Vor zwei Jahren, im Sommer 2018, brachte die Jugendgruppe von Amnesty International Augsburg eine Petition auf den Weg, in der sie eine Umbenennung des Hotels „Drei Mohren“ forderte. Der Name der Luxus-Herberge in der Augsburger Maximilianstraße wäre „rassistisch“ und eine Beleidigung für „People of Colour“, also Menschen nichtweißer Hautfarbe. Als historisch unbelastete Alternative schlugen die jungen AI-Aktivisten den Namen „Drei Möhren“ vor.
Das war auch ein Grund, warum kaum jemand den Vorschlag ernst nahm. Drei Möhren! Wie witzig ist das denn? Noch witziger wäre es nur gewesen, die 1521 von Jakob Fugger, dem Reichen, als Siedlung für bedürftige Augsburger Bürger erbaute „Fuggerei“ umzubenennen, politisch korrekt in „Wohn- und Begegnungszentrum für sozialschwache Seniorinnen und Senioren“.
Wie die Fuggerei ist auch das „Drei Mohren“ tief in der Augsburger Geschichte verwurzelt. Der Name geht auf drei (ursprünglich vier) Mönche aus Abessinien zurück, die im Jahre 1495 nach Augsburg kamen und Obdach in einem Gasthof fanden, der einem Augsburger Wirt namens Konrad Minner gehörte. Der wiederum war so stolz auf seine Gäste aus dem fernen Afrika, dass er die „drei Mohren“, nachdem sie wieder abgereist waren, auf einer Tafel verewigte. Das heutige „Drei Mohren“ steht auf dem Gelände eines Gasthofs gleichen Namens, der 1723 erbaut wurde, also vor gut 300 Jahren.
Spätestens Ende dieses Jahres werden die „Drei Mohren“ nur noch Geschichte sein. Nein, das Haus wird nicht abgerissen, nur der Name verschwindet. Fortan wird es „Maximilian’s Hotel“ heißen, mit einem falschen, aber politisch korrekten „Deppen-Apostroph“. Die Geschäftsführung des Hauses hat dem Druck der Straße nachgegeben.
Eine dialektische Meisterleistung aus dem Neusprech-Labor
„Wir haben entschieden, dass wir mit einem neuen Namen dem gesellschaftlichen Wandel Genüge tun“, sagte der Geschäftsführer, Theodor Gandenheimer, der „Augsburger Allgemeinen“. Mit der Bewegung „Black Lives Matter“ habe eine Veränderung in der Gesellschaft eingesetzt, die man nicht ignorieren könne. „Wir wollen unser Haus für die Zukunft erfolgreich aufstellen.“ Man sei ein „internationales Haus“ mit Mitarbeitern aus 22 Nationen. Der Name habe nicht nur unter den Mitarbeitern, sondern auch unter Gästen aus den USA „immer wieder Debatten ausgelöst“. Als Beispiel nannte der Hoteldirektor die afroamerikanische Sängerin Sadonie Smith, die das Hotel „entsetzt“ verließ, „nachdem sie das Logo des Hauses gesehen hatte: drei stilisierte Köpfe schwarzer Männer…“
Auch der „kamerunische Philosoph, Historiker und weltweit gefragte Vordenker des Postkolonialismus, Achille Mbembe“, sei über die drei Köpfe im Logo des Hotels „entsetzt“ gewesen, berichtete ein Uni-Mitarbeiter, ohne zu sagen, ob der weltweit gefragte Vordenker es nach einem Ortstermin oder vom Hörensagen war.
Die Namensänderung sei „überfällig“ gewesen, gab eine Ethnologin der Uni Augsburg zu Protokoll, „der Schritt hätte früher erfolgen sollen, aber besser jetzt als nie“. Dabei betonte sie, „dass die Geschichte des Hotels bleibe, sie werde mit dem neuen Namen nicht ausgelöscht“, eine dialektische Meisterleistung aus dem Neusprech-Labor des akademischen Postkolonialismus.
Keine Posse, die in der Augsburger Puppenkiste gespielt wird
Die junge Garde von Amnesty International Augsburg, die sich eigentlich um politische Gefangene im Iran, in China, in der Türkei und anderen Hochburgen der Menschenrechte kümmern sollte, feierte den Beschluss, die „Drei Mohren“ umzubenennen, als einen „Erfolg jahrelanger antirassistischer Arbeit“ ihrer Gruppe. Es sei doch erfreulich, dass die Diskussion, die die Jugendgruppe angestoßen habe, „am Ende doch Wirkung gezeigt hat“.
Und damit liegen die jungen Leute von AI nicht einmal falsch. Die Auseinandersetzung um die „Drei Mohren“ ist keine Posse, die in der Augsburger Puppenkiste gespielt wird, es ist bitterböser Ernst. Die Putzerkolonnen der Antifa machen den Weg frei für einen moralisch begründeten Totalitarismus der Guten. Jeder Etappensieg heizt den Kampfgeist weiter an.
Es gebe in der Augsburger Altstadt, sagt ein „Geschichtsdidaktiker“ an der Uni Augsburg, weitere Beispiele für „problematische koloniale Spuren“, zum Beispiel „ein Geschäft, das durch seinen Namen ‚Kolonial‘ ebenfalls die Kolonialgeschichte verharmlost“. Es handelt sich um einen kleinen Laden, der tatsächlich „Kolonial – Feinkost & Buch“ heißt und neben Büchern auch Tee, Kaffee, Gewürze, feine Speiseöle und ausgesuchte Weine anbietet, Kolonialwaren eben.
Wäre ich der Besitzer, würde ich allmählich anfangen, mir Sorgen zu machen.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.