Szenario 1: „Es bleibt alles ganz anders“
Angela Merkel wird als Kanzlerin durchhalten und ihre Politik weitertreiben, auch wenn sie gelegentlich das Gegenteil davon behauptet.
Der SPD fehlt jeder Anreiz, die unter Schmerzen zustande gekommene Regierungsbeteiligung vorzeitig aufzukündigen. Viel zu gefährlich, sich auf Neuwahlen einzulassen, die nur desaströs für die einstige Volkspartei enden können. Und die Pöstchen und Posten auf der Regierungsbank sind auch nicht zu verachten, denn nur so hat man die Möglichkeit zur Ausgestaltung linker Politik oder dessen, was man dafür hält.
Die CDU erscheint mir weitestgehend domestiziert, und es gibt keine erkennbare Solidarisierung und Organisation von Überlebenswilligen im Kanzlerwahlverein. Thilo Sarrazin sagt dazu treffend: „In der CDU hat Angela Merkel ihre Position gestärkt, indem sie der Riege der jungen und jüngeren Nachfolger wichtige Partei- und Regierungsämter gab. Jetzt muss sich die Schar der Kronprinzen und -prinzessinnen erst einmal einarbeiten und in Ämtern bewähren. Das schafft für einige Jahre Ruhe. Der eine oder andere wird dabei sicherlich auch Glanz verlieren oder gar scheitern. Für Machtspielchen haben sie vorerst weder Zeit noch Gelegenheit“.
Die Medienmehrheit bleibt der Kanzlerin so unerschütterlich treu wie die Revolutionsgarden von der Antifa. Die Wähler werden zwar den Volksparteien weiter in Scharen davonlaufen, aber die Wählerwanderung wird von den Meinungsforschern hübsch kaschiert, und es kommt daher erst in dreieinhalb Jahren zu einer Überraschung bei der nächsten Wahl. Es kann sogar passieren, dass eine Gesetzesinitiative die Wahlperiode um ein weiteres Jahr verlängert.
Der Gesang mag sich verändern, aber das Lied bleibt das alte. Der überstürzte Ausstieg aus der Kernenergie, die falsch angelegte Energiewende werden fortgesetzt. Die Aufgabe der Währungsarchitektur des Maastricht-Vertrages zugunsten einer Schuldenumverteilungspolitik wird fortgeführt. Der Verzicht auf eine Reform der Sozialsysteme und die hemmungslose Abgabenpolitik bleiben bestehen. Vor allem aber der opportunistische und leichtfertige Umgang mit der Fluchtmigration und ihren Folgen wird die Situation weiter verschärfen. Ich gehe davon aus, dass ein „Weiter so“ auch in gewissem Sinne gutgehen kann.
Das Gelingen der Politik der großen Zuwanderung hängt davon ab, wie gut die Integration der „Jetzt-da-seienden“ gelingt und wie langmütig die Aufnahmegesellschaft Verwerfungen als Kollateralschaden der Integration hinnimmt. Voraussichtlich in drei Generationen könnte die deutschstämmige Bevölkerung im eigenen Land eine Minderheit sein. Die Geburtenrate der Zuwanderer ist traditionell hoch und weitere Immigration, verbunden mit Familiennachzug, verstärkt diesen Trend. Es kommen jährlich von der Politik geduldete hunderttausende neue Zuwanderer nach Deutschland.
Dieser Vorgang der langsamen Übernahme eines Landes durch Zuwanderung ist aber nicht notwendigerweise ein Trigger für Bürgeraufruhr der Einheimischen, da es sich eben um einen gleitend ansteigenden Prozess handelt, der Gewöhnungseffekte erzeugt.
Trifft so eine Einschätzung zu? Ich weiß es nicht. Aber die Politik weiß es auch nicht genau. Das BAMF sagte schon im Jahre 2005 in einer Studie zum Einfluss der Zuwanderung auf die deutsche Gesellschaft:
„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Unzulänglichkeiten der Forschung und der Datenverfügbarkeit nicht nur jene Forschungsbereiche betreffen, die für die politische Steuerung von Zuwanderung und die Bewältigung von Integrationsherausforderungen besonders relevant sind. Datentechnische Probleme und inhaltliche Defizite betreffen die Migrations- und Integrationsforschung vielmehr insgesamt. Notwendig ist eine ausdifferenzierte, interdisziplinär orientierte und institutionell breit verankerte Forschung.“
Ich finde es mehr als abenteuerlich, dass eine Regierung auf der Basis eines solchen Nichtwissens eine Politik der uneingeschränkt nach innen offenen Grenzen betreibt, während die Grenzen nach außen ein undurchdringliches Abschiebehindernis darstellen. Die Fortführung dieser Politik seit 2015 verschärft die Spannungen in der Gesellschaft und lässt die Wahrscheinlichkeit von Szenario 4 ansteigen.
Szenario 2: Vorwärts, Genossen, es geht zurück!
