Von Peter L. Pedersen.
Am 24. Januar 2022 verkündete der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, dass per sofort alle Förderungen gemäß „Bundesförderung für effiziente Gebäude BEG“ gestoppt werden. Was sind die wahren Hintergründe?
Am 24. Januar 2022 verkündete der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, dass per sofort alle Förderungen gemäß „Bundesförderung für effiziente Gebäude BEG“ gestoppt werden. Ziel dieses Gesetzes war es grundsätzlich, dauerhaft Energie einzusparen und das Klima zu schützen. Worum ging es da tatsächlich und wo liegen die wahren Hintergründe? Zum Verständnis benötigen wir vorab einen kurzen fachlichen Abriss:
Die BEG für Wohngebäude und Nichtwohngebäude trat im Juni bzw. Juli 2020 in Kraft und wurde bei der KfW-Bank als Nachfolger der bisherigen KfW-Effizienzhaus-Programme aufgehängt. Die ehemaligen Effizienzhauskategorien, die bislang mit dem Kürzel „KfW“ bezeichnet wurden, sind seitdem in „EH“ für Effizienzhaus umbenannt worden – also zum Beispiel EH-55 oder EH-40. Damit werden Effizienzhäuser bezeichnet, die gegenüber einem Vergleichshaus eine klar definierte Energieersparnis bieten sollen. Ein EH-55-Haus soll somit gegenüber einem EH-100-Haus mindestens 45 Prozent Energie einsparen. Entscheidend sind dabei der sogenannte Primärenergieverbrauch sowie die CO2-Emission.
Neben der förderspezifischen Seite wird die energetische Grundausrichtung im Gebäudeenergiegesetz GEG geregelt, welches im November 2020 die Energieeinsparverordnung EnEV ablöste.
Während Neubauten baurechtlich heute nach wie vor als EH-100-Standard genehmigt werden können, bieten insbesondere die KfW-Förderprogramme 261/262 für die Effizienzhausstandards EH-55, EH-40 und EH-40plus einerseits zinsvergünstigte Hypothekendarlehen sowie einen nicht rückzahlbaren Tilgungszuschuss.
Nun hatte bereits die vorherige Bundesregierung just fünf Tage vor der Bundestagswahl am 21. September 2021 die Förderung des EH-55 mit Wirkung zum 31. Januar 2022 aufgekündigt. Bezeichnenderweise hat dann die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Scholz in ihrem Koalitionsvertrag auch noch einmal festgehalten, dass sie die EH-55-Förderung nur noch bis Ende Januar 2022 aufrechterhalten will. Im Klartext also: Sie haben etwas beschlossen umzusetzen, was bereits umgesetzt worden war. So einfach kann man Koalitionsvereinbarungen durch Nichtstun in der Öffentlichkeit als Erfolg anpreisen.
Argumentation hatte mit der Realität herzlich wenig zu tun
Bereits die letzte Bundesregierung begründete die Entscheidung des Förderstopps damit, dass angeblich ein Großteil aller Wohngebäude auf EH-55-Standard gebaut werden würde, so dass sich eine Förderung erübrigen könne. Doch auch diese Argumentation hatte schon mit der Realität herzlich wenig zu tun.
Tatsächlich wurde seitens der Bauherren nicht aus umwelttechnischer Entscheidung der EH-55-Standard präferiert, sondern weil die Mehrkosten zur Erlangung des EH-55 gegenüber EH-100 geringer als die Fördersummen waren. Es lohnte sich also, EH-55-Förderung zu beantragen, weil man mehr Fördergeld bekam, als die Mehrkosten ausmachten, was bei der nächsten Kategorie EH-40 schon nicht mehr der Fall war.
Bei der Sanierung sah das anders aus. Da lohnte sich die EH-40plus-Förderung, insbesondere bei Mehrfamilienhäusern, wenn zugleich das Gebäude in mehrere kleinere Wohneinheiten aufgeteilt wurde. Die Förderung erfolgte nämlich für jede Wohneinheit, so dass auf diese Weise eine wundersame Geldvermehrung stattfinden konnte. Davon war allerdings in der Förderabsage keine Rede gewesen, und auch der neue Minister Habeck hat diese Chance verpasst, gegenüber der Vorgänger-Regierung so richtig die Keule zu schwingen, weil er es offensichtlich selbst nicht verstanden hat.
