Die Rockefeller-Stiftung will grün werden und die Welt mit einem neuen Ernährungsprogramm beglücken.
Am 24. März 2022 strahlte die Rockefeller-Stiftung (die amerikanische Dynastie stammt von der evangelischen Familie Roggenfeller aus Neuwied im heutigen Rheinland-Pfalz ab) einen Livestream aus, der mit „Advancing Good Food for All“ (zu deutsch etwa: „Gute Ernährung für alle voranbringen“) betitelt ist. Auf der Facebook-Seite der Stiftung wird die Übertragung mit folgenden Worten beworben:
„Die Rockefeller Foundation setzt sich seit langem dafür ein, das Leben und den Planeten zu verbessern und das menschliche Potenzial durch Innovation freizusetzen. Wir haben uns dem Grundsatz verschrieben, dass alle Menschen das Recht auf Gesundheit, Nahrung, Energie und wirtschaftliche Mobilität haben. Heute wird Dr. Rajiv Shah unsere bisher größte Investition in Ernährungssysteme vorstellen, um 40 Millionen Menschen auf der ganzen Welt den Zugang zu „Good Food“ zu ermöglichen – Ernährungssysteme, die nachhaltig und regenerativ sind und auf jeder Stufe der Versorgungskette gerechte wirtschaftliche Möglichkeiten schaffen.“
Diese Ankündigung klang so fantastisch, dass ich mir den Livestream nachträglich angeschaut habe. Er ist in voller Länge auf der Webseite der Stiftung zu sehen. Ich gebe ihn hier kurz zusammengefasst wieder: Roy Steiner, Senior-Vize-Präsident der „Food-Initiative“ der Rockefeller Foundation, begrüßt das virtuelle Publikum mit Zahnpastalächeln und weist darauf hin, dass das derzeitige Ernährungssystem schlecht für uns und für den Planeten sei. Er übergibt das Wort an Dr. Rajiv Shah, den Präsidenten der Stiftung, wobei optimistische Musik erklingt.
Weniger optimistisch sind die einleitenden Feststellungen Shahs: Die Corona-Pandemie habe 240 Millionen Menschen in Armut gestürzt. Insgesamt seien heute 276 Millionen Menschen von Hunger betroffen, von denen 44 Millionen sogar vom Hungertod bedroht seien. Aufgrund des Klimawandels seien die Nahrungsmittelpreise schon jetzt die höchsten innerhalb der vergangenen zehn Jahre ‒ und das sei sogar noch vor der russischen Invasion in die Ukraine der Fall gewesen. Die Welt stehe am Abgrund einer globalen humanitären Krise. Doch noch ist nicht alle Hoffnung verloren, denn Shah führt aus, wie die Rockefeller-Stiftung seit jeher Fortschritt und Innovation unterstützt habe. Bislang habe sie sich allerdings vor allem für die Maximierung landwirtschaftlicher Produktivität eingesetzt. Heute dagegen konzentriere sie sich auf die Qualität der Ernährung.
Es riecht nach weltweiter Planwirtschaft
Shah verkündet stolz, dass die Rockefeller-Stiftung 105 Millionen Dollar investieren werde, um den Zugang zu „Good Food“ zu verbessern. Dazu wird ein Werbefilm eingespielt, der in farbenfrohen Bildern das Ideal von „Good Food“ ausmalt und in grauen Bildern das derzeitige Ernährungssystem beschreibt: Ungesunde Ernährung verursache ein Fünftel der weltweiten Todesfälle; das Ernährungssystem erzeuge bis zu einem Drittel der Treibhausgasemissionen (hier wird ein Kuhstall eingeblendet), und in der Landwirtschaft Beschäftigte würden weltweit zwei Drittel derjenigen ausmachen, die in extremer Armut leben. Die Welt hungere also nach Veränderung.
