Thilo Schneider / 11.01.2024 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 64 / Seite ausdrucken

Was würden Neuwahlen bringen?

Kein Zweifel, die Ampel hat fertig. „Neuwahlen!“ schallt es durchs Land, aber was würden die angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse bringen, so lange die „Brandmauer“ steht und die WerteUnion sich noch nicht als Partei gegründet hat?

Hat die Ampel der Lust und Liebe den Bogen überspannt? Noch nie in der Geschichte Gesamtdeutschlands hat die Bevölkerung derart massiv gegen eine Bundesregierung aufbegehrt, noch nie war eine Regierung bei ihren Wählern und Nichtwählern nicht nur unbeliebt, sondern regelrecht verhasst wie diese. Tausende Traktoren nicht nur auf den Berliner Straßen sind da nur das sichtbare Zeichen der Diskussionen, die bei Stammtischen, Familientreffen und Cafébesuchen, aber auch in den sozialen Medien stattfinden.

Die Ausdrucksweisen und Bandagen werden dabei immer härter, je länger sich die Mannschaft um Olaf Scholz im Regieren übt. So gesehen, war der Graben um den Reichstag eine der besseren Entscheidungen der Regierenden. Gründe hierfür gibt es viele, ob es um idiotische Vorschriften, ideologisch getrieben Wahnsinn oder die offensichtliche Dummheit des Spitzenpersonals aus Schulabbrechern, Minderleistern, Karrieristen, Plagiatoren, Lügnern und Heuchlern geht. Wie oft genug und lange genug auf der Achse und anderswo liebevoll dokumentiert. 

„Neuwahlen“ schallt es durchs Land, an allererster Stelle von Friedrich Merz und seinen Kollegen, die sich im Ahrtal um diese Regierungsperiode gegrinst haben –  was aber so charmant daherkommt, wird im Grunde nichts, aber auch gar nichts ändern, so leid es mir für die frustrierte Bevölkerung dieses ochlokratisch regierten Landes tut. Das Zauberwort heißt „Brandmauer“, und die Union war dumm genug, sich von Rot-Grün vor diese stellen zu lassen. 

Keine Wende mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün 

Aber spielen wir es doch einmal durch. In der letzten Sonntagsfrage vom 09.01.2024 hatten wir laut INSA folgende Zahlen: 

SPD: 16%, Union 32%, Grüne 12%, FDP 5%, AfD 23%, Linke 4%. 

Wir rechnen durch: Es gingen, sofern die Brandmauer aus Beton und nicht Styropor ist, lediglich Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, mit etwas Glück wäre die FDP mit im Regierungsboot. Hand aufs Herz, liebe Leser: Glauben Sie, eine Verschärfung des Asylrechts und eine Senkung des Bürgergelds wäre mit der vereskenden SPD zu machen? Oder Schwarz-Grün würde eine Habeck‘sche Energiewende rückwärts mittragen? Merz wäre zwar Kanzler, aber eine CDU in der Regierung wäre für die Sozis soft und anschmiegsam, wie ein Blick auf die Berliner CDU des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner zeigt. Und wie Merkel so lange bewiesen hat. 

Hinzu kommt das Spitzenpersonal: Merz mag als Kanzler gerade noch so durchgehen, aber was passiert dahinter? Die Grünen würden mit Sicherheit das Außen-, Wirtschafts- und Umweltamt behalten wollen, eventuell würde Baerbock das Außenministerium abgeben – aber dann könnte das Amt an Ricarda Lang oder sogar Claudia Roth gehen. Wollen Sie das? Selbst, wenn Habeck übernähme (unrasiert und ungeduscht in Jerusalem), wer wäre inkompetent genug, ihm bei den Grünen nachzufolgen? Tessa Ganserer? Die Personaldecke bei den Grünen ist dünner als ein Kaftan in der Sahara.

Oder Schwarz-Rot: Scholz wäre beleidigt und würde kein Amt mehr bekleiden, hurra. In der linken Ringecke lauert aber Saskia Esken, die mit dem Sexappeal einer Handarbeitslehrerin durchaus das Bildungsressort übernehmen könnte. Oder Schlimmeres. Vielleicht würde Kevin Kühnert da als Außenminister eine schlechte Figur machen, schlechter jedenfalls als Jens Spahn. Nancy, die Ungewollte, könnte sogar Innenministerin bleiben, es will sie ja sonst auch niemand. Nicht in Hessen, nicht anderswo. Okay, Pistorius darf bleiben. Der ist eingearbeitet und gibt sich wenigstens Mühe. 

Mit diesem Personal ist kein Staat zu machen

Und bei der Union? Spahn, Dobrindt, Söder, und mit Wüst eventuell ein weiterer Merkelianer. Wer sonst wäre da auch nur ansatzweise ministrabel? Die ganzen Figuren fielen schon zu Merkels Zeiten durch die Kulissen und vor allem durch Geschmeidigkeit und „Maul halten“ auf. Sie sehen das Problem? Mit den Figuren aus den genannten Parteien ist definitiv „kein Staat“ zu machen. Wenn dem aber so ist, dann können wir auch die derzeitige Regierung noch zwei Jahre weiterkaspern lassen. Es macht wirklich keinen Unterschied. Die Ahnungslosen werden immer noch auf der Regierungsbank sitzen, mögen sich auch die Köpfe ändern, der gleiche leere Inhalt bliebe. 