Zur weiteren Betrachtung sollten wir damit festhalten, dass sich die Förderung bislang vornehmlich für „gut effiziente“ EH-55-Neubauten und für „hocheffiziente“ EH-40plus-Sanierungen lohnte. Sie lohnte sich also nicht für hocheffiziente Neubauten.
Wie bei allen Fördermaßnahmen üblich, ist auch dieser Fördertopf volumenmäßig begrenzt. Es hätte also eigentlich gar keinen Handlungsbedarf gegeben; wenn der Topf leer ist und der Bund keine zusätzlichen Haushaltsmittel bereitstellt, dann wird eben kein weiterer Antrag bewilligt.
Und trotzdem stoppte Klimaminister Habeck am 24. Januar 2022 abrupt und mit sofortiger Wirkung alle Förderungen für EH-55, EH-40 und EH-40plus sowohl für Neubauten als auch für Sanierungen. Seine Begründung war, dass nach der Verkündung des Förderstopps für EH-55 durch die alte Bundesregierung die KfW von einer Antragsflut mit einem Volumen von bis zu 20 Milliarden € überrollt wurde. Ja, aber wenn die Fördergelder ohnehin begrenzt sind, hätten doch auch 100 Milliarden Euro von „Häuslebauern“ beantragt werden können, und es hätte nichts geändert: Töpfe, die leer sind, bleiben leer!
Unabhängig davon verwechselte Herr Habeck Kreditvolumen mit Fördervolumen, wobei eine Zahl von 20 Milliarden Euro selbstredend dramatischer klingt. Die Tilgungszuschüsse beliefen sich lediglich auf 6 Milliarden Euro.
Als ökologischer Chef-Lobbyist die Grünen beraten
In diesem Zusammenhang ist dann auch die Aussage des Alt-Lobbyisten, ehemaligen Think-Tank-Chefs und heutigen Staatssekretärs Dr. Patrick Graichen zu beurteilen, der damit argumentierte, dass sich der Staat diese Förderungen nicht leisten könne – ja, aber die Bürger sollen es können, wenn selbst der Staat abwinken muss?
Was ist das für eine selten offene Aussage von jemandem, der jahrelang als ökologischer Chef-Lobbyist die Grünen beraten hat und dafür jetzt mit einem Staatssekretärsposten belohnt wurde? Letztendlich deutet er damit eine komplette Bankrotterklärung und Unbezahlbarkeit der gesamten Klimaschutzpolitik an.
Nur, warum hat Habeck das Programm trotzdem gestoppt und das auch noch von einer Sekunde auf die nächste, wenn es tatsächlich keinen vernunftbasierten Grund dafür gegeben hat? Weiß er nicht, worüber er redet? Hat etwa ein leitender Beamter aus dem Wirtschaftsministerium seinen kenntnisbefreiten Dienstherrn einfach einmal auflaufen lassen? Tatsächlich dürfte auch regierungsintern reichlich Porzellan zerschlagen worden sein:
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen unter Leitung der SPD-Frau Klara Geywitz, in dessen Ressort diese Förderung geradezu zwangsläufig massiv einwirkt, hat es offensichtlich ganz kalt erwischt, indem sie gar nicht involviert wurde. Selbst das grün beherrschte Umweltministerium taucht in dieser Diskussion überhaupt nicht auf und scheint komplett abgetaucht zu sein. Der Chef der Ministerriege und Bundeskanzler Scholz scheint von seinem Vize ebenfalls nicht informiert worden zu sein.
Bis zu 30 Prozent Auftragsstornierungen
In der SPD insgesamt gärt es gewaltig, weil die ihrer Wahlklientel für dieses Jahr 400.000 neue Wohnungen inklusive 100.000 Sozialwohnungen versprochen haben, die von jetzt auf gleich vakant geworden sind. Die EU-Kommission, die zusätzlich noch Sanierungen aller Altbauten in der Europäischen Union plant, dürfte gerade auch etwas ratlos sein. Allein in Deutschland würde das mehrere Millionen Gebäude betreffen. In liberalen Kreisen spricht man hinter vorgehaltener Hand bereits von übersteigerter Feldherren-Mentalität. Der Finanzminister Lindner hatte schon im Vorwege festgehalten, dass es keine zusätzlichen zu den bislang veranschlagten Fördergeldern geben wird, weshalb ihm jetzt schnell die Schuld zugeschoben wurde, obwohl man selbst konstatierte, dass es gar nicht bezahlbar sei.