Deswegen wolle die Rockefeller-Stiftung bis 2030 die Ernährungssituation von 500 Millionen Menschen durch ein gerechtes und regeneratives Ernährungssystem verbessern. Dafür wolle sie in drei Kernbereiche investieren: 1. Daten und Wissenschaft („Data&Science“), 2. Änderungen der politischen Rahmenbedingungen („Policy Changes“) und 3. Vergabe („Procurement“). Diese drei Punkte werden auch auf der Internetseite zur Food-Initiative der Stiftung genannt. Hier heißt es:
„Wir investieren in Daten und Wissenschaft, um die Kosten und den Wert der Lebensmittel, die wir essen, besser zu verstehen. Wir fördern eine transformative Ernährungspolitik, die den gerechten Zugang zu guten Lebensmitteln für Millionen von Menschen verbessert, und wir lenken bestehende Ausgaben auf gute Lebensmittel um.“ Und unter dem Stichwort „Our Geographies“ ist zu lesen: „Unsere derzeitige Arbeit zielt darauf ab, die Ernährungspolitik zu verändern, eine grüne und gerechte Erholung von Covid-19 durch die Stärkung und Ökologisierung der Versorgungsnetze voranzutreiben und große Institutionen bei der Förderung der Gesundheit und dem Wachstum des Marktes für gesunde Lebensmittel zu unterstützen.“
Hehre Ziele. Jedoch drängt sich die Frage auf, warum ein derart weitreichendes Eingreifen in das Weltgeschehen von einer Stiftung ausgehen sollte. Wer hat sie dafür gewählt? Was bedeutet es konkret, wenn die Stiftung politische Rahmenbedingungen ändern und eine transformative Ernährungspolitik vorantreiben will? Was sagen Regierungen dazu, was Landwirte? Würde ein zentralisiertes Vorgehen in diesem Umfang letztlich nicht einer weltweiten Planwirtschaft nahekommen? Daran, dass die Rockefeller Foundation durchaus einflussreich ist, kann jedenfalls kein Zweifel bestehen. Die Stiftung wird etwa auf den Webseiten der WHO, der Impfallianz Gavi, der ID2020-Allianz und des Weltwirtschaftsforums als wichtiger Partner aufgeführt.
Ein Szenario von haarsträubender Aktualität
Erinnert sei auch an das sogenannte Lockstep-Szenario („Lockstep“ = „Gleichschritt“), das die Rockefeller-Stiftung gemeinsam mit dem Global Business Network (GBN) 2010 veröffentlichte, dessen Programm zur Beratung und Vernetzung von deutschen Unternehmen in Ländern Afrikas und Asiens wiederum vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wurde. Dieses Szenario stellt die erste von vier verschiedenen Zukunftsvisionen dar, die von der Stiftung entworfen wurden, und ist aus heutiger Perspektive von geradezu haarsträubender Aktualität. Im Jahr 2010 formulierten die Visionäre der Rockefeller Foundation ihre Vorausschau nämlich folgendermaßen:
„Im Jahr 2012 brach die Pandemie aus, die die Welt jahrelang erwartet hatte. Anders als das 2009 aufgetretene H1N1 war dieser neue ‒ von Wildgänsen stammende ‒ Grippestamm extrem virulent und tödlich. Selbst die am besten auf eine Pandemie vorbereiteten Nationen waren schnell überwältigt, als das Virus sich über die Welt verbreitete, fast 20 Prozent der Weltbevölkerung infizierte und 8 Millionen Menschen in nur sieben Monaten tötete, die meisten von ihnen gesunde junge Erwachsene. Die Pandemie hatte auch tödliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaften: Die internationale Mobilität von Menschen und Waren kam zum Stillstand, was Branchen wie den Tourismus lähmte und globale Versorgungsketten unterbrach. Auch auf lokaler Ebene standen normalerweise belebte Geschäfte und Bürogebäude monatelang leer – ohne Angestellte und Kunden.
Die Pandemie erfasste den ganzen Planeten – auch wenn überproportional viele Menschen in Afrika, Südostasien und Mittelamerika starben, wo sich das Virus wie ein Lauffeuer ausbreitete, da es keine offizielle Eindämmungsmaßnahmen gab. Die anfängliche Politik der Vereinigten Staaten, den Bürgern nachdrücklich vom Fliegen abzuraten, erwies sich in ihrer Milde als tödlich und beschleunigte die Ausbreitung des Virus nicht nur innerhalb der USA, sondern auch über Grenzen hinweg. Einige wenige Länder schnitten jedoch besser ab – insbesondere China. Die chinesische Regierung führte schnell eine obligatorische Quarantäne für alle Bürger und die sofortige nahezu hermetische Abriegelung von Grenzen ein, rettete damit Millionen von Menschenleben, stoppte die Ausbreitung des Virus viel früher als in anderen Ländern und ermöglichte eine schnellere Erholung nach der Pandemie.
Chinas Regierung war nicht die einzige, die extreme Maßnahmen zum Schutz ihrer Bürger vor Risiken und Gefahren ergriff. Staatsoberhäupter auf der ganzen Welt verstärkten ihre Autorität und verhängten strikte Regeln und Beschränkungen: vom obligatorischen Tragen von Gesichtsmasken bis hin zur Kontrolle der Körpertemperatur an den Eingängen von Gemeinschaftsbereichen wie Bahnhöfen und Supermärkten. Selbst nachdem die Pandemie abgeklungen war, blieb diese autoritärere Kontrolle und Überwachung der Bürger und ihrer Aktivitäten bestehen und wurde sogar intensiviert. Um sich vor der Ausweitung zunehmend globaler Probleme ‒ von Pandemien und transnationalem Terrorismus bis hin zu Umweltkrisen und wachsender Armut – zu schützen, nahmen Führer auf der ganzen Welt die Macht stärker in die Hand.
