Für die Weltklimakonferenz in Aserbaidschans Hauptstadt Baku hat die EU große Pläne. Krieg und "ethnische Säuberung" durch die aserbaidschanische Armee in Berg-Karabach und die Vertreibung nahezu aller Armenier sind vergessen.
Aserbaidschan geriet zuletzt in die Schlagzeilen, als es im September 2023 die armenische Region Berg-Karabach „wiedereingliederte“ (achgut berichtete u.a. hier, hier und hier). Doch die „ethnische Säuberung“ Berg-Karabachs ist offenbar längst vergessen. Jedenfalls hält sie die Vertreter von rund 200 Staaten nicht davon ab, vom 11. bis 22. November zur nächsten Weltklimakonferenz (COP29) in Aserbaidschans Hauptstadt Baku zu strömen.
Dort soll u.a. der Ausstieg aus fossilen Energieträgern bekräftigt werden – und das ausgerechnet in einem Land, das seinen Strombedarf zu etwa 94 Prozent aus fossilen Brennstoffen deckt. Dass Aserbaidschan außerdem als einer der korruptesten Staaten der Welt gilt und laut einem kürzlich erschienen Bericht von Human Rights Watch eklatant gegen die Menschenrechte verstößt, spielt anscheinend insbesondere für die EU ebenfalls keine Rolle, bezieht sie doch nicht unerhebliche Mengen an Erdgas aus Aserbaidschan. Im Juni 2024 waren es zum Beispiel rund 72 Millionen Kubikmeter.
Nun hat der EU-Rat für Umwelt, der sich aus den Umweltministern der EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt, in seinen hochoffiziellen Schlussfolgerungen vom 9. Oktober die Positionen der EU für die COP29 veröffentlicht. Unter Punkt 1 von insgesamt 52 Punkten unterstreicht er darin, dass der Klimawandel eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit, die Ökosysteme und die biologische Vielfalt sowie für Frieden und Sicherheit darstelle, die vor keinem Land, keinem Gebiet und keiner Region Halt mache.
Er äußert seine tiefe Besorgnis über die zunehmende Intensität und Häufigkeit extremer Wetterereignisse auf der ganzen Welt, bedauert deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die biologische Vielfalt sowie die Land- und Meeresökosysteme und beklagt den zunehmenden Verlust von Menschenleben. Daher betont er die äußerste Dringlichkeit einer Stärkung der globalen Reaktion auf den Klimanotstand durch ehrgeizige und erheblich verstärkte Maßnahmen aller Länder im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Paris.
Das klingt nicht nur wie ein Glaubensbekenntnis, sondern ist auch eins. Denn die Behauptung, dass Extremwetterereignisse durch den menschengemachten Kimawandel häufiger würden, beruht keineswegs auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Im Gegenteil: Eine 2023 veröffentlichte Studie der italienischen Wissenschaftler Gianluca Alimonti und Luigi Mariani kommt zu dem Schluss, dass die Zahl der Naturkatastrophen rückläufig ist.
Wer jedoch am Klimawandel verdienen will, muss natürlich Panik schüren und das Untergangsszenario der Klimakrise gebetsmühlenartig wiederholen. Genau diese Taktik unterstützt der Rat mit seinen „Schlussfolgerungen“. So hebt er die „Notwendigkeit eines raschen globalen Übergangs zu klimaneutralen, widerstandsfähigen, naturpositiven sowie kreislauforientierten und ressourceneffizienten Volkswirtschaften und Gesellschaft“ hervor, die weltweit für neue Arbeitsplätze und Wachstum sorgen sollen. Dieser „Übergang“ müsse in einem Tempo und in einem Umfang erfolgen, der die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 ºC erreichbar werden lässt.
Ist das Universum etwa eine Scheibe?
Das 1,5 ºC-Ziel wurde beim Pariser Klimaabkommen im Dezember 2015 festgelegt. Außerdem wurde dort die bereits im Rahmen der Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen gegebene Zusage, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung bereitzustellen, bis 2025 fortgeschrieben. Für die Zeit danach soll nun also in Baku ein neues Ziel festgelegt und gleichzeitig der Geberkreis erweitert werden. Dabei darf natürlich auch die Forderung nach dem Umbau der weltweiten Finanzarchitektur nicht fehlen, wie sie kürzlich schon auf dem UN-Zukunftsgipfel in New York erhoben wurde (achgut berichtete). Der Rat hält nämlich multilaterale Entwicklungsbanken und internationale Finanzinstitutionen dazu an, ihre Anstrengungen zur verstärkten Mobilisierung privater Finanzierungen zu verstärken, die notwendige Reform der internationalen Finanzarchitektur zu unterstützen und die Bereitstellung von Klima-Krediten zu erhöhen.
Geschickt bekräftigen die EU-Umweltminister die Forderung, die Kapazität erneuerbarer Energien weltweit zu verdreifachen, die jährliche globale Steigerungsrate der Energieeffizienz bis 2030 zu verdoppeln und die Entwicklung emissionsfreier und emissionsarmer Technologien zu beschleunigen. Mit dieser unspezifischen Formulierung lassen sie offen, ob künftig die von Frankreich favorisierte Atomenergie als „grüne“ Energie gelten kann oder nicht, und umgehen dadurch den Streitpunkt, welche Rolle Kernenergie auf dem Weg zur Dekarbonisierung spielen soll. Außerdem fordert der Rat dazu auf, Subventionen für fossile Brennstoffe, die weder die Energiearmut bekämpfen noch zum gerechten Übergang beitragen, baldmöglichst schrittweise abzuschaffen. Dies müsse mit dem weltweiten Ausstieg aus der Erzeugung und dem Verbrauch fossiler Brennstoffe einhergehen.