„Jahaaa“, werden Sie sagen, „aber, aber wenn Weidel als Kanzlerkandidatin anträte und über 50 Prozent holen würde, was dann?“ Ja, was dann? Abgesehen davon, dass dies die Zahlen der Sonntagsfrage nicht hergeben, so hart das klingen mag: Ich sehe derzeit keinen Trend, dass es die AfD über 30 Prozent schaffen könnte. Besten- und schlechtestenfalls würde eine Alice Weidel die AfD zur stärksten Kraft führen, wenn sie Stimmen von den anderen Parteien – insbesondere der Union – ziehen kann. Drehen wir es also einmal um: Kanzlerkandidat Merz bezeichnet in einem Interview versehentlich Merkel als die beste Kanzlerin, die Deutschland je hatte (was im Grunde stimmt – sie war schließlich auch die einzige Kanzlerin, die Deutschland je hatte), und das kostet ihn bei der Wahl satte 13 Prozent, die rüber zur AfD wandern. 

Weidel führt nun also die offiziell stärkste Partei in den Bundestag mit tollen 32 Prozent. Und jetzt? SPD und Grüne werden sich eher entleiben, als mit der AfD zu koalieren, wie die umgekehrt ja auch, die FDP ist eventuell sogar raus. Sehr wahrscheinlich sähe sich Weidel einer Phalanx aus Union, SPD und Grünen gegenüber, wieder mit Merz, jetzt als Kanzler der Super-Koalition. Was hat Deutschland jetzt gewonnen? Außer Merz als Kanzler, von dem noch die Frage wäre, ob das wirklich ein Gewinn wäre. Auch hier käme Merz nämlich nicht an seinen Koalitionspartnern vorbei, die ihn fast so inbrünstig wie die AfD hassen. Merz dürfte in dieser Konstellation maximal die vegane Speisekarte des Bundestages umgestalten. 

Die AfD wird ewig Oppositionspartei bleiben

Sie können es drehen und energiewenden, wie Sie wollen: So lange dieser Brandmauerquatsch durch die Gegend wabert, wird es niemals eine AfD-Kanzlerin geben, da mag sie noch so gut aussehen, intelligent und lesbisch sein. Außerdem kommt Weidel ja nicht allein, sondern hat jede Menge seltsame Typen im Schlepptau: Plötzlich müssten wir darüber nachdenken, ob ein Tino Chrupalla, ein Björn Höcke oder, der Oberkracher, ausgerechnet Maximilian Krah ministrabel wären. Haldenwang und der Verfassungsschutz könnten gar nicht so viele Überstunden machen, wie sie bräuchten. Vergessen Sie’s. Die AfD wird ewig Oppositionspartei bleiben. Aber selbst wenn… Wenn Wüst morgen im Lotto gewönne und sich nach Abu Dhabi zurückzöge und ein aufatmender Merz die „Brandmauer“ einrisse: Die AfD als Koch und die Union als Kellner? Glauben Sie an so etwas? Tatsächlich aber, so weh mir das persönlich tut, glaube ich, dass nur eine Union/AfD-Koalition eine echte Änderung bewirken könnte. Nur kann sich die AfD eben nicht von den ehemaligen und noch lebenden „Flügelianern“ trennen – und dann haben Sie da Leute hocken, die Kalbitz so schlecht nicht fanden und Putin so schlecht nicht finden. Das wäre Pech, für Selenskyj. 

„Jaaaa“, werden Sie jetzt sagen, „aber what about Wagenknecht-Partei?“ Die kann froh sein, wenn sie es als Partei der sozialistischen Anfänger mit weiblichem Antlitz über die 5-Prozent-Hürde schafft, und selbst wenn Hans-Georg Maaßen jetzt die Werte-Union als Partei auf den Wahlzettel bringen würden, bekämen sie zum einen bis zum Wahltermin eher nicht die virtuellen Social-Media-PS auf die reale Straße (Stichwort „Unterstützerstimmen“), und falls doch (dazu brauchen sie übrigens, ebenso wie die gute Sahra, Geld. Viel, viel Geld), werden sie wahrscheinlich mit Anlauf gegen die 5-Prozent-Hürde schallern. Bis also eine Werte-Union den Gap zwischen Union und AfD schließen kann, reden wir über einen Zeitraum von wenigstens zwei Legislaturperioden – in denen die Werteunion sich gegen Framing und Beschimpfungen wird wehren müssen, keine „AfD-Light“ zu sein. Ich wünsche dabei viel Vergnügen und bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis Maaßen mit Hitlerbärtchen virtuell durchs Netz gejagt wird.  