Dabei berichten Branchenvertreter, dass 24.000 Bauherren fördertechnisch auf dem Trockenen sitzen und denen jetzt ein Scheitern ihrer Häusleplanung drohen kann. Dabei geht es dann nicht nur um zinsgünstige Darlehen und nicht rückzahlbare Zuschüsse, sondern auch um reale Mehrkosten. Der Energieberater, der standortbezogen den Wärmeschutznachweis erbringen muss, damit überhaupt eine KfW-Förderung möglich ist, bleibt auf seiner Rechnung von mehreren tausend Euro sitzen, die üblicherweise erst nach Erfolg in Rechnung gestellt werden. Sollte die Planung ohne Förderung dazu führen, dass nunmehr nicht EH-40 sondern nach althergebrachter Manier wieder EH-100 gebaut wird, müssten alle Baupläne überarbeitet werden, der Statiker neue Berechnungen vornehmen und der Architekt die Bauanträge neu erstellen. Handwerksbetriebe, die bereits Materialbestellungen vorgenommen haben, dürften auf massiven Kostenbergen sitzen bleiben. Bauunternehmen beklagen bereits bis zu 30 Prozent Auftragsstornierungen.
Nun gilt es als offenes Geheimnis, dass es in der Grünen Partei eine ideologisch motivierte Aversion gegen jegliche Form von Individualität gibt, die sich auch in einer „Abschottung in 1-Familienhäusern“ äußert. Nach grüner Ideologie sollen die Menschen künftig in vermeintlich energetisch und ökologisch nachhaltigeren Kollektiven – also mehrstöckigen Wohnkomplexen – unterkommen. Erste Maßnahmen in diese Richtung waren schon in Hamburg-Nord erkennbar, wo ein grüner Bezirksamtsleiter ganz einfach Einfamilienhäuser mit der Begründung „Wir müssen höher bauen, um mehr Menschen unterzubringen“ verboten hat. Kurzum: ökologisch soll sein, was von der allwissenden Politik vorgegeben wird. Selbst das Nachrichtenmagazin Der SPIEGEL spricht bereits von einer Renaissance der DDR-Plattenbauten als grünes Wohn- und Lebensideal. Wer dicht zusammenrückt, wärmt sich gegenseitig, das senkt dann wohl zusätzlich den Energieverbrauch.
Baukonzerne und Real-Estate-Investments bedienen
Und eingedenk der lenkungs- und verbotsorientierten Grundhaltung der Grünen kann es da überhaupt keinen Sinn machen, auch nur einen einzigen Förder-Cent in den Neubau von Einfamilienhäusern zu stecken.
Dabei spricht man bereits unverhohlen davon, dass kein Interesse bestehe, „veraltete Effizienz-Standards“ zu fördern. Das impliziert zwangsläufig, dass neue Standards gesetzt werden sollen, die konsequent in Richtung Null-Energiehaus bzw. Passivhaus gehen werden. Da ist es nur folgerichtig, dass künftige Förder-Milliarden in Richtung Geschossbau umgelenkt werden sollen, um auf diese Weise vornehmlich Baukonzerne und Real-Estate-Investments zu bedienen, die ihren Investoren dann glänzende Renditen versprechen können.
Die Aktivitäten von vermeintlich gemeinnützigen aber extrem finanzstarken NGOs und Think Tanks, die sich in den letzten Jahren zu engagierten Beratern der Politik aufschwingen konnten, werfen dabei ein bezeichnendes Licht auf eine unheilige Allianz zwischen Öko-Ideologie und strategisch wohl positionierter Konzerndenke. Insgesamt zeichnen sich zwei Maßnahmenpakete ab, die in den nächsten Monaten und Jahren umgesetzt werden dürften:
- Die Bundesförderung für effiziente Gebäude BEG, in dem die Fördermaßnahmen geregelt werden, wird komplett überarbeitet und
- das Gebäudeenergiegesetz, in dem die energetischen Vorgaben festgehalten werden, die für Neubauten im Standard zu erfüllen sind, wird massiv verschärft werden.