Zunächst fand die Idee einer stärker kontrollierten Welt breite Akzeptanz und Zustimmung. Die Bürger gaben bereitwillig einen Teil ihrer Souveränität ‒ und ihrer Privatsphäre ‒ an paternalistischer agierende Staaten ab im Gegenzug für mehr Sicherheit und Stabilität. Die Bürger waren toleranter gegenüber und sogar erpicht auf Führung und Aufsicht von oben, und die nationalen Führer hatten mehr Spielraum, um die Ordnung so durchzusetzen, wie sie es für richtig hielten. In den Industrieländern nahm diese Aufsicht viele Formen an: biometrische Ausweise für alle Bürger und eine strengere Regulierung von Schlüsselindustrien, deren Stabilität für die nationalen Interessen als lebenswichtig erachtet wurde. In vielen Industrieländern stellte die verstärkte Zusammenarbeit mit einer Reihe neuer Regelungen und Vereinbarungen langsam aber stetig sowohl die Ordnung als auch – und das ist wichtig – das Wirtschaftswachstum wieder her.“
Die Visionäre werden konkret
Auch auf Entwicklungsländer wird im Lockstep-Szenario eingegangen. Beispielsweise wird auf die Verbesserung der Luftqualität in Indien verwiesen, nachdem die Regierung 2016 Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß verboten habe. Und in Ghana habe die Einführung ehrgeiziger Regierungsprogramme zu einem Rückgang der durch Wasser übertragenen Krankheiten geführt. Doch der Schauplatz für technologische Innovation sei weitgehend die entwickelte Welt geblieben. Allerdings habe dort das Bestehen so vieler von oben verordneter Regeln und Normen mit der Zeit die unternehmerische Tätigkeit stark behindert. Auch nationale Eigeninteressen seien problematisch geworden.
Im letzten Absatz des Szenarios wird schließlich der beginnende Widerstand gegen die Top-down-Maßnahmen thematisiert: „Im Jahr 2025 schienen die Menschen genug von der Kontrolle von oben zu haben und von der Tatsache, dass Führer und Behörden Entscheidungen für sie trafen.“ Und das Szenario schließt mit der Feststellung: „Selbst diejenigen, die die größere Stabilität und Vorhersehbarkeit dieser Welt mochten, begannen sich unwohl zu fühlen und eingeengt durch so viele strenge Regeln. Es stellte sich das Gefühl ein, dass früher oder später unweigerlich etwas die schöne Ordnung stören würde, die die Regierungen so hart erarbeitet hatten.“
Das Szenario wird vervollständigt durch aufgelistete Stichpunkte wie etwa zum Themenfeld „Technologien“. Hier werden die Visionäre der Rockefeller-Stiftung besonders konkret und formulieren fünf Unterpunkte:
- „Scanner mit hochentwickelter funktioneller Magnetresonanztomographie-Technologie (fMRI) werden an Flughäfen und anderen öffentlichen Orten zur Norm, um abnormales Verhalten zu erkennen, das auf ‚antisoziale Absichten‘ hinweisen könnte.“
- „Als Nachwirkung der Pandemie werden intelligentere Verpackungen für Lebensmittel und Getränke zunächst von großen Unternehmen und Herstellern in einem Business-to-business-Umfeld angewandt und dann für einzelne Produkte und Verbraucher übernommen.“
- „Es werden neue Diagnosen entwickelt, um übertragbare Krankheiten zu erkennen. Auch die Anwendung von Gesundheits-Screenings ändert sich: Gesundheits-Screenings werden zu einer Voraussetzung für die Entlassung aus einem Krankenhaus oder Gefängnis, wodurch die Ausbreitung vieler Krankheiten verlangsamt wird.“
- „Telepräsenz-Technologien entsprechen der Nachfrage nach kostengünstigeren, weniger aufwendigen Kommunikationssystemen für Bevölkerungsgruppen, deren Reisefreiheit eingeschränkt ist.“
- „Angetrieben von Protektionismus und nationalen Sicherheitsbedenken schaffen die Nationen ihre eigenen unabhängigen, regional definierten IT-Netzwerke, die Chinas Firewalls imitieren. Die Regierungen sind in unterschiedlichem Maße erfolgreich bei der Überwachung des Internetverkehrs, aber diese Bemühungen führen dennoch zu einer Zersplitterung des World Wide Web.“
Vom digitalen Impfpass zum biometrischen Ausweis
Zwar ist die Veröffentlichung der vier „Szenarien für die Zukunft von Technologie und internationaler Entwicklung“ nicht mehr direkt auf der Internetseite der Rockefeller Foundation zu finden, doch in einem Beitrag vom 27. Oktober 2020 wird sie dort verlinkt. Die Echtheit des Dokuments, das hier vollständig abrufbar ist, ist also eindeutig belegt.