Wer erinnert sich nicht an den überstürzten Beschluss von Kanzlerin Merkel im Juni 2011, nach dem Tsunami in Japan und dem folgenden Atomunfall in Fukushima, die Hälfte der deutschen Kernkraftwerke stillzulegen, denen dieselbe Regierung kurz zuvor eine Laufzeitverlängerung von 10 Jahren zugebilligt hatte. Damals stand, nach einer Serie desaströser Landtagswahlen eine weitere Landtagswahl in Bayern an, bei der die CSU wahrscheinlich herbe Verluste hätte hinnehmen müssen. Weiteren Wahlniederlagen glaubte sich die Atomkanzlerin Merkel gegenüber der Parteibasis nicht leisten zu können und wurde von einem Tag auf den anderen zur Anti-Atomkanzlerin Merkel.
Fukushima war nur der Anlass für die politische Kehrtwende von 180 Grad. Merkel sagt dazu mitnichten, dass sie eine neue Politik machen will, sondern auf typisch merkelisch: „Wir haben uns entschlossen, den beschlossenen Weg des Herbstes noch schneller zu gehen und zu gestalten… Die Ergebnisse der Ethikkommission sind so etwas wie die Richtschnur für das, was wir regierungsseitig beschlossen haben…“. Sie tut so, als hätte es die Laufzeitverlängerung nie gegeben.
Angela Merkel wird also weniger von Überzeugungen gesteuert, als von ihrem sicheren Machtinstinkt. Wer sagt uns, dass sie nicht auch in der Flüchtlingspolitik eine derartige Kehrtwende hinlegen könnte, wenn es machtpolitisch erforderlich werden sollte? Einen Anlass dafür könnte sie leicht finden. Zutiefst gespalten, wie die deutsche Gesellschaft, ist auch die Basis der GroKo-Parteien. Daher kann sie davon ausgehen, dass die halbe Parteibasis der CDU/CSU und sogar die der SPD ihr folgen würden. Und eine willige Ethikkommission, die ihr die Wende anempfehlen würde, ließe sich leicht installieren.
Bei der Fortführung der gegenwärtigen Politik braucht sich die Kanzlerin vor der Bundestags-Opposition überhaupt nicht zu fürchten. Die Regierungspolitik stimmt im Wesentlichen mit den Zielen der Opposition überein. Dies würde sich schlagartig ändern, wenn Merkel eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik (oder bei der Energiewende) machte.
Weiterhin ist allerdings zu bedenken, dass im Falle einer Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik die Medienfront bröckeln würde. Im Gegensatz zur Bevölkerung stehen die Medien mehrheitlich hinter Merkels einladender Flüchtlingspolitik und würden ein Abweichen davon nicht tolerieren. Und nichts fürchtet die Kanzlerin wohl mehr, als schlechte Bilder, schlechte Presse.
Berücksichtigt man alle diese Gesichtspunkte, ist das Szenario einer Kehrtwende in der Politik eher unwahrscheinlich.
Szenario 3: Auch Du, mein Sohn Brutus?
Das wahrscheinlichste Szenario für ein Scheitern der GroKo ist der Bruch durch die Schwesterpartei CSU bzw. ein Bruch durch die SPD-Linken auf Betreiben der CSU. Als CSU-Parteichef hatte Seehofer schon mehrfach die Politik der Kanzlerin aufs heftigste gegeißelt, um dann immer aufs Neue kleinmütig einzulenken. Seinen Ruf und den seiner Partei hat er dadurch nicht gerade gefestigt. Seehofers Schlingerkurs hat der CSU empfindliche Verluste bei den Wahlen beschert und ihm den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Drehhofer“ eingebracht.
Die GroKo ist alles andere, als eine Liebesheirat. Sie ist noch nicht mal ein richtiger Waffenstillstand ohne Kriegsgeschrei an allen Fronten. Mit einer GroKo aus SPD und CDU/CSU ist die Obergrenze für Flüchtlinge ausgeschlossen. Wir wissen, dass die SPD die Obergrenze für Flüchtlinge nicht akzeptiert hat, egal, was im Koalitionsvertrag geschrieben steht. Die CSU hat die Obergrenze von 220.000 pro Jahr ebenso wenig akzeptiert, nur andersherum. Was sagte der CSU Generalsekretär Markus Blume jüngst über die Zuwanderungsdebatte?
„Zehn Prozent theoretisieren über Integration, die restlichen 90 Prozent müssen sie praktizieren. Der Populismus der Mitte versucht, eine Meinung zu verordnen, die sich auf moralische Alternativlosigkeit beruft. Das ist ein ganz, ganz schmaler Grat und endet irgendwo zwischen Selbstverleugnung und Beliebigkeit“.
Tatsächlich wird die Landtagswahl im Oktober vermutlich der Prüfungstermin für die CSU und damit zur weiteren politischen Existenz von Angela Merkel.
