Joachim Nikolaus Steinhöfel / 06.09.2022 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 17 / Seite ausdrucken

WDR will Eindruck der Voreingenommenheit zuvorkommen

Darf ein Schriftführer bei den Grünen einen Kommentar der „tagesthemen" sprechen? Selbstverständlich. Warum soll ein Journalist nicht in einer Partei sein oder dort ein subalternes Amt ausüben? Der Sender ist aber anderer Meinung. Und tut so, als seien die übrigen Kommentatoren des WDR gänzlich unvoreingenommen.

Es gibt im deutschen Journalismus kaum ein kurioseres Format als den „Kommentar“ bei den „tagesthemen“. Gleich gefolgt von der „tagesschau“, einer antiquierten Sendung, in der Sprecher vom Zettel ablesen, was am jeweiligen Tag passiert sein soll. Ich will jetzt gar nicht erst davon anfangen, dass sich selbst die „Faktenfinder“ dieser Sendungen wiederholt vor Gericht verantworten mussten, weil es bei der Suche nach Fakten gelegentlich in justiziabler Weise hapert.

Im besagten „Kommentar“ nun werden dem perplexen Zuschauer in aller Regel textbausteinartig zusammengestückelte Banalitäten mit staatstragender Miene zugemutet. Gebührenfinanzierte Gedankenarmut.

Eine der vielen Untiefen in diesem trägen Gedankenfluss intellektuellen Niedrigwassers war der Auftritt des Schriftführers der Grünen in Grevenbroich, Detlef Flintz vom WDR. Eines Mannes also, der qua Amt ganz maßgeblichen Anteil an den Geschicken der Regierungspartei hat. Flintz kommentierte im Oktober 2021 in den „tagesthemen“: „Er ist da, der Preisschock – gut so“. Denn nur so, führte der Redakteur dann sinngemäß weiter aus, werde der Konsum verringert, was dann wiederum der Umwelt zugutekäme. Das darf er so sehen, denn auch ungewöhnliche Positionen sind von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Bei seinen Parteifreunden ist Flintz jetzt garantiert eine große Nummer. Ob er den wichtigen Schriftführerposten vor oder erst wegen des Kommentars erhalten hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall, ich möchte es einmal neutral formulieren, haben sehr viele Menschen seinen Kommentar kommentiert. Der WDR aber zieht jetzt „Konsequenzen“. Cancel Culture gegen Grün? Ein Unding. In der Welt lese ich:

„Der WDR selbst teilte der dpa mit: ‚Im Wissen um das kommunalpolitische Engagement des Kollegen orientieren wir uns künftig auch in seinem Fall an unserem Verhaltenskodex. Im Ergebnis werden wir ihn nicht mehr für Meinungsbeiträge zu Themen vorschlagen, bei denen der Eindruck der Voreingenommenheit entstehen könnte.‘“

Ich finde diese Maßnahmen indiskutabel

Auf die Idee, der WDR könne bislang irgendwo auch nur im Ansatz den „Eindruck der Voreingenommenheit“ erweckt haben, ist sicherlich noch nie jemand gekommen. Man wehrt also den Anfängen.

Was darf Herr Flintz jetzt noch kommentieren? Gibt es irgendein Thema, das Gegenstand eines Kommentars in den „tagesthemen“ sein könnte, zu dem die Grünen keine parteipolitische Position haben? Natürlich nicht. Also jetzt komplettes Kommentarverbot, ein teilweises Berufsverbot fast?

Ich finde diese Maßnahmen indiskutabel. In einem freien Land darf auch jemand, der ein subalternes Amt bei einer Partei innehat, als Journalist seine Meinung sagen. Der Kommentar ist doch sowieso nichts als Meinung. Fängt das Kommentarverbot erst an, wenn man ein Amt, und sei es noch so belanglos, innehat? Warum nicht schon dann, wenn man Parteimitglied ist? Diese Frage zeigt doch, wie lächerlich der Aktionismus des WDR ist. Als würde ein mickriges Amt die „Voreingenommenheit“ begründen, eine Parteimitgliedschaft aber nicht.

Sind parteipolitische Mitgliedschaften beim WDR anzugeben? Nein. Das wäre wohl auch rechtlich problematisch.

Hat man überlegt, etwaige Mitgliedschaften bei „Kommentatoren“ der „tagesthemen“ in dem Profil des Mitarbeiters anzugeben? Ich glaube nicht.

Diente das der Transparenz? Ich finde schon.

Sind sie, wenn es die richtigen sind, beim beruflichen Fortkommen im WDR förderlich? Eine rhetorische Frage.