Bitte schlagen Sie mich nicht, liebe Leser: Ich bin nur der Überbringer der Botschaft.
 

Thilo SchneiderJahrgang 1966, freier Autor und Kabarettist im Nebenberuf, LKR-Mitglied seit 2021, FDP-Flüchtling und Gewinner diverser Poetry-Slams, lebt, liebt und leidet in der Nähe von Aschaffenburg.

Foto: Timo Raab

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Leserpost

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Sam Lowry / 11.01.2024

Für die, die es noch können, gibt es am Ende nur noch eine Lösung, zumindest in Europa: Ungarn.

Tobias Meier / 11.01.2024

Grundsätzlich haben Sie leider recht, Herr Schneider. Egal welche Kombination des Bollwerks für Demokratie in spätestens zwei Jahren die Regierungsbank warmhält, keiner aus dem Block kann aus seiner Haut heraus und wird den selbstzerstörerischen Kurs fortführen. Allerdings vergessen Sie einen Hoffnungsschimmer: die freien Wähler hätten durchaus das Potenzial, das konservative Vakuum zwischen nach links gerückter CDU und AfD zu füllen. Einen Aiwanger halte ich für clever genug, sich nicht an den rechtsradikalen Rand drücken zu lassen, zumal den Schreiberlingen und Politkrakeelern, die dies versuchen, ohnehin keiner mehr glauben würde. Dazu müssten die freien Wähler natürlich zeitnah den Arsch hochkriegen und sich deutlich positionieren. Und die CDU müsste ebenso zeitnah auf den Zug aufspringen, deutlich und glaubhaft. Gelingt dies den Parteien nicht, halte ich es für einen Akt der Notwehr, bei den kommenden Wahlen die AfD zu wählen. Da ändern auch fragwürdige Gestalten wie Höcke oder Chrupalla nichts dran. Und mal ehrlich: wären die wirklich noch schlimmer als das Gruselkabinett der Ampel?

Fred Burig / 11.01.2024

@RMPetersen: “... Sollte die Schreckenspropaganda gegen die “Schwefel-Partei” irgendwann nicht mehr verfangen, gäbe es immer noch ein Parteienverbot.”  Oder als Antwort einen Volksaufstand, der dann wohl in einen Bürgerkrieg münden könnte! Die Schuld für einen derartigen Verlauf liegt, nach wie vor, bei den Regierungsparteien mit ihrer Vasallentreue zum amerikanischen Weltherrschaftssystem und dessen menschenverachtender globaler Politik! Oder kommt es erstens anders, als man zweitens denkt?...... MfG

M.-A. Schneider / 11.01.2024

Ja, Herr Schneider, es fällt nicht leicht und die Panik steigt, aber Sie liegen m. E. richtig mit Ihren desillusionierenden Gedanken und Vermutungen, die auch bei uns immer wieder in ganz ähnlicher Art und Weise diskutiert werden. Dabei möchten wir doch alle, die wir dieses ganze Entwicklung kritisch verfolgen, so gerne an ein Wunder glauben. Stattdessen werden wir vermutlich zu ertragen haben, dass dieses Land noch weitere zwei Jahre von Narzissten regiert wird und das Deutschland, in dem wir gut und gerne gelebt und gearbeitet haben, bald nicht mehr wieder zu erkennen sein wird.

Bernd Oberegger / 11.01.2024

Wir erleben zur Zeit die Zerstörung einer Volkswirtschaft und dies mit tätiger Mithilfe der USA. Die hiesigen Akteure sind doch hinreichend bekannt. Die zu erwartenden Folgen auch.

Peter Hans / 11.01.2024

Man mag mich für einen Depp halten, aber die einzige Lösung wäre eine Minderheitsregierung mit wechselnden, sachbezogenen Mehrheiten, Bitte keinen 200+-seitenlangen Koalitionsvertrag mehr, egal zwischen welchen Parteien. Die Parteien tragen seit Jahren nicht mehr zur politischen Willensbildung bei, SIE regieren das Land (kaputt). Der Abgeordnete, der seinem Gewissen verpflichtet ist, existiert nur noch in Form vereinzelter MdBs, die ihrer Fraktion den Rücken zugekehrt haben.

Fred Burig / 11.01.2024

@A. Ostrovsky:”... Erzählt mir nicht, das wäre grüne Dummheit. Die Rote und die schwarze und die gelbe Dummheit ist größer. ” ... Ja, aber auf andere Art, weil die Grünen - in ihrem Wahn - das gar nicht kapieren, was sie gesellschaftlich anrichten ..... die anderen aber es bewusst nutzen. Dazu könnte ich ihrer Meinung sein. Nur , wo ist der Ausgang? Die Alternativen sind momentan auf die Alternative für Deutschland begrenzt - damit diese Entwicklung erst mal wieder zum Stehen kommt! Was dann daraus wird, sollte den gemachten Erfahrungen entsprechen ...... oder haben sie langfristig eine besser Lösung - dann nur her damit! MfG

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