Die wahre Opposition gegen Angela Merkels Regierung sitzt auf der Regierungsbank. Der Oppositionsführer im Merkelschen Absurdistan heißt Seehofer und ist irgendwas mit Innen- und Heimatminister. Doch nun steht in Bayern wieder eine Wahl vor der Tür und der bajuwarische Löwe hat schon wieder mal laut gebrüllt. Wenn er erneut als Bettvorleger landet, können Seehofer und Söder die CSU als führende Kraft in Bayern abschreiben, was auf jeden Fall zu vermeiden ist.
Die abtrünnigen bayrischen Wähler kehrten sicherlich gerne wieder zurück in den Schoß der CSU. Sie wollen ja gar nicht so weit rechts wählen, wie sie faktisch gezwungen werden. So könnte die Achse Seehofer, Söder und Dobrindt zur Sollbruchstelle der GroKo werden. Damit wird der offene Bruch zwischen CSU und der Schwesterpartei CDU zu einem relativ wahrscheinlichen Szenario.
Szenario 4: Jähe Wendungen sind nicht ausgeschlossen
Das Szenario 4 geht vom Ausbruch offener Gewalt in der Gesellschaft aus.
1989 schrammte die DDR haarscharf an einer Gewaltorgie vorbei. Als Erich Honecker den Satz „Jähe Wendungen sind nicht ausgeschlossen“ von sich gab, hatte er natürlich nicht die Wende vom Herbst 1989 im Sinn. Das Verkennen der Wirklichkeit war DDR-Staatsprinzip. Aus solcher Weltsicht erübrigten sich selbstredend jegliche Reformen. Dass das Volk ernsthaft rebellierte, damit hatte niemand gerechnet. Folgerichtig gab es auch kein politisches Konzept für den Erhalt der Macht. Die DDR-Bonzokratie hatte sich auf eine unveränderbare Ewigkeit eingerichtet. Ein Schelm, der die Parallelen zum Heute sieht.
Wehe, wenn die Medienfront bröckelt. Man sagt den Deutschen nach, dass sie eine lange Leitung haben, aber eine kurze Lunte.
Manchmal frage ich mich allerdings, ob wir nicht schon mitten in einem Schwelbrand sind – Messerattacken, Vergewaltigungen, körperliche Gewalt in der Öffentlichkeit, gewalttätige Gruppenauseinandersetzungen und nicht zuletzt nahezu tägliche Angriffe auf staatliche Ordnungskräfte zeigen, dass es unter der Oberfläche glüht und einzelne Brandherde hier und da aufflackern.
Anlässe für einen sich ausbreitenden Flächenbrand könnten unter anderem sein:
- Eine Wirtschafts- oder Finanzkrise, die das Lebensniveau der arbeitenden Bevölkerung plötzlich nennenswert beeinträchtigt und zum Aufbegehren der Bürger führt. Dazu braucht es keine Weltwirtschaftskrise, es müssten z.B. nur durch einen Austritt Italiens aus dem Euro die Bürgschaften über 450 Milliarden Euro für die deutschen Steuerzahler fällig werden.
- Derzeit fühlt es sich an, als wären die Sozialsysteme zur Plünderung freigegeben. Eine nennenswerte Krise der Sozialsysteme als Folge von Wirtschaftskrisen oder finanzieller Überdehnung durch weiterer Fluchtwellen könnte zu einem Flächenbrand führen. Nämlich dann, wenn die Enttäuschung hunderttausender junger männlicher Zuwanderer sich Bahn bricht. Der Staat hätte einer organisierten Revolte aus dieser Richtung kaum äquivalente Schutzkräfte entgegenzusetzen.
- Die Explosion der Gesellschaft könnte auch ausgelöst werden durch singuläre Anlassereignisse, wie zum Beispiel wirkungsschwerer Attentate oder eines Zusammenbruchs der schon heute nur noch notdürftig funktionierenden staatlichen Schutzstrukturen durch einen längerdauernden elektrischen Blackout. Wenn schon der wohlvorbereitete G20 Gipfel ausreicht, dass marodierende Horden ungehindert plündernd durch Stadtteile Hamburgs ziehen können, was soll werden, wenn die Versorgung der Grundbedürfnisse der Bürger im ganzen Land für eine Woche und mehr wegfällt?
Die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines der genannten „Anlassereignisse“ ist nicht gerade gering und steigt durch die Fortsetzung der gegenwärtigen Politik. Die Schutzkräfte zur Verteidigung des Rechtsstaates Polizei und Armee sind schon im heutigen „Normalbetrieb“ bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gefordert und könnten im Anforderungsfall den Schutz der Bürger kaum vollumfänglich gewährleisten. Innerstaatliche Konflikte sind nach der historischen Erfahrung erbitterte und daher blutige Auseinandersetzungen. Gott bewahre uns vor einem derartigen Szenario.
Was wird aus der GroKo? (Teil 1)
Was wird aus der GroKo? (Teil 3)