Möglicherweise ist sowieso ein Großteil der Bevölkerung der Meinung, dass der WDR seinen Spitznamen redlich verdient und erwartet von vornherein keine klugen oder abgewogenen sondern nur von Voreingenommenheit gesättigte Kommentare. Man kann das auch politische Überzeugung nennen. Diese Überzeugung ist nicht das Problem, man findet sie bei jedem politisch denkenden Menschen. Einen Politikjournalisten ohne politische Überzeugung gibt es nicht. Das Problem ist, wenn eine überwiegende Mehrheit eine Überzeugung haben muss, um überhaupt zu Wort zu kommen.

Es muss dann nur ein kleiner Einblender „Dauerwerbesendung“ her

Ich halte die Sanktionierung von Herrn Flintz für falsch. Sie ist auch deshalb so töricht-aktionistisch, weil damit der Eindruck erweckt werden soll, als würden andere Kommentatoren nicht ebenso „voreingenommen“ sein (das ist die Vokabel vom WDR). Und das nimmt dem Flintz-Funk sowieso niemand ab.

„Der ÖRR ist eine Verfassungsinstitution für die gesamte Gesellschaft – finanziert von der gesamten Gesellschaft. Er ist per Verfassungsauftrag staatsfern, unabhängig und vielfältig. Genau das braucht eine Gesellschaft, die droht auseinanderzufliegen – gerade in dieser Zeit“,

so Georg Restle am 02.08.2022 auf Twitter. Und der muss es ja schließlich wissen.

Warum schafft man den „Kommentar“ nicht einfach ab? Dass wäre doch ein beherzter erster Schritt in die richtige Richtung. Oder die Grünen bezahlen die Kommentare zukünftig wie Werbespots. Es muss dann nur ein kleiner Einblender „Dauerwerbesendung“ her. Denn wie heißt es so schön im Pressekodex:

„Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen

Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.“

Jetzt, wo jeder weiß, dass Herr Flintz Schriftführer bei den Grünen in Grevenbroich ist, kann der WDR ihn ruhig wieder ranlassen. Jeder kann dann seine Kommentare einordnen, wie es so schön heißt. Konnten die Zuschauer vorher auch schon. Flintz bildet übrigens bei der Medienakademie von ARD und ZDF auch Nachwuchsjournalisten aus. Damit es bei der Verfassungsinstitution WDR auch weiter so schön staatsfern, unabhängig und vielfältig zugeht wie bisher.

Dieser Text erschien zuerst auf Joachim Steinhöfels Blog.

Foto: Achgut.com

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Martin Eberth / 06.09.2022

Dass die Kommentare, die Nachrichten im Verschweigen und Hervorheben der zeitgeistlich rotgrünen Prachtergreifung fast vollständig Ausfluss zweier, dreier Parteien sind, sollte man tatsächlich als Werbesendung begreifen und kenntlich machen müssen. Mehr aber: Die SPD, die Grünen und die Linke sollte die Sendezeit nicht anders als Unilever oder Procter und Gamble auch bezahlen, egal ob Heute Journal, Tagesschau und Tagesthemen oder die vielen Sendungen zum Thema “Klimaschutz”, Gender oder die unsäglichen Beiträge in den Kulturkanälen. Idealerweise sollte die GEZ abgeschafft werden und die üblichen Verdächtigen der Bundestagsparteien finanzieren den ÖRR direkt aus der eigenen Kasse. Außer vielleicht die AfD oder die Partei für yogisches Fliegen, denn die bekommen keine Sendezeit. Der Staatsfunk gehört abgeschafft. Auch Spenden von Bill Gates an den Spiegel (an welche Blätter oder Redakteure noch?) oder anderen Oligarchen, sollten die Begünstigten auf dem Titelblatt ausweisen müssen. Es muss eine Offenlegung der Sponsoren geben, wie auch alle Kontobewegungen von Land- und Bundestagsabgeordneten im öffentlichen Interesse des Souveräns öffentlich verfügbar sein müssen. Allein aus dem GG ergibt sich, wer “his Masters Voice” als Handlungsmaxime verinnerlicht hat oder seinem Gewissen verpflichtet ist. Weiter noch: Es fehlt in Deutschland an Gewaltenteilung. Staatsanwaltschaften sind weisungsgebunden immer wieder bereit, kritische Stimmen durch lausig begründete Entscheidungen anklagend zu forcieren oder auszusitzen. Wer dreht da eigentlich am Rad, wenn es keine Dokumentationspflicht gibt, den Entscheidungsprozeß zu begründen. Fazit: Es sind fast alle Juristen Deutschlands im Bilde, aber seit 1949 nicht in der Lage, diesen Mißstand aufzuzeigen oder dagegen anzugehen. Korruption als Hauptmerkmal der juristischen Kaste in Subversionskollektivität mit Bundes- und Verfassungsgericht. “Ja, aber” werden Juristen sagen,” Danke für nichts, oder?

