt etwa 75.000 Megawatt. Die Kosten werden auf 80 Milliarden Euro geschätzt. Eine selbst von der Kommission eingeräumte Strompreiserhöhung von 1,5 €ct/kwh wird den Industriestrompreis für die Aluminium-, Stahl-, Metall- und chemische Industrie um 40 Prozent erhöhen. Das hat Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit dieser Industrien... Wirtschaftsminister Peter Altmaier erklärte zum Kohleausstieg: „Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet.“ Er weiß es besser und sollte uns nicht anlügen ».

„Flexibilisierung der Nachfrage“

Aber vielleicht lügt er ja nur sich selbst in die Tasche und wir sind nur ein Beiprodukt seiner Lügen. Wenn man den Bericht der Kohlekommission liest, heißt der Schlüssel zur Versorgungssicherheit unter anderem: „Flexibilisierung der Nachfrage“. Die etwas betagteren Leser kennen noch die „Flexibilisierung der Nachfrage“. Es hieß früher anders, nämlich „Stromsperre“. Die jüngeren Leser kennen auch eine Form der Flexibilisierung der Nachfrage: schwankende Strompreise je nach Verfügbarkeit von Wind und Sonne: „Mama, guck doch mal nach dem Strompreis, ich will den Geschirrspüler starten“ – „Geht jetzt nicht Papa, ist grade Stromsperre“. 

Woher soll künftig die Grundlast kommen? Bezahlbare großtechnische Speicher außer Pumpspeicherwerken sind noch nicht erfunden. „Power-to-Gas“ und Wasserstoff sind keine preislichen Optionen, da der Erzeugungspreis zehnmal so hoch ist, wie der Industrielle. Gaskraftwerke wird keiner bauen, der bei Verstand ist, da schon die heutigen modernen Gaskraftwerke wie Irsching in dem Subventionsgestrüpp nicht rentabel laufen und zur Stilllegung beantragt werden. Bleibt nur die Hoffnung auf Lieferungen von Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland. Wenn die gerade etwas übrig haben.

Der Meister der anschaulichen Beispiele, Henryk M. Broder, hat mir Atomfuzzi mal erklärt, wie das mit der Stromversorgung durch erneuerbare Energien so funktioniert.

Stell dir vor, Du bist Fuhrunternehmer und hast punktgenaue Lieferverträge einzuhalten. Du hast Öko-Autos, die fein bei Wind und Sonne fahren, aber bei Flaute und Dunkelheit einfach stehenbleiben. Also hast du für jedes Öko-Auto noch ein konventionelle Auto, das  mit leerlaufendem Motor in der Garage steht – mit Chauffeuren selbstverständlich. Die müssen sofort losfahren, wenn der Wind nicht weht und die Sonne grad nicht scheint“.

Das bewährte Konzept der Merkelsche „Alternativlosigkeit“

Tja, und jetzt will die Regierung von Schilda auf Wunsch eines Großteils der Schildaer Bürger all diese konventionellen Autos verschrotten und dafür noch mehr Öko-Autos anschaffen, die allerdings auch bloß bei Flaute und Dunkelheit stehen bleiben. Da bleibt dem Fuhrunternehmer nur eine „Flexibilisierung der Nachfrage“.

Selbst Kanzlerin Merkel ist von Energiewende-Selbstzweifeln befallen worden. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir scheitern."  Und dann sagt sie im besten Merkel-Duktus: „Wir müssen es wollen“. Was für ein Satz: „Wir müssen es wollen“. 

Der US-Psychologe Albert Ellis nennt solche Satzbildung „musturbieren“, ein Kofferwort, welches das zwanghafte „Müssen“ mit befreiender „Selbstbefriedigung“ kombiniert. Das Konzept beschreibt Deliquenten, die ihre Zeit damit verbringen, sich und ihrer Umwelt zu sagen: „Es ist notwendig, wir müssen“. Im Leben eines Musturbators erzeugen Abweichungen von Wünschen einen starken Leidensdruck und führen daher zum Verleugnen der Realität, eben wegen ihrer Unvollkommenheit. 

Diese Diagnose setzt das Konzept der Merkelsche „Alternativlosigkeit“ nahtlos fort.  Es ist ein grandioses „Wir schaffen das 2.0“. Merkel fordert nun eine „nationale Kraftanstrengung“ zur Bewältigung der „Riesenaufgabe des Kohleausstiegs“. 

Nationale Kraftanstrengung von Frau Merkel? Kommt mir irgendwie bekannt vor. Eine „nationale Kraftanstrengung hatte sie am 15.10. 2016 vehement bei ihrer Rede vor der Jungen Union zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber gefordert. Jeder weiß, was daraus geworden ist. Wenn also der nationalen Kraftanstrengung zum Kohleausstieg der gleiche Erfolg beschieden sein sollte wie der der nationalen Kraftanstrengung bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber, dann gehen in Deutschland irgendwann doch mal die Lichter aus. 

Aber was solls? Zum Teufel mit der Realität: „Wir müssen es nur wollen, dann schaffen wir das“.

Foto: Sanofi

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Dr. J. Commentz / 13.02.2019

Apropo Wasserstoff, der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) hat gerade seine 4 Wasserstoff Busse an Mercedes zurückgegeben, Kaufpreis weit über 4 Millionen ( sagt man, HVV und Mercedes halten dicht; ca. 3 x soviel wie ein Dieselbus.) Die Technik sei noch nicht weit genug und die Lagerung des explosiven Wassertoffs in Wohngegenden “ein Problem”. (konnte ja keiner ahnen). Kostenerstattung von Mercedes? 2012 hieß es noch: die Zukunft gehört dem Wasserstoffbus, bis 2020 wollte man vollständig umgestiegen sein. Man muß es nur wollen, sagt meine Kanzlerin.

