Gunter Weißgerber / 21.10.2016 / 11:50 / Foto: Jim Rees / 3 / Seite ausdrucken

Weiterzappen: Bei Claus Kleber komme ich nur noch bis Kle…

Kennen Sie den Witz über Sudel-Ede (Karl-Eduard von Schnitzler), in dem der Erzähler immer nur bis „Schni…“ kam, wenn dessen Sendung „Schwarzer Kanal“ angesagt wurde?  Weil er dann immer sofort auf den nächsten Sender umstellte. So ähnlich geht es mir inzwischen leider mit Claus Kleber vom ZDF. Ich komme nur noch bis „Kle…“ und zappe sofort weiter. Schnitzler und Kleber eint eigentlich nichts. Schnitzler war ein Ganove in der Diktatur, Kleber ist ein honoriger Mann des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens in der Demokratie. Und dennoch schalte ich ihn ab. Wieso das?

Weil ich bei Schnitzler die perverse Indoktrination zutiefst ablehnte und Herrn Klebers erzieherische Attitüde so brauche, wie einen umgestürzten Eimer Wasser.
 Jüngst leitete Claus Kleber einen Beitrag über die bevorstehende Schlacht um Mossul dergestalt ein, dass nun wieder das Gegenteil von Fluchtursachenbewältigung beginnen wird. Hä? In welchem Film leben wir eigentlich? Soll der IS nicht aus Mossul vertrieben werden? Ist dessen Morden es nicht wert, beendet zu werden?  Oder ist für Herrn Kleber der Kampf gegen den IS gleichbedeutend mit Assads Bombardierung der Zivilbevölkerung, die zur Massenflucht aus Syrien führte?



Nicht nur Herr Kleber, auch das gesamte Feuilleton muss sich fragen, ob die allgemeine Jubel- und Erziehungslyrik inzwischen nicht längst vor den Baum gefahren ist. In einer Demokratie sucht sich das Wahlvolk eigene Lösungen und die sind nicht immer die vom Feuilleton heiß und drängend empfohlenen. 

Es gibt Zeiten, da geht das drängende Empfehlen sogar nach hinten los. In Zeiten etwa, in denen die amtierende Bundeskanzlerin ohne parlamentarische Grundsatzdebatten und entsprechende Entschließungsanträge Millionen Zuwanderer unkontrolliert einlässt und dies mit der These krönt, die EU-Außengrenzen seien ohnehin nicht zu kontrollieren – dabei den Loyalitätspakt mit dem Staatsvolk brechend: „Ich, der Staat, gebe Dir Sicherheit und Du, das Staatsvolk, gibst mir im Gegenzug deine Loyalität!“ 



Wenn es so etwas wie Erosion des Grundvertrauens von Bürgern in ihren Staat gibt, dann war Frau Merkel 2015 an diesem Prozess als Aktivistin katalytisch gut beteiligt.

Der Schriftsteller Jörg Bernig, der seit geraumer Zeit einen Ruf als Romanautor und scharf beobachtender Essayist erwirbt, hielt als wahrer Sohn der Aufklärung am 7. September eine nachdenkliche Rede im Rahmen der Kamenzer Lessingrezeption. Es ist die Rede eines Menschen, der diese Demokratie bewahren will. Es geht ihm um die Bevormundung der Bürger und die Selbstherrlichkeit des Feuilletons. 

Diese Rede (hier in voller Länge) verdient eine breite Öffentlichkeit. Vorab auszugsweise Bernings Fazit:

Die deutsche Gesellschaft ist gespalten, die europäischen Nachbarn haben sich von Deutschland abgewandt. Der politisch mediale Komplex verteidigt die Deutungshoheit mit Intoleranz und Aggressivität. Das ist die Lage.

In Deutschland ist ein Ringen im Gang. Auf der einen Seite stehen die Ingenieure des Gesellschaftsumbaus, die Verdunkler und Verheimlicher, die Sprach und Denkkontrolleure, die Unterminierer von Aufklärung undoffener Gesellschaft. Auf der anderen Seite stehen die Verteidiger der aufklärerischen Vernunft, des eigenständigenDenkens, der Geistesfreiheit, der offenen Gesellschaft, der Gleichwertigkeit der Religionen und der Geschlechter.

Es mag paradox klingen, aber mehr als zweihundert Jahre nach Lessing und Kant geht es um die  Verteidigung der Aufklärung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Vergessen wir es nicht, lassen wir uns nicht einschüchtern und haben wir Mut, selbst zu denken. Denn: ‚Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines  eigenen Verstandes zu bedienen!’"

Der Autor dieses Beitrages, Gunter Weißgerber, ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter der SPD (1990 - 2009) und gehörte in der DDR zu den Leipziger Gründungsmitgliedern der Partei.

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Rüdiger liebold / 23.10.2016

Jörg Bernigs Rede wurde in einer Dresdner Zeitung abgedruckt und fand bei allen, die der staatlichen Indoktrination noch nicht anheim gefallen sind, außerordentlichen großen Zuspruch. Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass unsere Regierung und die mainstreampresse ihr Tun mit moralischen Attitüden verbinden und wer dieser Moral nicht folgt, ist damit ein böser Mensch. Moral wird hier als politisches kampfmittel eingesetzt, indem man sich selbst den Heiligenschein von Moral umhängt. Das schlägt aber ganz schnell in heuchelei um, nämlich dann, wenn die moralisierenden die Kosten für ihre Maßnahmen gar nicht selbst sondern sie alle z.B. dem Steuerzahler übertragen. Das trifft übrigens nicht nur auf den Staat sondern auch auf unsere Kirchen zu. Wenn moralische Werte zur Beurteilung einer Situation herangezogen werden, dann ist das ein Anspruch, der für alle gelten muss. In der migratioskrise werden vom Westen die reichen Golfstaaten überhaupt nicht kritisiert wegen ihres Verhaltens. Sie nehmen nämlich gar kein Flüchtlinge auf. Warum gelten für sie nicht die gleichen moralischen Ansprüche. Dreimal kann der Leser raten, warum das so ist.

Andreas Kollmann / 22.10.2016

Ich lese: “Der Autor dieses Beitrages, Gunter Weißgerber, ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter der SPD (1990 - 2009) und gehörte in der DDR zu den Leipziger Gründungsmitgliedern der Partei.” - Ich frage: Sind Sie (außer einer Handvoll Buschkowskys) der einzige in der SPD, der die Wirklichkeit wahrnimmt? Der sich nicht selbst das (zumindest kulturelle) Grab graben will? Wo sind die anderen - haben sie alle Angst? wovor - wenn nicht vor dem Ergebnis der jetzigen Politik? Wann kommt es zum Aufstand – auch in der SPD? Bitte: Machen Sie Hoffnung!

Andreas Brueckner / 21.10.2016

Danke, insbesondere auch für den Jörg Bernig link.

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