P. Wedder / 06.09.2022

Bemerkenswert finde ich auch, dass so getan wird, als ob er ganz allein für den Kommentar verantwortlich war. Sorry, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas nicht vorher eingereicht und abgesegnet oder zumindest abgesprochen werden muss.

Franz Klar / 06.09.2022

Das Problem sind nicht die (wenigen) gekennzeichneten Kommentare . Das Problem ist : das gesamte Programm ist ein einziger Kommentar aus einer einzigen Richtung . Unterschiede einzelner Landesrundfunkanstalten erkenne ich nicht .

Frank Stricker / 06.09.2022

Aus gegebenem Anlass, wo ist eigentlich heute auf der Achse ein Bericht über die fürchterliche Reportage von “Tod und Spiele”, wo die die zwei Überlebenden des Palästinenser-Kommandos ihren ekelhaften Antisemitismus zum Besten geben durften ? Voller Stolz berichtet dieser menschliche Unrat, wie man die israelischen Sportler hingerichtet hat und die ARD verzichtet auf eine Stellungnahme…...einfach widerlich !

Frank Stricker / 06.09.2022

Ha, Ha, Ha, kann mir mal jemand den “Verhaltenskodex” des WDR erklären ?? Lass dich halt nicht erwischen, wenn du rot-grüne Propaganda machst ! Oder wie der WDR gerne argumentiert, “journalistisch eingebettet”......

Hans Gross / 06.09.2022

Ich finde, Kommentare gehören nicht in den ÖRR. Abgesehen, dass sie inhaltlich, argumentativ i.d.R. sehr „flach“ sind, wird damit doch unterstellt, dass der Zuhörer zu einer Nachricht nicht in der Lage ist, differenziert sich mit Argument und Gegenargument - das er selber in seinem Hirn bewegt, -auseinander zu setzen, dass er dazu der Kommentator-„Hilfe“ bedarf. Aber wahrscheinlich ist die Wahrheit/die „Legitimation“ des Kommentars darin zu erspüren, dass die Berichterstattung über einen Sachverhalt äusserst mies (inhaltsleer) ist und dann durch den Kommentar „aufgemotzt“ werden soll.

Karl-Heinz Vonderstein / 06.09.2022

Naja, das war wenigstens ein Kommentar, der auch offiziell als Kommentar angekündigt wurde. Wie es das mal früher gab im ÖRR, schön getrennt von einem Bericht. Ein besonders gelungenes Gegenbeispiel und wie es längst üblich ist, sah ich eben aufm SR in einem “Bericht” , der über die Nachfolgerin von Boris Johnson im Amt des Premierministers, Liz Truss, handelte. Man zeigte im “Bericht” auch einen kleinen Ausschnitt der Abschiedsrede von Boris Johnson, der zu dem Zeitpunkt nicht mehr Premierminister war. Dieser “Bericht” war ein Musterbeispiel dafür, wie sich im ÖRR Bericht und Kommentar verschmolzen haben. Genau genommen war der “Bericht” eher ein Kommentar als ein Bericht. Gilt aber offiziell als Bericht. Ich find das ist dass schlimme (im Hinblick auf dem Zustand unseres Journalismus) und nicht, dass ein Journalist der Grüner ist, im WDR in den Tagesthemen, in einem Kommentar Grünen-Narrativ von sich gibt. Wäre ja komisch, hätte er wie ein CDUler oder FDPler gesprochen oder man stelle sich vor wie ein AfDler. Das wäre doch mal ein Kommentar gewesen! Klar, ihr Bericht geht darum, dass der WDR so tut, als sei das sonst nicht üblich. Ist halt die Verlogenheit der Macher und angestellten Journalisten im ÖRR.

jan blank / 06.09.2022

Aus Herrn Steinhöfels eleganter Betrachtung schimmert er wohltuend durch, der hochgefährdete Geist der europäischen Aufklärung, der schon vor 250 Jahren formulierte : “Mein Herr, ich bin nicht ihrer Meinung, aber ich würde Leben dafür geben, dass Sie diese sagen dürfen….” Dieses scheinen unsere ach so woken Aktivisten komplett zu ignorieren, geben sich zwar fortschrittlich, bereiten aber nur einem wie immer gearteten “Gottestaat” den Boden. Frömmelnde Bußpredigten, Schuldlust und aggressive Schuldzuweisungen werden schon mal eingeübt. Ärgerlich, dass diese dem praktischen Leben gegenüber so Impotenten im öffentlichen Rundfunk so massiv Asyl finden. Dort können auch Maßanzüge und Traumgehälter können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Rummelbuden des Zeitgeists ihre beste Zeit hinter sich haben. So klammert man sich eben wechselseitig aneinander…........

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