Das Gebäudeenergiegesetz gilt ohnehin jetzt schon als massiv lobbyistisch beeinflusst. Wirft man einen Blick jenseits der Bauwirtschaft in andere Branchen, so dürfte selbst der fachlich unbedarfte Betrachter stutzig werden. Man stelle sich nur einmal vor, die Luft- und Raumfahrtindustrie müsste die Wandstärken der ISS Raumstation nach Vorgaben des deutschen Gebäudenergiegesetzes planen. Wie stark würden da wohl die Wände sein? Tatsächlich machen sie nur 14,8 cm aus. Die gleiche Frage könnte bei Verkehrsflugzeugen, die in einer Reiseflughöhe von 10.000 Metern und Außentemperaturen von -30 bis -50°C fliegen, gestellt werden. Vergleichbare und zudem relativ preiswerte Dämm- bzw. Reflektionslösungen sind im Gebäudeenergiegesetz überhaupt nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Das Gesetz ist nicht nur nicht technologieoffen, sondern verhindert sogar alternative und innovative Möglichkeiten, die die Forschung und Entwicklung zutage bringen kann.
Senkungseffekt war faktisch wirkungslos
Zugleich zeigen die stets in den Focus der Diskussion gelenkten CO2-Emissionen im Gebäudesektor, dass der Senkungseffekt trotz Energieeinsparverordnung, Gebäudeenergiegesetz und KfW-Effizienzhaus-Förderung faktisch wirkungslos war. Während die CO2-Äquivalente noch im Jahre 2020 gestiegen waren, sanken diese 2021 im Gebäudesektor ausnahmslos Corona-bedingt um minimale 3.461 Kilotonnen auf 120.000 Kilotonnen.
Die in der Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes als Minderungsziel von 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente bis 2030 festgeschriebene Vorgabe wird selbst unter optimistischsten Befürwortern als völlig unerreichbar angesehen. Mit den aktuellen politischen Denkweisen wird es in jedem Falle unmöglich sein, und man hat auch keine realistische Vorstellung, wie das überhaupt funktionieren soll.
Die Erwartungen im Sinne der lobbyistisch geprägten Veränderungen dürften sich daher nach dem Motto erfüllen: „Nachdem wir das Ziel endgültig aus den Augen verloren haben, verdoppeln wir unsere Anstrengungen“. Dies könnte wie folgt geschehen:
- Fördermittel können künftig nur noch für Mehrfamilienhäuser und mehrgeschossige Wohnblocks beantragt werden. Einfamilienhäuser werden grundsätzlich von einer Förderung ausgenommen bzw. deren Förderung wird massiv behindert werden.
- Die Vorgaben für die Energieeffizienz werden auf EH-40 bzw. EH-40plus verschärft, die in Wohnblocks nach den derzeit gültigen Vorgaben Gebäudeenergiegesetzes leichter als in Einfamilienhäusern erfüllt werden können. Daraus folgt faktisch eine Eliminierung der individualisierten Lebensweise. Käufer von Wohneigentum haben sich an die Real-Estate-Wohnblock-Investmentkonzerne zu wenden oder im Mietersegment zu verharren. Kleine Bauunternehmen und Handwerksbetriebe werden das Nachsehen haben.
- Das Gebäudeenergiegesetz wird weiterhin so ausgelegt, dass tatsächlich real ökologisch-nachhaltig wirksame und zudem auch noch kostengünstigere Dämmlösungen be- bzw. verhindert werden. Damit wird Individualbau zusätzlich ausgebremst und jeglicher Wohnungsbau wird massiv verteuert werden.
Eine solche Entwicklung wäre zudem meilenweit von einer realistischen, technologieoffenen und auch tatsächlich klimaschutzorientierten Lösung entfernt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die eher konsensorientierten Koalitionspartner SPD und FDP gegenüber einer solch radikalen Grundhaltung positionieren werden und wo die Kompromisslinie gezogen werden wird.
Da eine sofortige Verschärfung auf Null-Energie- bzw. Passivhäuser für zu viel Aufruhr sorgen dürfte, darf die Verschärfung in mehreren Etappen erwartet werden. Denkbar ist, dass die ohnehin schon von der Vorgängerregierung geplanten Überprüfungstermine für das GEG in den Jahren 2023 und 2025 dazu genutzt werden, Verschärfungen sukzessive zuerst auf EH-55 in 2023 und dann 2025 auf EH-40 bzw. EH-40plus einzuführen.
Damit wäre zumindest sichergestellt, dass alle Koalitionäre es für sich als Erfolg verbuchen können, dass sich die Bürger zumindest langsam an den „Radikalumbau“ unserer Gesellschaft gewöhnen können. Ein signifikanter Einfluss auf die CO2-Emissionen, was eigentlich das ursprüngliche Ziel war, dürfte dabei vollständig aus dem Fokus rücken.
Peter L. Pedersen ist Unternehmer und kennt die Probleme als Hersteller u.a. von Klein- und Ferienhäusern.