Zusätzlich veröffentlichte der Rat noch Schlussfolgerungen zur Finanzierung der Klimapolitik im Hinblick auf die COP 29, die allerdings nur 17 Punkte umfassen. Auch hier beginnt er geradezu mit einer Litanei, indem er „mit Besorgnis Kenntnis nimmt von den Ergebnissen des Weltklimaberichts 2023 der Weltorganisation für Meteorologie, wonach 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen ist, mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 1,45 °C über dem vorindustriellen Ausgangswert und noch nie da gewesenen Höchstwerten bei der Meerestemperatur, dem Anstieg des Meeresspiegels und dem Gletscherschwund“.
Auf der Webseite der Vereinten Nationen ist dazu zu lesen: „Die Weltorganisation für Meteorologie der Vereinten Nationen hat ein düsteres Bild der Auswirkungen des Klimawandels gezeichnet. In ihrem Jahresbericht heißt es, 2023 sei das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen. Die globale Durchschnittstemperatur in Oberflächennähe habe 1,45 Grad Celsius über dem vorindustriellen Ausgangswert gelegen. Die antarktische Meereisausdehnung sei die bei weitem geringste seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen, was besonders besorgniserregend sei. UN-Generalsekretär Guterres sagte in Genf, die Klimaerwärmung bringe den Planeten an den Rand des Abgrunds.“
Der Planet am Rande des Abgrunds? Ist das Universum etwa eine Scheibe? Was von den lediglich modellierten Szenarien der UN-Klimaeinrichtungen wie dem Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz: IPCC) oder eben auch der Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, kurz: WMO) zu halten ist, wurde schon mehrfach auf achgut thematisiert (z.B. hier). Konkrete Temperaturmessungen zeigen dagegen, dass sich nur ein kleiner Teil der Antarktis, der vulkanisch geprägt ist, erwärmt, während sich der größte Teil der Antarktis sogar abkühlt. Insgesamt nehmen das Meereis und das Gletschereis nach diesen Messungen derzeit zu.
Mobilisierung aller Finanzierungsquellen
Um die Abkehr von fossilen Brennstoffen und eine beschleunigte Entwicklung emissionsfreier und emissionsarmer Technologien finanzieren zu können, spricht sich der Rat für eine baldmöglichste Mobilisierung aller Finanzierungsquellen aus: öffentliche und private, nationale und internationale. Dabei setzt die EU vor allem auf die Bepreisung von CO₂ -Emissionen, also auf eine Art Steuer, die fossile Brennstoffe teurer macht. Diese sei auf weitere Wirtschaftszweige ausgeweitet worden, um dortEmissionsreduktionen voranzutreiben. Die EU-Mitgliedstaaten sollen prinzipiell 100 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Handel mit Emissionen für nationale und internationale Ausgaben im Zusammenhang mit dem Klimaschutz aufwenden.
Der Rat bestätigt auch die Entschlossenheit der EU, bis 2025 die von den Industrieländern gemeinsam bereitgestellten Mittel zur Finanzierung von Maßnahmen für die Anpassung der Entwicklungsländer an den Klimawandel gegenüber dem Stand von 2019 zu verdoppeln. Die EU wolle starke Bündnisse mit den Entwicklungsländern eingehen, um die Bemühungen zum Aufbau der entsprechenden Kapazitäten zu unterstützen. Mit anderen Worten: Die Industrieländer sehen die Entwicklungsländer vor allem als lukrativen Markt für ihre Klima-Innovationen an.
Dafür ruft der Rat zu Beiträgen aus ganz unterschiedlichen Finanzierungsquellen auf (einschließlich Zuschüssen und Darlehen zu Vorzugsbedingungen aus öffentlichen, privaten und innovativen Quellen) und begrüßt die Einrichtung des neuen Fonds für den Umgang mit Klimaschäden. Er macht darauf aufmerksam, dass der Privatsektor den größten Teil der erforderlichen Investitionen in eine klimaneutrale, ressourceneffiziente und klimaresiliente Entwicklung aufbringen müsse. In diesem Zusammenhang nennt er Instrumente wie Taxonomien (Klassifizierungssysteme für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten) und Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Konkret begrüßt der Rat, dass das gemeinsame Ziel der Industrieländer, jährlich Finanzmittel in Höhe von mindestens 100 Milliarden US Dollar für die Klimapolitik in den Entwicklungsländer bereitzustellen, erreicht worden sei. Im Jahr 2022 seien sogar bereits 115,9 Milliarden US Dollar mobilisiert worden. Er bekräftigt erneut die Zusage der EU und ihrer Mitgliedstaaten, dieses Ziel bis 2025 kontinuierlich einzuhalten. Den multilateralen Entwicklungsbanken und anderen internationalen Finanzinstitutionen komme eine entscheidende Rolle dabei zu, sowohl Investitionsmöglichkeiten zu erschließen als auch Finanzmittel für Klima und Entwicklung zu mobilisieren, und zwar durch Darlehensvergabe, das Anstoßen privater Finanzierungen und die Förderung der Mobilisierung inländischer Mittel.
Zu guter Letzt fordert der Rat die Europäische Kommission auf, einen Überblick über die von der EU, ihren Mitgliedstaaten und der Europäischen Investitionsbank im Jahr 2023 geleistete internationale Finanzierung von Klimamaßnahmen zur Billigung durch den Rat im Vorfeld der COP29 vorzulegen. Viel Zeit hat die Kommission dafür nicht mehr.
Das Titelfoto zeigt eine traditionell gekleidete armenische Frau um 1909 – 1912
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.