Marcus Ermler / 13.05.2019 / 11:00 / Foto: Pixabay / 22 / Seite ausdrucken

Weimar von Rechts: Todesdrohungen gegen Bremer Linkspartei

In meinem letzten Beitrag hier auf Achgut.com hatte ich ja eine Chronologie der Angriff und Widerstände gegen die Bremer AfD dokumentiert. Wer nun glaubt, allein die AfD sei in Bremen die Zielscheibe von antidemokratischem Verhalten, der täuscht sich gehörig. Auch die Bremer Linkspartei ist, wenn auch nicht im Ausmaß der AfD, die Adressatin von Hass und Menschenverachtung. 

Schusswaffen-Anschläge auf Bremer Linkspartei

In den Jahren 2018 und 2019 war die Linkspartei jeweils Ziel von Anschlägen, die mutmaßlich mit einer Schusswaffe begangen wurden. So gab es zunächst im Februar 2018 ein Attentat auf das Parteibüro in der Bremer Neustadt. Die Bremer Polizei schrieb damals dazu: 

Gestern erhielt die Polizei Bremen Kenntnis von einer Sachbeschädigung. In der Fensterfront des Parteibüros im Buntentorsteinweg wurden zwei Löcher festgestellt. Wann und wodurch diese entstanden sind, müssen jetzt die weiteren Ermittlungen zeigen“. 

Die Bremer Linkspartei hatte seinerzeit eine weitergehende Vermutung, die den Einsatz einer Schusswaffe in Erwägung zog, die Fotos legen dies zumindest nahe: 

Auf das Büro in der Bremer Neustadt wurde offenbar geschossen. Die örtliche Polizei bestätigte die Vermutung, dass es sich um Einschusslöcher handele. Der Staatsschutz ermittelt.“

Im März 2019 war dann das Abgeordnetenbüro des LINKE-Bürgerschaftsabgeordneten Cindi Tuncel Ziel eines Anschlags. Die taz berichtete seinerzeit:

Ein Beiratsmitglied und ein Kreisvorstand, die sich im Büro aufhielten, hätten um Viertel vor neun ein Geräusch gehört, berichtet Tuncel: ‚Sie schauten nach und entdeckten ein Loch in der Scheibe der Fensterfront.‘ Dies sei ‚glatt und nicht groß, weswegen es eher nach einer Kugel als nach einem Stein aussieht‘ […] [Tuncel]: ‚Es sieht so aus, als hätte jemand versucht, gezielt jemanden durch die Scheibe zu treffen.‘"

Erdogan-Anhänger drohen jesidischem Linkspartei-Politiker

Wie im vorangegangenen Fall hatte auch hier der Staatsschutz der Polizei die Ermittlungen aufgenommen, „weil eine politische Motivation nicht ausgeschlossen werden könne“. Für das Jahr 2018 verliefen die Ermittlungen ins Leere. Der Polizeisprecher dazu: „Es konnten keine Täter ermittelt werden.“

Cindi Tuncel, dessen jesidische Familie 1985 aus der Türkei floh, ist wiederholt das Ziel von fanatisierten Erdogan-Anhänger und Islamisten geworden, da er sich in seiner parlamentarischen Arbeit unter Anderem kritisch mit Erdogans Bremer Vasallen und dem Islamischen Staatauseinandersetzt. Die taz schreibt dazu:

Er [Cindi Tuncel] selbst bekomme täglich Drohanrufe. Im Hintergrund laufe dann oft militärische Musik, die Anrufer beschimpften ihn auf Türkisch und Deutsch, ohne jedoch konkrete und justiziable Drohungen auszusprechen“

Trotzkist Sebastian Rave erhält Todesdrohung

Wie die Kreiszeitung berichtet, wird seit Freitag, dem 10. Mai 2019, der Linkspartei-Politiker und Trotzkist Sebastian Rave mit dem Tode bedroht. Rave ist Organisator des Bremer „Bündnis gegen Rechtspopulismus und Rassismus“, das am 25. Mai 2019 eine Demonstration gegen Rechts abhält. Die Bremer Polizei schreibt dazu (Pressemitteilung vom 10.05.2019): 

Ein 37 Jahre alter politisch engagierter Bremer hat in der Nacht zu Freitag eine Drohmail erhalten. Der Staatsschutz der Polizei Bremen hat die Ermittlungen aufgenommen. Der Bremer erstattete am Freitag bei der Polizei Strafanzeige wegen Bedrohung. Ein anonymer Absender hatte ihn zuvor in einer E-Mail mit dem Tode bedroht. Der Staatsschutz der Polizei Bremen steht in Kontakt mit dem 37-Jährigen und prüft einen politisch motivierten Hintergrund. Die weiteren Ermittlungen dauern an.“

