Volker Seitz / 11.12.2024 / 10:00 / Foto: K.I / 42 / Seite ausdrucken

Weihnachts-Spenden für Afrika? Bitte nur für Sinnvolles!

Weihnachtszeit ist Spendenzeit, und gern wird auch um milde Gaben für die Armen in Afrika geworben. Viele Projekte sind aber, wie bei der Entwicklungshilfe, nicht geeignet, die Armut zu beseitigen. Einige aber schon. Wem kann man nun spenden? 

Warum lebt auf dem afrikanischen Kontinent noch immer ein Drittel der Menschen in extremer Armut, mehr als irgendwo sonst, obwohl in den vergangenen 50 Jahren milliardenschwere Hilfsprogramme aus dem  Norden dorthin geflossen sind? Trotz enormer Hilfen stehen viele afrikanische Staaten heute immer noch am Abgrund. Die Hilfe subventioniert schlechte Politik: Misswirtschaft, Korruption, Chaos und Hoffnungslosigkeit sind Ergebnisse misslungener klassischer Entwicklungshilfe. Die immer noch armen Staaten zeigen, dass Geld allein kein Wundermittel ist und sogar Schaden anrichten kann. Und dass Entwicklungsarbeit nur funktioniert, wenn die Helfer mit den Menschen vor Ort sprechen und sie und nicht nur die Regierungen einbeziehen.

Große Geldmengen führen häufig zu Strukturen, die sehr anfällig für Korruption sind. Gelder kommen oft nicht da an, wo sie hin sollen. Die Millionenbeträge führen zu weiteren Abhängigkeiten, da sie landeseigene Entwicklungen unterbinden. Die Programme haben die Afrikaner in Abhängigkeit gebracht und jede Eigeninitiative erstickt. Bei uns wird das Bild gepflegt: Afrika ist arm, hilflos und dringend auf die Unterstützung der Gönner aus dem Westen angewiesen. Woher kommt die Überzeugung, dass die Afrikaner es nicht alleine schaffen können? Aber wenn die „Wohltäter“ längst weg sind, ist die Armut geblieben.

Schon William Easterly hat in seinem Buch „Wir retten die Welt zu Tode“ geschrieben: „Sobald der Westen bereit ist, dem Einzelnen zu helfen anstelle den Regierungen, werden sich manche der Knoten, die die Entwicklungshilfe jetzt lahmlegen, auflösen.“ Die internationalen „Wohltäter“ drängen sich vor und verhindern, dass Regierungen ihren Pflichten nachkommen. Die ewige Hilfe wird als Broterwerb gebraucht. Nur wenige Journalisten sind daran interessiert, dem Weg des Geldes zu folgen. 

Spott über das Sendungsbewusstsein

Auch Wirtschaftsnobelpreisträger Angus Deaton schrieb: "Dass die gegenwärtige Entwicklungshilfe nicht geeignet ist, die Armut in der Welt zu beseitigen, liegt unter anderem daran, dass sie es kaum einmal versucht. In den meisten Fällen orientiert sich die Hilfe weniger an den Bedürfnissen der Empfänger als an den innenpolitischen und internationalen Interessen des Geberlandes.“ James Shikwati, kenianischer Ökonom, schreibt über Hungersnöte: „Es ist wirklich traurig. Wir haben die ständigen Spendenaktionen, anstatt dass die Regierung ihrer Verantwortung nachkommt und z.B. die Landwirtschaft rationalisiert oder ihr Verteilungssystem.“ Kritische Afrikaner spotten über das Sendungsbewusstsein und den Moralismus unserer Politiker und nehmen uns längst nicht mehr ernst.

Dass Handel statt Hilfe ein besserer Weg ist, um Afrika nach vorne zu bringen, hat China längst vorgemacht. Ich habe darüber schon oft geschrieben.

Kleine Summen, die Eigeninitiative fordern und fördern, sind sinnvoller.