Auch wenn einzelne Aspekte im Lockstep-Szenario durchaus differenziert und variabel ausgearbeitet sind und sich längst nicht alle bewahrheitet haben (in der Corona-Realität etwa verstarben vor allem alte, und nicht junge Menschen), verblüfft doch die Übereinstimmung etlicher Vorhersagen mit dem, was wir seit 2020 tatsächlich erlebt haben ‒ besonders die im nahezu weltweiten Gleichschritt durchgeführten autoritären Maßnahmen wie Lockdowns nach chinesischem Vorbild.
Als Erklärung für diese erstaunlich präzisen Vorhersagen gibt die Stiftung in ihrem Beitrag vom 27. Oktober 2020 lediglich an: „Bei der Rockefeller Foundation haben wir immer versucht, einen Schritt voraus zu sein – wir entwerfen Zukunftsvisionen, die zu kühnem Handeln inspirieren, und gehen katalytische Spekulationen ein, die zu langfristigen Veränderungen führen können. Als Institution, die tief in der Wissenschaft und Technologie verwurzelt ist, wissen wir um deren transformative Kraft zur Bewältigung heutiger Herausforderungen – und helfen bei der Planung für solche, die wir uns noch nicht vorstellen können.“
Nicht so unpolitisch wie behauptet
Ganz so unpolitisch, wie sie vorgibt, agiert die Rockefeller Foundation allerdings nicht. So wird sie auch in der von der WHO am 27. August 2021 veröffentlichten „Richtlinie zur Einführung und technischen Spezifikation von digitalen Impfpässen“ namentlich in der Danksagung genannt: Ausgerechnet diejenige Stiftung also, die in ihrem Zukunftsszenario biometrische Ausweise für alle Bürger entworfen hat, unterstützt in der Realität konkret die Einführung von digitalen Impfpässen, auf deren Basis leicht biometrische Ausweise eingeführt werden könnten. Wenn diese Stiftung nun vom Thema Covid zum Thema globale Ernährung umschwenkt und nach eigener Aussage „immer einen Schritt voraus ist“, lohnt es sich, aufmerksam zuzuhören. Das am Ende des Livestreams eingespielte Video, in dem Visionen für das Jahr 2050 zu sehen sind, sollte also ernst genommen werden: Dann gebe es 10 Milliarden Menschen auf der Erde, und dramatische Veränderungen der Nahrungsmittelproduktion und des Konsums seien nötig. Diese dramatischen Veränderungen werden wohl nicht nur fiktiv bleiben.
Auch das Weltwirtschaftsforum (WEF) greift derzeit die Transformation des „Food Systems“ und die Beschleunigung einer „climate-smart agriculture“ in verschiedenen Veröffentlichungen auf wie etwa in einem Mitte März ausgestrahlten Livestream mit dem Titel „Bold Actions Opening Plenary – Food Systems Outlook 2022“ und in einer Broschüre vom 4. April mit dem Titel „Transforming Food Systems with Farmers: A Pathway for the EU“.
Im Livestream der Rockefeller Foundation geht es übrigens zunächst mit kurzen Interviews weiter, die Sara Farley (Geschäftsführende Direktorin der Food-Initiative der Rockefeller-Stiftung) mit Namukolo Covic (Generaldirektorin des International Livestock Research Instituts in Äthiopien), Selena Ahmed (Direktorin der Periodic Table of Food Initiative) und Paula Daniels (Mitbegründerin der Initiative „What’s Next”) führt. Diese durchaus sympathischen Damen bringen folkloristisches Kolorit in den sonst wohl zu offiziell wirkenden Livestream ein, was noch von den bei Sara Farley im Hintergrund zu sehenden farbenfrohen Töpferwaren mit Ethno-Design unterstrichen wird. Alle zeigen ein strahlend weißes Lachen und versprühen Optimismus und Tatkraft.
Wem diese Strahlemänner und -frauen unheimlich sind, der kann sich damit trösten, dass auch sie Fehler machen. Ihr Menschenbild jedenfalls ist offenbar recht eindimensional. Die Entwickler des Lockstep-Szenarios beispielsweise rechnen damit, dass sich erst nach etwa dreizehn Jahren nennenswerter Widerstand der Bevölkerung gegen die freiheitsbeschränkenden Pandemie-Maßnahmen bildet. Dreizehn Jahre? Hier irren sie sich ‒ das lässt sich schon jetzt feststellen ‒ entschieden!