Die E-Mail, die Sebastian Rave dazu ins Netz gestellt hat, klingt nach bekanntem neonazistischen Szenesprech, den man nicht leichtfertig als „ungefährlich“ abqualifizieren sollte:

Betreff: du bist so gut wie tot

dreckige zecke 

wir werden dich aufschlitzen

der 25.5. wird dein todestag!“

Denn wenn eines zwar nicht für Bremen, dann aber doch für dessen Exklave Bremerhaven gilt: Hier gibt es einen harten Kern von Neonazis. Da bei Bremer Bürgerschaftswahlen für das Bremerhavener Stadtgebiet eine gesonderte 5%-Hürde gilt, gelang die rechtsextreme DVU in den Jahren 1987, 1999, 2003 und 2007 einzig durch deren Überwindung in Bremerhaven in die Bürgerschaft. Aktuell versucht die neonazistische Kleinpartei „Die Rechte“ hieran in Bremerhaven anzuschließen und tritt auch nur dort zur Bürgerschaftswahl 2019 an.

Raves Demonstrationsaufruf triggert Neonazis

Die Bremen Linkspartei twittert dazu: 

Drohungen von Nazis gegen unsere Mitglieder werden uns nicht unterkriegen. Deshalb am 25. Mai zur Demo gegen Rechts und am 26. die AfD unter 5% halten #nazisraus“

Der Demonstrationsaufruf, der zu der Todesdrohung führte, enthält folgende Passage, die die Bremer Rechte beziehungsweise deren Nazis definiert: 

Wir rufen dazu auf, sich an unserer Kampagne gegen AfD, BIW und Neonazis zu beteiligen. Am 25. Mai, einen Tag vor den Wahlen, möchten wir ein Zeichen setzen – mit einer breiten und vielfältigen Demonstration: Gegen Rassismus und Rechtspopulismus – in der Bürgerschaft und überall!“

Allein dieser Aufruf scheint bereits neonazistische Kreise in Bremen beziehungsweise Bremerhaven dermaßen zu triggern, dass sie ihre vollständige Demokratieunfähigkeit in einer Eruption von Hass und Menschenverachtung freien Lauf lassen. Wenn die Verfasser dieser Drohmail meinen, Raves trotzkistischem Gebaren mit Todesdrohungen begegnen zu müssen, sagt das doch nur eines über sie aus. Dass nämlich ihre Weltanschauung totalitär ist. Kurzum: Die Schreiber dieser Drohmail sind Faschisten. Und so sollte man sie auch nennen.

Foto: Pixabay

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Christoph Müller / 13.05.2019

Wer auch immer Gewalt in der Politik anwendet, androht oder auch nur gutheißt, betreibt die Auflösung unserer Demokratie! Demokraten jeder Couleur müssen gegen solche Tendenzen zusammenstehen, was auch immer sie sonst in der Politik trennen mag. Ich bin entsetzt über Gewalt, der die AfD zurzeit ausgesetzt ist, verlange aber auch die entschiedene Ablehnung der Gewalt gegen andere Gruppierungen von Seiten der AfD-Anhänger und auch die entsprechende Bereitschaft zu handeln, soweit das möglich ist.

Robert Jankowski / 13.05.2019

Toleranz, aber eben nur meine Toleranz. Andere Arten von Toleranz toleriere ich nicht! Spannend finde ich, dass auf einen linken Jessiden geschossen wird, aber anstatt da zu einer Demo gegen die ISlamisten aufzurufen, passiert Nichts. Ich komme nicht umhin, an “den Splitter im Auge desAnderen und den Balken im eigenen” zu denken. Kompletter Wahnsinn, was sich hier mittlerweile abspielt.

R. Lichti / 13.05.2019

Noch den einschlägigen Handlungsleitfäden gehören durchaus auch “False-Flag-Aktionen” zum Repertoire des totalitären Milieus. Man denke an den Reichstagsbrand oder an den Reichssender Gleiwitz (N-Sozialisten) oder an die Stasi-Richtlinie 1/76 mit detaillierten Handlungsanweisungen. Warum sollten die aktuellen Sozialisten nicht weiter auf bewährte Mittel setzen, damit der demokratische Gegner nicht den ganzen Mitleidsbonus abbekommt und die öffentliche Entrüstung nur ihm allein nutzt? Einerseits ist im “nicht-rechten” Lager jedes Mittel zur Bekämpfung des Gegners recht, anderreseits muss natürlich verhindert werden, dass die linke Gewalt (“linke Gewalt gibt es nicht!”) “den Falschen nützt!” oder die Bürger beunruhigen könnte.