Gerade wird wieder die Spendentrommel gerührt. Meine Anregung: Lassen Sie sich nicht unter Spenden-Druck setzen. Vorwurfsvolle Bilder sollen an unser schlechtes Gewissen appellieren. Dass die Organisationen damit den Armen nicht gerecht werden und sie zu handlungsunfähigen Bittstellern degradieren, wissen die Hilfswerke. Mitleid erregenden Fotos – oft mithilfe professioneller Werbeagenturen – werden meist von unseriösen Unternehmen genutzt. Geben Sie Ihr Geld nur Organisationen, die transparent und umfassend über Strategie, Aktivität und Wirkung informieren. Hier einige seit Jahren erfolgreiche kleine Organisationen, die Bildung und Gesundheit fördern, wo das sehr strapazierte Schlagwort „Hilfe zur Selbsthilfe“ wirklich angebracht ist. Dort wird die geistige Bequemlichkeit durchbrochen und geprüft, welche Ansätze tatsächlich funktionieren, was sich bewährt hat. 

Gesundes Afrika e.V. (früher AMREF), Berlin

Rain Workers (früher Aktion Regen), Wien

Aqua pura, Wolfhausen/Schweiz

Pro-Interplast, Seligenstadt 

EinDollarBrille, Erlangen 

Schulbank e.V., Havixbeck 

Bildungswerk-Westafrika, Bedburg

 

Volker Seitz, ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage). 

Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik.

Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.

Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.

Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet.

 „Afrika wird armregiert, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage). 

Foto: K.I

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gerhard giesemann / 11.12.2024

Mit “Dead Aid” hat Dambisa Moyo ein provokatives Plädoyer gegen Entwicklungshilfe und für Afrika geschrieben. Knapp, faktenreich und zwingend legt sie ihre ... . Das genügt. Afrika ist ein armer Kontinent. Ein Kontinent voller Hunger, blutiger Konflikte, gescheiterter Staaten, voller Korruption und Elend. Um zu helfen, adoptieren Prominente afrikanische Halbwaisen und flanieren durch Flüchtlingslager, laden die Gutmenschen unter den Popstars zu Benefiz-Konzerten, und westliche Staaten haben in den letzten 50 Jahren eine Billion Dollar an afrikanische Regierungen gezahlt. Aber trotz Jahrzehnten von billigen Darlehen, nicht rückzahlbaren Krediten, Schuldenerlassen, bilateraler und multilateraler Hilfe steht Afrika schlimmer da als je zuvor. Mit Dead Aid hat Dambisa Moyo ein provokatives Plädoyer gegen Entwicklungshilfe und für Afrika geschrieben. Knapp, faktenreich und zwingend legt sie ihre Argumente dar. Entwicklungshilfe, im Sinne von Geld-Transfers zwischen Regierungen, macht abhängig. Sie zementiert die bestehenden Gegebenheiten, fördert Korruption und finanziert sogar Kriege. Sie zerstört jeden Anreiz, gut zu wirtschaften und die Volkswirtschaft anzukurbeln. Entwicklungshilfe zu beziehen ist einfacher, als ein Land zu sanieren. Im Gegensatz zu Bono und Bob Geldoff weiß Moyo, wovon sie spricht. Die in Sambia 1970 geborene und aufgewachsene Harvard-Ökonomin arbeitete jahrelang für die Weltbank. In Dead Aid erklärt sie nicht nur, was die negativen Folgen von Entwicklungshilfe sind und warum China für Afrika eine Lösung und nicht Teil des Problems ist; sie entwirft zudem einen Weg, wie sich Afrika aus eigener Kraft und selbstbestimmt entwickeln kann. In den USA und Großbritannien löste Dead Aid eine hitzige Debatte aus. Es stand mehrere Wochen auf der New York Times Bestsellerliste und wurde vom Sunday Herald zum Buch des Jahres gewählt. Das Time Magazine wählte Dambisa Moyo 2009 zu einer der 100 wichtigsten Persönlichkeiten der Welt.