Dr. Klaus Rocholl / 13.02.2019

Zu Zeiten der vorletzten - schlimmsten - Diktatur in diesem Land war Ei Film von Leni Riefenstahl sehr populär: Er hieß „Triumph des Willens“. Wie das damals ausgegangen ist, kann man in den Geschichtsbüchern nachlesen…

Arnauld de Turdupil / 13.02.2019

Allein der Titel “triggert” den geneigten/gebeugten Leser bis zum quasi-gegenderten Gebärschmerz, denn hier stehen Worte wie “Physik und Wollen” in einer Überschrift! Und eine “Physik des Wollens” erinnert uns - ganz zwanglos - an eine weitere berühmte Gottseibeiuns-Nachlass-Figur der ehemaligen DDR, diesmal nicht aus der linken, sondern aus der spätrechten Schmuddelecke. Die Rede ist hier vom “promovierten Naturwissenschaftler” Dr. Axel Stoll (der 2014 diese Erde verliess und nun wieder seinen Heimatplaneten im System des Aldebaran bewohnt). Dr. Stoll (nähere Infos u.a. bei wikipedia.org) definierte z.B. bei den “Berliner Neuschwabenland-Treffen”, dass Magie “Physik durch Wollen” sei. Die verhobene Wackeligkeit seines mathematisch absolut stringent-gemeinten Weltbildes erinnert - strukturell bis fatal - an jene der zwei anderen studierten DDRler*innen (ähnlichen Alters, auch bekannt unter den Künstlernamen IM*sen Viktoria und Erika). Es macht immer deutlicher den Eindruck, dass Dr. Stoll, Frau Dr. M. und Frau K. dieselbe marxistisch-leninistische Weltumstülpungs-Universitätslaufbahn absolvierten, allerdings mit geringfügig verschieden oszillierenden Brachial-Ergebnissen. Aber sie sind die wahren grossen Drei der DDR. Ohne Selbstzweifel, ideologisch knallhart “auf völlig daneben” getrimmt und bereit, die Deutschen bis zum Aldebaran zu spedieren. Mit der Formel “Magie ist Physik durch Wollen” wird das Denkgebäude der Kanzlerin erschöpfend erklärt und die Nichtphysikerin der AAS erfreut diese Welt mit ihrem wunderbar roteingefärbten, sozialpolitischen Drangsal - auf ganz ähnlichem Niveau. Fazit: Diesen drei grossartigen Standard-Kerzen aus dem Klärschlamm-Rückhaltebecken der DDR (bei Dr. Stoll postum) gebührt unbedingt der grünoide “Nobelpreis für übernachhaltige Realitätsverweigerung auf Deibel-komm-raus, auch bei beliebigen deutschen Kollateralschäden”. #CU&Germans;@Aldebaran.

Volker Kleinophorst / 13.02.2019

Sagt eine “angebliche” Physikerin!

Karla Kuhn / 13.02.2019

“Verteuern, verbieten, aussteigen – das sind seit vielen Jahren die Grundlagen deutscher Regierungspolitik. Ob Diesel, Glyphosat, Gen, CO2, Strom, abweichende Meinung –  es wird verteuert, verboten und ausgestiegen, als gäbe es kein morgen. Es wird gewendet, was das Zeug hält – Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Wohnen, Ernährung – die Kulturrevolution war ein Klacks dagegen.” Damit ist schon das meiste gesagt, der “Wahnsinn” ist aber noch lange nicht perfekt!!  “Der US-Psychologe Albert Ellis nennt solche Satzbildung „musturbieren“, ein Kofferwort, welches das zwanghafte „Müssen“ mit befreiender „Selbstbefriedigung“ kombiniert. Das Konzept beschreibt Deliquenten, die ihre Zeit damit verbringen, sich und ihrer Umwelt zu sagen: „Es ist notwendig, wir müssen“. Im Leben eines Musturbators erzeugen Abweichungen von Wünschen einen starken Leidensdruck und führen daher zum Verleugnen der Realität, eben wegen ihrer Unvollkommenheit. ” HERVORRAGEND !  Sie bringen es immer so herrlich auf den Punkt und das auch noch mit Anstand !  VERLEUGNEN der REALITÄT, scheint bei einer bestimmten Kaste zu einem Massenphänomen zu werden !  Zwar nicht die Mehrheit aber immer noch genug haben es so gewollt !!

M. Koecher / 13.02.2019

Wenn Kohle- und Atomstrom immer weniger und schließlich ganz abgeschafft sein werden, wird Strom aus Erdgas durchaus rentabel. Dümmliche Verschwörungstheoretiker würden kommentieren: “Daher werden sie ja angeschafft”. Und sie würden noch irgendwas von einer “Gruppe Luch” fabulieren, mit Sicherheit würden sie das. Dümmliche Verschörungstheoretiker eben.

Peter Sticherling / 13.02.2019

„Wir können alles schaffen genau wie die toll Dressierten Affen wir müssen nur wollen Wir müssen nur wollen Wir müssen nur wollen Wir müssen nur wollen Wir müssen nur (Müssen nur) Müssen nur Wir müssen nur“ Lieblingslied von Angela Merkel, gesungen von der Band „Die Helden“

Markus Knust / 13.02.2019

“Magie ist Physik durch Wollen”  Dr. Axel Stoll Man kann nur hoffen es war nicht jener, bei dem sie diese Erkenntnis gewonnen hat. Allerdings sind die Planungen der Regierung und ihrer Zuarbeiter nicht weniger abenteuerlich.

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