Oliver Hoch / 13.05.2019

Faschisten sind Linke. Rechtsradikale Spinner habe ich hier “in Dunkeldeutschland” zwar auch schon erlebt, das ist aber zwanzig Jahre her. Nur Linke haben heutzutage die Unterstützung aus Kreisen der Regierung und Verwaltung, welche ihnen erlaubt, gegen Menschen mit anderen Ansichten gewalttätig vorzugehen. Gäbe es “rechte” Gewalttäter, dann wären diese längst eingesperrt. Wer heutzutage Terror verbreitet ist Islamist, links, oder beides. Vermutlich beides.

Klaus Reichert / 13.05.2019

Wenn die Linke (und andere Parteien und gesellschaftliche Gruppen) die AfD nicht mit Rechtsradikalen in einen Topf werfen würde, wenn der “Kampf gegen Rechts” sich wirklich gegen Neonazis richtete, dann könnten alle demokratischen Parteien gemeinsam gegen Gewalt aufrufen, auch wenn die Linke an der Demokratiefähigkeit von Teilen der AfD ihre Zweifel hätte und die AfD umgekehrt genauso an Teilen der Linken und beide wohl auch damit recht hätten. Sie würden damit den Extremisten ihrer jeweiligen politischen Richtung klar aufzeigen, dass sie nicht hinter ihnen stehen. “Nicht im unserem Namen” sozusagen. Leider ist dem aber nicht so. Denn der Kampf gegen Rechts soll ja gerade die AfD diskreditieren. Und natürlich wird Gewalt dabei stillschweigend in Kauf genommen. Das ist das Grundproblem.

Sabine Schönfelder / 13.05.2019

Jeder, absolut jeder, der mit körperlicher und geistiger Einschüchterung und Gewalt seine Meinung durchsetzen will, ist ein dreckiger Faschist, ein eklatanter Feind der Freiheit per se, und der freien Meinungsäußerung im Besonderen, und gehört angemessen bestraft. Das gilt im politischen, im religiösen, im gesellschaftlichen und privaten Bereich. Solches Vorgehen duldet keine Nachsicht, duldet keine Einseitigkeit. Es gilt gleiches Strafmaß und Strafverfolgung für jeden Täter, ohne Ansehen der Person, der Ideologie, der Religion, denn jeder der Parteilichkeit für einen Täter in der Bewertung der Straftat durchblicken läßt, macht sich zum verlängerten Arm des Gewalttäters. So einfach ist das. Übrigens, Ihre Beschreibungen über Bremen und Bremerhaven hören sich an wie Nachrichten aus einem Bürgerkriegsgebiet. Das ist das vorhersehbare Ergebnis einer nachlässigen, inkonsequenten, linken Politik, die sich irrtümlich tolerant nennt.  

Michael Markwardt / 13.05.2019

Gibt es einen logischen Grund, * weshalb die erste taten bzw. anschläge “mutmaßlich[!] mit einer Schusswaffe begangen wurden”, obwohl die polizei bestätigte, dass es sich um einschusslöcher handelt (also zwangsläufig eine schußwaffe verwendet werden musste). * Und weshalb bei der zweiten tat, bzw der todesdrohung, die vermutung, dass es sich um neonazis als täter handelt, als faktum verkauft wird, obwohl der autor schreibt, dass “Der Staatsschutz der Polizei Bremen ... einen politisch motivierten Hintergrund [prüft].” und “Die weiteren Ermittlungen [noch] [an]dauern.“. Hier ist irgendetwas mit der argumentationslogik schief gegangen. Oder der autor ist seinem eigenen politkorrekten bias aufgesessen…  

Walter Knoch / 13.05.2019

Es tut mir leid. Wenn ich lese “von rechts”, wo “Rechtsextremismus” stehen müsste, dann reagiere ich allergisch. Was sie da aus Bremen, respektive aus Bremerhaven berichten, ist eine Sache für den Staatsanwalt. Es ist aber in keiner Weise politisch relevant. Bis hin zu den Weimarer Verhältnissen ist noch ein himmelweiter, langer Weg. Zumindest was die Gewalt aus der rechtsextremistischen Ecke betrifft. Einschüchterung und Gewalt aus anderen Ecken haben da schon ein anderes Kaliber.

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