W. Renner / 11.12.2024

Wem kann man Lebensmittel spenden? Ich habe noch Restbestände von Lumumba in der Hausbar und ein paar Kartons Mohrenköpfe im Vorratsschrank. Das würde mir Food Shaming ersparen und auch gegen Food Waste beitragen.

Tobias Schlüter / 11.12.2024

Sehr geehrter Herr Seitz, besten Dank für Ihre Antwort auf meinen Kommentar. Ich vertraue Ihrem Wort, dass die genannten Organisationen in der Tat im Sinne der Bedürftigen arbeiten. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Christoffel-Blindenmission? Diese ist auch, aber nicht nur, in Afrika tätig. Ich habe diese während des Studiums über einen dort engagierten Prof.  kennengelernt, die Arbeit der CBM aber schon seit Jahren nicht mehr verfolgt. Beste Grüße Tobias Schlüter

finn waidjuk / 11.12.2024

@T. Schneegaß: “Wie sozial ist ein Land, das seinen alten Menschen für ihren Lebensabend in Pflegeheimen ihr Erspartes wegnimmt, dafür aber 717.000 Ukrainern, 518.000 Syrer und 200.000 Afghanen Milliarden Euro für leistungsloses Bürgergeld auszahlt”? (Gerhard Papke, Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft am 7. Dezember auf X)

W. Renner / 11.12.2024

Da sind wir doch froh, dass Europa nicht arm regiert wird …

Thomas Hechinger / 11.12.2024

Es ist schon einige Zeit her, daß ich regelmäßig für die „Dritte Welt“ gespendet habe. Es wuchs in mir die Überzeugung, daß der westliche Paternalismus letztlich die Leute vor Ort entmündigt und demütigt, indem er sie zu unselbständigen Bittstellern macht. Es ist eine Form von positivem Rassismus, die dahintersteckt. Ich sage es mal mit Absicht provozierend: „Die Neger sind zu dumm, für sich selbst zu sorgen, sie brauchen unsere Anleitung.“ Und diese Haltung wollte ich nicht länger unterstützen. So gibt es von mir keine Spenden für Afrika mehr. Es gibt nur eine Ausnahme: Akute Nothilfe bei Umweltkatastrophen oder Hungersnöten. Diese akute Nothilfe geht aber nicht nur an afrikanische Länder, sondern an alle Länder, die so arm sind, daß sie bei einer Naturkatastrophe ihrer Bevölkerung nicht helfen können. Aber selbst da gibt es eine Ausnahme von der Ausnahme. Niemals würde ich für Haiti spenden, auch nicht bei grausamsten Fernsehbildern. Diesem Land kann man nicht helfen. Jede westliche Einflußnahme hat es hinterher schlimmer gemacht, als es zuvor war. Jede Hoffnung auf eine neue Politik, wenn wieder einmal ein krimineller und korrupter Machthaber davongejagt worden war, zerstob, die neuen Herrscher waren auch nicht besser als ihre Vorgänger. Ein geschundenes Land wie Haiti kann nur durch sich selbst gesunden oder gar nicht. In unserem westlichen Denken ist es eine schier unerträgliche Vorstellung zu sagen: hier kann man nichts tun, aber es gibt Situationen, da kann man nur noch die Waffen strecken.

Volker Seitz / 11.12.2024

@Ilona Grimm Das Buch von David Signer ist großartig. Ich kann es auch jedem empfehlen der sich ernsthaft mit Afrika beschäftigen möchte. Leider ist es nur noch als E Book erhältlich.  David Signer war viele Jahre NZZ Korrespondent mit Sitz in Dakar. Heute schreibt er für die NZZ aus den USA. Mit diversen Arten von Hexerei habe ich mich - nach der Lektüre des Buches - auch beschäftigt. Meine Artikel sollten sich im Internet bei der Achse oder bei Tichy finden lassen.

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